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Es gibt 4 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Opus Dei  → Bildung.

Welche Unterschiede bestehen zwischen der Form, in der das Opus Dei als Vereinigung seine Aufgabe erfüllt, und der Art und Weise, in der die Mitglieder des Opus Dei als einzelne arbeiten? Was spricht zum Beispiel dafür, daß bestimmte Einrichtungen (etwa eine höhere Schule oder ein Tagungszentrum) von der Vereinigung betreut, andere hingegen (beispielsweise ein Verlag oder eine Firma) von Einzelpersonen betrieben werden?

Die Haupttätigkeit des Opus Dei besteht darin, seinen Mitgliedern und allen Menschen, die es wünschen, die notwendigen geistlichen Mittel an die Hand zu geben, damit sie als gute Christen inmitten der Welt leben können. Es macht sie vertraut mit der Lehre Christi und mit der Verkündigung der Kirche und verleiht ihnen eine Geisteshaltung, die sie dazu führt, aus Liebe zu Gott und im Dienste aller Menschen gut und wirksam zu arbeiten. Mit einem Wort, es geht darum, mit dem Christsein Ernst zu machen: mit allen in Aufgeschlossenheit zusammenzuleben, die legitime Freiheit aller zu achten und mit dafür zu sorgen, daß unsere Welt gerechter wird.

Jeder im Werk verdient sich seinen Lebensunterhalt und dient der Gesellschaft in dem Beruf, den er schon hatte, bevor er zum Opus Dei kam, und den er auch ausüben würde, wenn er nicht dem Opus Dei angehörte. So sind die einen Bergarbeiter, andere lehren in Schulen oder Universitäten, wieder andere sind Kaufleute oder Hausfrauen oder Sekretärinnen oder Bauern. Es gibt keine rechtschaffene menschliche Tätigkeit, die ein Mitglied des Opus Dei nicht ausüben könnte. Wer zum Beispiel vor seiner Zugehörigkeit zum Werk in einem Verlagshaus oder in einem Handelsgeschäft arbeitete, tut das hernach genauso. Und wenn jemand im Rahmen dieser seiner Arbeit oder weil er sich einer anderen zuwenden will, eine neue Stelle sucht oder etwa beschließt, mit Berufskollegen zusammen ein Unternehmen zu gründen, so ist das eine Angelegenheit, in der er selbst frei zu entscheiden hat; und für die Folgen seiner Entscheidung und die Ergebnisse seiner Arbeit hat er selbst einzustehen und sie persönlich zu verantworten.

Für die ganze Tätigkeit der Leiter des Opus Dei ist die sorgsame Achtung der beruflichen Freiheit der Mitglieder von derartig grundlegender Bedeutung, daß die Existenz des Werkes selbst davon abhängt; für alle ist es daher eine Selbstverständlichkeit, diesem lebenswichtigen Wesenszug unseres Geistes mit absoluter Treue zu entsprechen. Jeder kann beruflich überall dort arbeiten, wo er auch arbeiten würde, wenn er nicht vom Opus Dei wäre. Mit der beruflichen Arbeit eines einzelnen Mitgliedes haben weder das Opus Dei als solches noch die anderen Mitglieder etwas zu tun. Wozu die Mitglieder des Opus Dei sich verpflichten, wenn sie sich dem Werk anschließen, ist dies: keine Anstrengung zu scheuen, um in ihrer Arbeit und durch ihre Arbeit die christliche Vollkommenheit zu suchen und sich immer deutlicher bewußt zu werden, daß das Leben eines Christen Dienst an den Menschen sein muß.

