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Es gibt 5 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Übernatürliches Leben, Leben aus dem Glauben → Leben aus dem Glauben.

*Homilie, gehalten am 4. April 1955

Immer wenn wir im Herzen den Wunsch verspüren, besser zu werden und dem Herrn großzügiger zu dienen, und wenn wir dann einen Wegweiser, einen Leitstern für unser christliches Dasein suchen, ruft uns der Heilige Geist die Worte des Evangeliums in Erinnerung, daß man allezeit beten müsse und nicht nachlassen dürfe (Lk 18,1). Das Gebet ist das Fundament jedes auf Gott ausgerichteten Tuns; mit dem Gebet sind wir allmächtig, und ohne das Gebet erreichen wir nichts.

Ich möchte, daß wir uns heute, in dieser Betrachtung, ein für allemal von der Notwendigkeit überzeugen, kontemplative Seelen zu werden; ob auf der Straße oder bei der Arbeit - unser Gespräch mit Gott soll immerfort andauern und niemals im Laufe des Tages abreißen. Das ist der einzige Weg, um treu den Schritten des Meisters folgen zu können.

Gebet ist Dialog

Wir sind schon auf dem Weg des Gebetes. Wie ihn weitergehen? Habt ihr nicht bemerkt, daß viele Männer und Frauen den Eindruck erwecken, als sprächen sie mit sich selbst und hörten sich selbst auch gerne? Worte, Worte, in einem Selbstgespräch, das unermüdlich um die Probleme kreist, die ihnen Sorge bereiten, das aber keinen Raum für Lösungen läßt; man möchte meinen, die einzige Antriebskraft solcher Leute wäre die krankhafte Lust, bemitleidet oder bewundert zu werden, und sonst nichts.

Wenn wir wirklich ganz offen und einfach unser Herz erleichtern wollen, holen wir uns Rat bei Menschen, die uns lieben und verstehen. Man spricht mit dem Vater, mit der Mutter, mit der Ehefrau, mit dem Ehemann, mit dem Bruder, mit dem Freund. Das ist schon ein Dialog, auch wenn man häufig nicht so sehr hören als sich selbst aussprechen, das Herz ausschütten möchte. Fangen wir an, es auch mit Gott so zu halten, in der Gewißheit, daß Er uns hört und uns antwortet. Wir werden auf sein Wort achten und uns in einem demütigen, vertrauensvollen Gespräch öffnen, in dem alles Platz findet, was unseren Geist und unser Herz beschäftigt: freudige und traurige Erlebnisse, Hoffnungen und Enttäuschungen, Erfolge, Mißerfolge und selbst unbedeutende Alltagserfahrungen. Denn mittlerweile habe wir schon gemerkt, daß unser himmlischer Vater sich für alles interessiert, was uns betrifft.

Den einen mag all dies bekannt, den anderen neu vorkommen; für jeden aber ist es mühsam. Doch solange ich lebe, werde ich nicht aufhören zu predigen, daß wir mit absoluter Notwendigkeit betende Menschen sein müssen; immer, bei allen Gelegenheiten und in den verschiedensten Umständen, denn Gott verläßt uns niemals. Es ist nicht christlich, sich als allerletzte Zuflucht auf die Freundschaft mit Gott zu besinnen. Oder finden wir es etwa normal, daß wir die Menschen, die wir lieben, ignorieren und vergessen? Nein, natürlich nicht, sie sind uns vielmehr ständig gegenwärtig, und ihnen gelten unsere Worte, unsere Wünsche, unsere Gedanken. Genauso muß es auch im Umgang mit Gott sein.

Wenn wir Gott so suchen, verwandelt sich der ganze Tag in ein einziges Gespräch, innig und voller Vertrauen. Ich habe es sehr oft gesagt und geschrieben, aber ich wiederhole es jetzt noch einmal: durch sein eigenes Beispiel hat der Herr uns erkennen lassen, welches die einzig richtige Art des Umgangs mit Ihm ist: das immerwährende Gebet, vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Morgen. Geht uns alles leicht von der Hand: Danke, mein Gott! Kommt ein schwieriger Augenblick: Herr, verlaß mich nicht! Und dieser Gott, der sanftmütig und demütig von Herzen (Mt 11,29) ist, Er wird unsere Bitten nicht verschmähen, wird nicht gleichgültig bleiben, denn Er hat gesagt: Bittet, und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan (Lk 11,9).

