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Diejenigen unter euch, die ihre Tätigkeit dem öffentlichen Leben gewidmet haben, sollen sich dazu gedrängt fühlen, nicht darauf zu verzichten, unter jeder Art von Regime zu arbeiten[17], auch wenn es nicht von christlichem Geist geprägt ist, es sei denn, dass die ordentliche Hierarchie des Landes den katholischen Bürgern eine andere Richtlinie erteilt. Denn euer Gewissen erlaubt euch nicht, dass euer Land von Nichtkatholiken regiert wird, und selbst unter den für die Religion ungünstigsten Umständen könnt ihr immer verhindern, dass größere Übel geschehen.

Es ist angebracht, dass ihr das Feld nicht räumt, wer auch immer an der Macht ist, und es wäre ungerecht, wenn man euch deswegen als Kollaborateure abstempelt. Meine Kinder, vor allem in Ländern mit einer mehrheitlich katholischen Bevölkerung wäre es unverständlich, dass es in der Regierung keine praktizierenden und verantwortungsvollen Katholiken gibt – und daher Mitglieder der verschiedenen Vereinigungen von Gläubigen. Wäre es nicht so, dann könnte man sagen, dass diese Katholiken weder praktizierend noch verantwortungsvoll noch katholisch sind oder dass die Kirche in diesem Land verfolgt wird.

Wenn ihr an der Regierungsarbeit beteiligt seid, setzt euch mit aller Kraft dafür ein, dass gerechte Gesetze erlassen werden, die die Bürger befolgen können. Das Gegenteil ist Machtmissbrauch und ein Anschlag auf die Freiheit der Leute. Es werden dadurch auch ihre Gewissen verbildet, denn in solchen Fällen haben sie das perfekte Recht, sich nicht an diese Gesetze zu halten, denn es handelt sich nur dem Namen nach um Gesetze.

Achtet die Freiheit aller Bürger und bedenkt, dass alle Mitglieder der Gesellschaft am Gemeinwohl teilhaben sollen. Ermöglicht allen, im Leben aufzusteigen, und erniedrigt nicht die einen, um die anderen zu erhöhen. Eröffnet den Ärmsten Perspektiven für ihre Zukunft: die Sicherheit einer entlohnten und geschützten Arbeit, den Zugang zu Gleichheit in der Bildung, denn das ist gerecht, wird Licht in ihr Leben bringen, ihre Stimmung verändern und ihnen die Suche nach Gott und nach Höherem erleichtern. Meine Kinder, vergesst jedoch nie, dass das traurigste Elend die geistliche Armut ist, der Mangel an religiösem Wissen und an Teilnahme am Leben Christi.

[17] „nicht darauf zu verzichten, unter jeder Art von Regime zu arbeiten“: Escrivá schlägt in solchen Fällen vor, der eigenen beruflichen Berufung zu folgen, solange die katholische Hierarchie nicht etwas anderes verfügt. Was das Opus Dei betrifft, ist der Vorwurf der Kollaboration mit dem Regime des Generals Franco bekannt, der erhoben wurde, seit zwei seiner Mitglieder 1957 in die Regierung eintraten und andere ihnen später folgten. Das spanische Episkopat untersagte die Beteiligung der Katholiken am Franco-Regime nicht, sondern unterstützte sie eher, weil es – auch wenn Franco die politischen Freiheiten nicht anerkannte – die Präsenz der Botschaft des Evangeliums im öffentlichen Leben zu gewährleisten schien. (Anm. d. Hrsg.)

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