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Es gibt 5 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Übernatürliches Leben, Leben aus dem Glauben → Notwendigkeit der Heiligen Reinheit.

*Homilie, gehalten am 12. März 1954

Daß Jesus Christus unser Vorbild, das Vorbild aller Christen ist, wißt ihr gut: ihr habt es oft gehört und betrachtet. Ihr habt auch zu vielen Menschen davon gesprochen in eurem Apostolat, das euch schon zur zweiten Natur geworden ist, in dieser menschlichen Freundschaft, in der Gottes Nähe spürbar wird. Ebenso habt ihr bei passenden Gelegenheiten mit dem wunderbaren Mittel der brüderlichen Zurechtweisung andere daran erinnert und ihnen so geholfen, ihr Verhalten am Beispiel unseres erstgeborenen Bruders zu messen, am Sohn Mariens, der Gottesmutter, die auch unsere Mutter ist.

Christus ist das Vorbild. Er selbst hat es gesagt: discite a me (Mt 11,29), lernet von mir; und heute möchte ich zu euch über eine Tugend sprechen, die, obwohl sie weder die einzige noch die wichtigste ist, im christlichen Leben dennoch wie das Salz wirkt, das vor Verderbnis bewahrt; über eine Tugend, die der Prüfstein für die apostolische Seele ist: die heilige Reinheit.

Es ist klar, daß die Gottesliebe die höchste Tugend ist; aber die Keuschheit ist die conditio sine qua non, eine unerläßliche Bedingung, um zu diesem innigen Dialog mit Gott zu kommen. Und wenn sie nicht behütet wird, wenn man nicht um sie kämpft, dann erblindet man, dann erkennt man nichts mehr, denn der natürliche Mensch erfaßt nicht, was vom Geiste Gottes kommt (1 Kor 2,14).

Durch die Predigt des Meisters ermutigt, wollen wir um einen lauteren Blick bemüht sein: Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Mt 5,8). Immer hat die Kirche diese Worte als eine Einladung zur Keuschheit aufgefaßt. Jene bewahren ein gesundes Herz, schreibt der heilige Johannes Chrysostomus, die ein ganz reines Gewissen besitzen oder die die Keuschheit lieben. Keine Tugend ist so notwendig, um Gott zu schauen (Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, 15, 4 (PG 57, 227]).

Seht, wer von lüsterner Sinnlichkeit angefault ist, kann im geistlichen Leben nicht vorwärts kommen. Unfähig zu jedem guten Werk, ist er wie ein Krüppel, der nicht vom Boden aufstehen kann. Habt ihr nicht schon einmal Kranke mit progressivem Knochenschwund gesehen, die ganz hilflos geworden sind? Manchmal bewegen sie nicht einmal mehr den Kopf. Das gleiche widerfährt im Übernatürlichen denen, die, die Demut verachtend, sich aus Feigheit der Unzucht ergeben haben. Sie sehen nichts, sie hören nichts, sie verstehen nichts. Sie sind gelähmt und wie von Sinnen. Hier muß sich jeder von uns an den Herrn und an die Mutter Gottes wenden mit der Bitte, sie mögen uns die Demut schenken und die nötige Entschlossenheit, fromm zum göttlichen Heilmittel der Beichte Zuflucht zu nehmen. Laßt nicht zu, daß sich in eurem Herzen ein Eiterherd bildet, mag er noch so klein sein. Sprecht euch aus. Fließendes Wasser ist sauber; wenn es aber steht, wird es zur abstoßenden, schlammigen Pfütze und zu einem Tummelplatz für Ungeziefer.

Daß Keuschheit möglich ist und zu einem Quell der Freude wird, wißt ihr genauso gut wie ich; und ebenso ist euch bekannt, daß sie dann und wann ein wenig Kampf verlangt. Hören wir erneut den heiligen Paulus: Dem inneren Menschen nach habe ich zwar Freude am Gesetz Gottes, aber ich nehme in meinen Gliedern ein anderes Gesetz wahr, das im Streite liegt mit dem Gesetze meines Geistes. Es macht mich zum Gefangenen unter dem Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern herrscht. Ich unglückseliger Mensch! Wer erlöst mich von diesem todbringenden Leibe? (Röm 7,22-24) Schrei noch lauter, wenn dir danach zumute ist, aber übertreiben wir auch nicht: Sufficit tibi gratia mea (2 Kor 12,9), meine Gnade genügt dir, antwortet uns der Herr.

