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Die Wahrheit unermüdlich verkünden

Es gibt nichts Schlimmeres, meine Kinder, als dass Menschen Gräueltaten begehen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Verkündet die Wahrheit ohne Unterlass, opportune, importune68, auch wenn manche uns nicht glauben oder uns nicht glauben wollen. Quidquid recipitur ad modum recipientis recipitur[15]: Deshalb glauben sie uns nicht. Wir können ihnen den Wein der Hochzeit von Kana anbieten, der das Zeugnis des ersten Wunders Jesu und die erste öffentliche Kundgebung seiner Gottheit war, aber er wird zu Essig werden, wenn man ihn in das Gewissen jener Leute gießt. Schenken wir trotzdem weiter guten Wein aus und verbreiten wir die Wahrheit! Wie Jesus soll jeder von uns – ipse Christus – sagen können: Ich bin dazu in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.69

Meine Kinder, legt die Lüge ab, und jeder rede die Wahrheit zu seinem Nächsten, denn wir sind untereinander Glieder.70 Wir wissen, wie weh es tut – hier passt das wir sehr gut –, und wir haben am eigenen Leib erfahren, was üble Nachrede, Lüge und Verleumdung bedeuten: Schlammlawinen, losgetreten manchmal von Katholiken und sogar von Priestern. Omnia in bonum! [Alles gereicht zum Guten!] So wie der Nil, wenn er über die Ufer trat, beim Rückzug die Felder mit seinem Schlamm befruchtete, so haben jene Schmutzlawinen uns mit Fruchtbarkeit erfüllt.

[15] „Quidquid recipitur ad modum recipientis recipitur“: „Was empfangen wird, wird nach der Art des Empfangenden empfangen.“ Das heißt, wer eine Botschaft vernimmt, versteht diese entsprechend und im Umfang seiner eigenen Auffassungsgabe, die zusätzlich etwa durch Vorurteile gegenüber dem Sprechenden vermindert oder durch Sympathie erhöht werden kann. Es handelt sich um einen typisch scholastischen Aphorismus, den wir etwa beim heiligen Thomas von Aquin finden. (Anm. d. Hrsg.)

Anmerkungen
68

2 Tim 4,2.

69

Joh 18,37.

70

Eph 4,25.

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