Wie bereits gesagt, besteht die Hauptaufgabe des Werkes also darin, seinen Mitgliedern und allen Menschen, die es wünschen, christliche Bildung zu vermitteln. Außerdem entwickelt das Opus Dei einige korporative Tätigkeiten und Initiativen; durch sie will es beitragen zur Lösung der anstehenden gesellschaftlichen Probleme, für die der christliche Geist so reiche Möglichkeiten anbietet. Da das Opus Dei ausschließlich geistliche Ziele verfolgt, kann es sich bei diesen korporativen Initiativen nur um solche Tätigkeiten handeln, die eindeutig und unmittelbar einen christlichen Dienst, ein Apostolat darstellen. Absurd wäre die Vorstellung, das Opus Dei als solches könne sich etwa der Kohleförderung oder irgendeiner Art von Wirtschaftsunternehmen widmen. Alle seine korporativen Tätigkeiten haben einen unmittelbar apostolischen Inhalt: so zum Beispiel Fortbildungsschulen für Landarbeiter, ärztliche Hilfsstationen in unterentwickelten Gebieten oder in Entwicklungsländern, Bildungszentren zur sozialen Förderung der Frau. Es handelt sich also um Erziehungs- oder Wohlfahrtseinrichtungen, wie sie in der ganzen Welt von Vereinigungen der verschiedenen religiösen Bekenntnisse betrieben werden. Um solche Aufgaben zu verwirklichen, rechnen wir in erster Linie mit dem persönlichen Einsatz der Mitglieder, die sich gelegentlich diesen Initiativen hauptberuflich widmen. Eine erhebliche Bedeutung kommt aber auch der großzügigen Hilfe vieler anderer, sowohl Christen als auch Nichtchristen, zu. Die einen arbeiten aus religiösen Gründen mit, andere, die vielleicht das apostolische Ziel nicht teilen, sehen ein, daß diese Initiativen, die ohne Unterschied von Rasse, Religion oder Weltanschauung allen offenstehen, dem Wohl der Gesellschaft dienen und daher unterstützungs- und förderungswürdig sind2.

Die Vereinigung betont die Freiheit der Mitglieder, ihre persönlichen Überzeugungen auszudrücken. Man könnte jedoch das Thema von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachten: Inwieweit halten Sie das Opus Dei als Vereinigung für moralisch verpflichtet, öffentlich oder privat zu bestimmten weltlichen oder geistlichen Grundfragen Stellung zu nehmen? Gibt es Situationen, in welchen das Opus Dei seinen Einfluß und den Einfluß seiner Mitglieder einsetzen würde, um Prinzipien zu verteidigen, die es für unantastbar hält, wie zum Beispiel in jüngster Zeit die Unterstützung der Gesetzgebung über die Religionsfreiheit in Spanien?

Im Opus Dei wollen wir immer und in allem mit der Kirche Christi solidarisch sein: sentire cum Ecclesia. Wir haben keine andere Lehre als jene, die die Kirche alle Gläubigen lehrt. Das einzig Besondere, das wir besitzen, ist der dem Opus Dei eigene Geist, das heißt eine konkrete Art und Weise, das Evangelium zu leben, indem wir uns in der Welt heiligen und durch den Beruf apostolisch wirken.

Daraus folgt unmittelbar, daß alle Mitglieder des Opus Dei die gleiche Freiheit besitzen wie die übrigen Katholiken, um sich ihre persönlichen Meinungen zu bilden und dementsprechend zu handeln. Deshalb kann und darf das Opus Dei als Vereinigung keine eigene Meinung aussprechen, ja es kann sie nicht einmal haben. Wenn es sich um eine Frage handelt, zu der sich das Lehramt der Kirche klar ausgesprochen hat, dann wird sich jedes einzelne Mitglied des Werkes diese Lehre zu eigen machen. Geht es dagegen um Fragen, über die sich das Lehramt - der Papst und die Bischöfe - nicht geäußert haben, dann wird jedes Mitglied die Meinung vertreten, die es für richtig hält, und sich in seinem Handeln danach richten.

Mit anderen Worten: Das Prinzip, das die Haltung der Leiter des Opus Dei in diesem Punkt bestimmt, ist die Achtung vor der persönlichen Entscheidungsfreiheit in zeitlichen Belangen. Das hat nichts mit Profillosigkeit seitens der Leitung des Werkes zu tun; denn hier kommt es darauf an, daß jeder einzelne sich seiner eigenen Verantwortung stellt und sich aufgerufen weiß, diese Verantwortung nach seinem Gewissen auf sich zu nehmen und in Freiheit zu handeln. Aus diesem Grund ist es widersinnig, das Opus Dei ins Spiel zu bringen, wenn man von Parteien, Gruppierungen, politischen Strömungen oder überhaupt von rein menschlichen Aufgaben oder Unternehmen spricht. Mehr noch, es ist geradezu ungerecht und kommt der Verleumdung nahe, denn es könnte zu der falschen Annahme verleiten, daß die Mitglieder des Werkes irgendeine gemeinsame ideologische Position oder Denkweise hätten, oder ein gemeinsames zeitliches Interesse.