Manchmal ist mir aufgefallen, wie die Augen eines Sportlers leuchten, wenn er vor dem Hindernis steht, das er überwinden muß. Und er schafft es! Seht nur, wie er mit den Schwierigkeiten fertig wird! So schaut Gott, unser Herr, auf uns. Er liebt unseren Kampf: Wir werden immer Sieger bleiben, denn nie entzieht Er uns die Allmacht seiner Gnade. Und da Er uns nicht im Stich läßt, macht es nichts aus, daß wir kämpfen müssen.

Es ist Kampf, aber kein Verzicht. Wir antworten mit einem frohen Ja, mit einer freien und freudigen Hingabe. Dein Verhalten darf sich nicht darauf beschränken, dem Sturz nur auszuweichen, nur die Gelegenheit zu meiden; es darf keinesfalls bloß ein kaltes, berechnendes Nein sein. Hast du dich davon überzeugt, daß die Keuschheit eine Tugend ist und daß sie folglich wachsen und sich vervollkommnen muß? Ich sage es noch einmal: Es genügt nicht, daß wir, unserem Stand gemäß, enthaltsam sind. Wir müssen keusch leben, mit heroischer Haltung. Es geht also um eine positive Einstellung, in der wir bereitwillig der göttlichen Forderung entsprechen: Praebe, fili mi, cor tuum mihiet oculi tui vias meas custodiant (Spr 23,26), schenke mir, mein Sohn, dein Herz, und laß deinen Blick schweifen über die Felder meines Friedens.

Und jetzt frage ich dich: Wie rüstest du dich für diesen Kampf? Du weißt sehr gut, daß er schon gewonnen ist, wenn du ihn nur von Anfang an aufnimmst. Fliehe sofort die Gefahr, wenn du die ersten Funken der Leidenschaft spürst, ja noch früher. Sprich außerdem sofort mit deinem geistlichen Leiter. Besser noch vorher, denn nur wenn ihr das Herz ganz öffnet, werdet ihr keine Niederlage erleiden. Die stete Wiederholung ähnlicher Handlungen läßt eine Gewohnheit entstehen, eine Neigung, der man mit Leichtigkeit folgt. Also ist Kampf nötig, um die Neigung zur Tugend zu erlangen, die Neigung zur Abtötung, um die höchste Liebe nicht von sich zu stoßen.

Bedenkt den Rat, den der heilige Paulus Timotheus gibt: Te ipsum castum custodi (1 Tim 5,22), bewahre dich rein, damit auch wir immer wachsam und entschlossen den Schatz behüten, den Gott uns anvertraut hat. Wie viele Menschen habe ich in meinem Leben klagen hören: Ach, hätte ich doch nur den Anfängen gewehrt! Und sie sagten es bedrückt und voll Scham.

Die Mittel, um zu siegen

Überlegen wir einmal, welche Mittel uns Christen bei diesem Kampf um die Keuschheit zur Verfügung stehen. Wir sind Männer und Frauen, gesund, kräftig, normal aber keine Engel. Die Engel verehre ich aus ganzem Herzen, ich fühle mich mit den Heerscharen Gottes innig verbunden, aber sie haben eine andere Natur als wir, und deshalb wäre es nicht richtig, uns mit ihnen zu vergleichen.

In vielen Lebensbereichen hat sich ein Klima der Sinnlichkeit breitgemacht, das - Hand in Hand mit der Orientierungslosigkeit in Glaubensdingen - viele dazu verleitet, jedwede Verirrung zu rechtfertigen oder zumindest freizügige Gewohnheiten jeder Art gleichgültig hinzunehmen.

Wir müssen so rein sein, wie wir nur können, Achtung haben vor unserem Leib, aber keine Angst, denn die Geschlechtlichkeit ist als Teilhabe an der Schöpfermacht Gottes etwas Heiliges und Edles, sie ist da für die Ehe. Auf diese Weise, rein und unverkrampft, werdet ihr durch euer Verhalten Zeugnis dafür ablegen, daß die heilige Reinheit möglich und schön ist.