Seien wir also darum bemüht, niemals die übernatürliche Sicht zu verlieren und Gott in allem Geschehen wahrzunehmen, bei freudigen und bei schmerzlichen Anlässen, wenn wir Trost erfahren… oder wenn wir, etwa wegen des Todes eines geliebten Menschen, untröstlich sind. Allem voran: das Gespräch mit deinem Vater Gott. Ihn müssen wir in der Mitte unserer Seele suchen. Tut das nicht als unbedeutende Kleinigkeit ab. Es ist vielmehr das klare Zeichen für ein inneres Leben, das niemals brachliegt, und für einen Dialog, der sich in echter Liebe entfaltet. Durch solche Übung wird das seelische Gleichgewicht nicht beeinträchtigt, denn für einen Christen sollte sie so selbstverständlich sein wie das Schlagen des Herzens.

Wie eine weitere Gestalt im Evangelium

Im Laufe dieser dreißig Jahre meines Priestertums habe ich immer wieder die Notwendigkeit des Gebetes betont und darauf hingewiesen, daß man das ganze Leben in ein unaufhörliches Sprechen mit Gott verwandeln kann. Gelegentlich bin ich gefragt worden: Aber ist es wirklich möglich, sich immer so zu verhalten? Ja, es ist möglich. Die Vereinigung mit unserem Herrn sondert uns nicht von der Welt ab, sie macht uns nicht zu weltfremden Wesen, die dem Lauf der Dinge entrückt sind.

Gott hat uns erschaffen, hat uns erlöst, liebt uns so sehr, daß Er seinen eingeborenen Sohn für uns dahingegeben hat (Vgl. Joh 3,16), Er wartet jeden Tag auf uns, so wie im Gleichnis der Vater auf den verlorenen Sohn wartet (Vgl. Lk 15,11-32): Wie sollte Er dann nicht wünschen, daß wir Ihm liebend begegnen? Anormal wäre es vielmehr, mit Gott nicht zu sprechen, sich von Ihm abzuwenden, Ihn zu vergessen, in Tätigkeiten aufzugehen, die uns gegen die nie aussetzenden Impulse der Gnade abriegeln würden.

Lebendiges Gebet

So will ich denn aufstehen und die Stadt durchstreifen; will auf Straßen und Plätzen den suchen, den meine Seele liebt (Hld 3,2)... Nicht nur die Stadt: die ganze Welt von einem Ende bis zum anderen, Nationen und Völker will ich durchstreifen, auf breiten Wegen und engen Pfaden, um Frieden für meine Seele zu erlangen. Ich finde ihn in den Beschäftigungen des Alltags; sie stören mich nicht, sondern sie sind vielmehr der Grund, Gott mehr und mehr zu lieben und mich mehr und mehr mit Ihm zu vereinigen.

Wenn heftige Versuchungen lauern - Mutlosigkeit, Widerwärtigkeiten, innerer Streit, Drangsal - und von neuem Nacht die Seele bedroht, dann legt uns der Psalmist in Geist und Mund das Wort: In allen Nöten bin ich Ihm nahe (Ps 90,15). Was bedeutet, Jesus, mein Kreuz gegenüber Deinem Kreuz? Was sind meine Schrammen gegenüber Deinen Wunden? Was bedeutet ein wenig Kummer, den Du auf meine Schultern gelegt hast, gemessen an Deiner unendlichen, gewaltigen, reinen Liebe? Und mein und euer Herz erfüllt dann der heilige Drang, dem Herrn mit Werken zu bezeugen, daß wir vorLiebe vergehen (Vgl. Hl 5,8).

Es entsteht in uns ein Durst nach Gott und das Verlangen, seine Tränen zu begreifen, sein Lächeln und sein Antlitz zu sehen… Am besten drücken wir das aus mit jenem Wort der Heiligen Schrift, das wir von neuem bedenken: Wie der Hirsch nach den Wasserquellen verlangt, so verlangt meine Seele nach Dir, o Gott (Ps 41,2). Die Seele schreitet fort, in Gott geborgen, vergöttlicht. Der Christ ist zu einem dürstenden Wanderer geworden, der seinen Mund über die Wasserquellen beugt (Vgl. Sir 26,15).