Natürlich sind die Mitglieder katholisch, und zwar Katholiken, die sich bemühen, ihren Glauben konsequent zu leben. Mit diesem Namen kann man sie insgesamt bezeichnen, wenn man will, aber ohne zu vergessen, daß katholisch sein nicht bedeutet, zu einer bestimmten Gruppierung zu gehören, nicht einmal im kulturelIen oder intellektuellen Bereich, und schon gar nicht im Bereich der Politik. Seit dem Anfang des Werkes, und nicht erst seit dem Konzil, haben wir uns bemüht, einen offenen katholischen Geist zu leben: die legitime Freiheit der Gewissen zu verteidigen, allen Menschen, ob katholisch oder nicht, in brüderlicher Liebe zu begegnen und mit allen zusammenzuarbeiten bei der Lösung der vielen Fragen, die die Welt bewegen.

Nehmen wir ein Beispiel. Angesichts des Rassenproblems in den Vereinigten Staaten wird jeder Angehörige des Opus Dei ausgehen von den klaren Aussagen der christlichen Lehre über die Gleichheit aller Menschen und die Ungerechtigkeit jeder Diskriminierung. Ebenso wird er die konkreten Anweisungen der amerikanischen Bischöfe zu diesem Thema aufmerksam verfolgen und beachten. Demnach wird er die legitimen Rechte aller Bürger verteidigen und sich allen ungerechten Situationen oder Vorhaben nach Kräften widersetzen. Außerdem wird er sich stets darüber im klaren sein, daß es für einen Christen nicht genügt, die Rechte der anderen Menschen zu achten, daß er vielmehr in allen Menschen Brüder sehen muß, denen wir aufrichtige Liebe und selbstlosen Dienst schulden. Bei der Ausbildung, die das Opus Dei seinen Mitgliedern gibt, wird man in den Vereinigten Staaten mit besonderem Nachdruck auf diese Grundsätze der christlichen Lehre eingehen, vielleicht mehr als in einem anderen Land, wo sich diese konkrete Frage nicht oder nicht so dringlich stellt. Jedoch wird das Opus Dei niemals eine praktische Lösung für das Problem vorschreiben, ja nicht einmal nahelegen. Die Entscheidung, diesen oder jenen Gesetzentwurf zu unterstützen, sich einer bestimmten Vereinigung anzuschließen oder nicht, an einer bestimmten Kundgebung teilzunehmen oder auch nicht, diese Entscheidungen hat der einzelne selbst zu fällen. Und in der Tat sieht man ja auch überall, wie die Mitglieder nicht gruppenweise, sondern in einem selbstverständlichen Pluralismus handeln.

Gerade diese für uns so lebenswichtige Achtung vor der persönlichen Freiheit erklärt die Tatsache, daß so viele spanische Mitglieder des Opus Dei den Gesetzentwurf über die Religionsfreiheit in ihrem Land, so wie er vor kurzem vorgelegt wurde, befürworten. Selbstverständlich handelt es sich dabei um eine persönliche Stellungnahme, wie auch diejenigen ebenso persönlich Stellung nehmen, die den Gesetzentwurf kritisieren. Aber alle haben aus dem Geist des Opus Dei gelernt, die Freiheit zu lieben und die Menschen aller Bekenntnisse zu verstehen. Das Opus Dei ist die erste katholische Vereinigung, die mit Zustimmung des Heiligen Stuhls seit 1950 auch Nichtkatholiken und Nichtchristen als Mitarbeiter aufnimmt, ohne Unterschiede zu machen; denn unsere Liebe gilt allen.

Nach der Klärung dieser Frage würde mich jetzt folgendes interessieren: Welche Besonderheiten in der geistlichen Ausbildung der Mitglieder des Werkes bewirken, daß niemand aus materiellen Gründen dem Opus Dei angehört?

Jeder Beweggrund, der nicht rein geistlichen Charakter hat, bleibt deshalb absolut ausgeschlossen, weil das Werk viel verlangt - Loslösung, Opfer, Selbstverleugnung, ununterbrochene Arbeit für die Menschen - und nichts gibt. Ich will damit sagen, das Werk bietet nichts an weltlichen Vorteilen. Dafür vermittelt es um so mehr auf der Ebene des geistlichen Lebens. Es gibt Mittel an die Hand, um im asketischen Kampf zu siegen, es führt die Menschen auf die Wege des Gebetes, es lehrt, sich Christus als Bruder zuzuwenden, Gott in allen Wechselfällen des Lebens zu sehen, sich als Sohn Gottes und daher zur Verbreitung seiner Lehre verpflichtet zu wissen.