In erster Linie werden wir danach trachten, unser Gewissen zu schärfen. Wir werden keine Mühe scheuen, uns klare Begriffe anzueignen, damit wir das geschärfte Gewissen - das eine echte Gnade Gottes ist - von einem skrupelhaften Gewissen unterscheiden können.

Wahrt sorgsam die Keuschheit zusammen mit den anderen Tugenden - Scham und Anstand -, die ihr das schützende Geleit geben. Seid nicht leichtfertig in eurem Benehmen, sondern beachtet alle jene äußeren und inneren Verhaltensregeln, die uns so wirksam helfen, unsere Würde vor Gott nicht zu verlieren: die aufmerksame Bewahrung der Sinne und des Herzens; den Mut, feige zu sein, das heißt, der verführerischen Gelegenheit zu entfliehen; den häufigen Empfang der Sakramente, insbesondere der heiligen Beichte; die volle Aufrichtigkeit in der geistlichen Leitung; die Reue, die Zerknirschung, die Sühne für unsere Fehler; und all das durchdrungen von einer herzlichen Andacht zu Unserer Lieben Frau, damit sie uns von Gott das Geschenk eines heiligen und reinen Lebens erlangt.

Wenn wir unglücklicherweise zu Fall kommen, müssen wir sofort wieder aufstehen. Mit der Gnade Gottes, die uns - wenn wir die genannten Mittel anwenden - nicht fehlen wird, müssen wir sofort die Reue, die demütige Aufrichtigkeit und die Sühne suchen, damit sich die Niederlage eines Augenblicks in einen großen Sieg Jesu Christi verwandelt.

Gewöhnt euch daran, den Kampf schon weit vor den Mauern der Festung aufzunehmen. Gleichgewichtskünste am Rande des Abgrunds sind schlecht. Wir müssen in uns entschlossen bereits den Willen zur bloß möglichen Ursache des Bösen bekämpfen, müssen selbst eine kleine Lieblosigkeit vermeiden; ferner müssen wir den Wunsch nach einem beharrlichen und fruchtbaren christlichen Apostolat haben, das die heilige Reinheit als Fundament braucht und überdies eine ihrer charakteristischen Früchte sein wird. Schließlich ist es notwendig, die Zeit immer gut auszunützen, indem wir intensiv und verantwortungsbewußt arbeiten und dabei die Gegenwart Gottes suchen, denn wir dürfen niemals vergessen, daß wir um einen hohen Preis erkauft und Tempel des Heiligen Geistes sind.

Welche anderen Ratschläge könnte ich euch noch geben? Nun, daß ihr all das tut, was die Christen immer getan haben, die wirklich Christus nachfolgen wollten, angefangen bei jenen ersten, die Jesu unmittelbare Nähe erfuhren: häufiger Umgang mit dem Herrn in der Eucharistie, kindliche Anrufung der allerseligsten Jungfrau, Demut, Mäßigkeit, Abtötung der Sinne - man soll nicht anschauen, was man nicht begehren darf, hat der heilige Gregor der Große gesagt (Gregor der Große, Moralia, 21, 2, 4 (PL 76, 190]) - und die Buße.

Ihr werdet mir sagen, das alles sei wie eine Zusammenfassung des ganzen christlichen Lebens. Tatsächlich kann man die Reinheit - die ja Liebe ist - nicht vom Kern unseres Glaubens trennen: von der Liebe, vom immer wieder neu Sich-in-Gott-Verlieben, in Gott, der uns geschaffen und erlöst hat, der ständig unsere Hand ergreift, auch wenn wir uns dessen vielfach gar nicht bewußt werden. Er kann uns nicht im Stich lassen: Sion sprach: Der Herr hat mich verlassen und mein vergessen. Kann denn ein Weib ihr Kind vergessen, daß sie kein Mitleid träge mit dem Sohne ihres Schoßes? Und wenn sie seiner vergessen könnte, so werde doch ich nie deiner vergessen (Jes 49,14-15). Erfüllen euch diese Worte nicht mit Freude?