Wer nicht auf dem Weg des inneren Lebens vorangeht und nicht versteht, daß es die Mühe lohnt, sich ganz zu verschenken, das eigene Leben im Dienst am Herrn ganz hinzugeben, der kann im Opus Dei nicht beharren. Denn die Heiligkeit ist kein Aushängeschild, sondern eine tiefgreifende Forderung.

Außerdem verfolgt das Opus Dei keine politischen, wirtschaftlichen oder ideologischen Interessen, es entwickelt keine zeitlichen Tätigkeiten. Sein Wirken ist ausschließlich auf die geistliche Ausbildung seiner Mitglieder und auf die apostolischen Werke ausgerichtet, das heißt auf die ständige geistliche Betreuung aller Mitglieder und auf die korporativen apostolischen Werke der Sozialhilfe, der Wohltätigkeit, der Erziehung usw.

Die Mitglieder des Opus Dei tun sich einzig und allein zusammen, um einem klar umrissenen Weg der Heiligkeit zu folgen und um an bestimmten apostolischen Werken mitzuarbeiten. Ihre gegenseitigen Verpflichtungen schließen jede Art zeitlichen Interesses aus, und zwar einfach deshalb, weil auf diesem Gebiete alle Mitglieder des Opus Dei frei sind, so daß jeder seinen eigenen Weg geht mit verschiedenen und manchmal entgegengesetzten Zielen und Interessen.

Als Folge der ausschließlich auf das Übernatürliche gerichteten Ziele ist der Geist des Werkes ein Geist der Freiheit und der Liebe zur persönlichen Freiheit aller. Weil diese Liebe zur Freiheit aufrichtig ist und nicht nur Theorie, lieben wir auch die notwendige Folge der Freiheit, den Pluralismus. Im Opus Dei wird der Pluralismus gewollt und geliebt, nicht bloß toleriert und auf keinen Fall behindert. Wenn ich mir so ansehe, wie verschieden die Einstellungen und Ansichten der Mitglieder des Werkes in politischen, wirtschaftlichen, sozialen, künstlerischen und anderen Fragen sind, dann ist dieses Panorama für mich eine wahre Freude, weil sich darin zeigt, daß vor Gott alles seinen richtigen Weg nimmt. Einheit im Religiösen und Vielfalt im Weltlichen sind dann vereinbar, wenn weder Fanatismus noch Intoleranz herrschen, und vor allem, wenn man aus dem Glauben lebt und wenn man weiß, daß uns Menschen nicht allein gegenseitige Zuneigung oder gemeinsame Vorteile verbinden, sondern auch das Wirken des einen Geistes, der uns zu Brüdern Christi macht und uns so zu Gott, unserem Vater, führt.

Ein echter Christ kommt nie auf den Gedanken, daß die Einheit im Glauben, die Treue zum Lehramt und zur Überlieferung der Kirche und das Bestreben, allen Menschen die Heilsbotschaft Christi zu bringen, im Widerspruch zu den vielen unterschiedlichen Haltungen in den Dingen stehen könnten, die Gott, wie man so sagt, der freien Diskussion der Menschen überlassen hat. Mehr noch, ein wahrer Christ ist sich vollkommen darüber im klaren, daß diese Vielfalt Teil des göttlichen Planes, daß sie von Gott gewollt ist, der seine Gaben und sein Licht austeilt, wie er will. Der Christ soll die anderen Menschen lieben und deshalb seinen Auffassungen entgegengesetzte Ansichten achten und brüderlich mit jenen Menschen zusammenleben, die anders denken als er.

Gerade weil die Mitglieder des Werkes sich diesen Geist zueigen gemacht haben, ist es unvorstellbar, daß jemand daran denken könnte, seine Zugehörigkeit zum Werk für irgendwelche persönlichen Vorteile auszunutzen oder anderen seine politischen oder kulturellen Auffassungen aufzudrängen; die anderen Mitglieder würden dies gar nicht erst dulden. Entweder würde der Betreffende seine Haltung ändern oder aber er müßte das Werk verlassen. In diesem Punkt darf niemand im Werk je die geringste Abweichung zulassen, denn hier geht es um die Verteidigung nicht nur der eigenen Freiheit, sondern auch des übernatürlichen Charakters einer Aufgabe, der man in Hingabe dient. Deshalb halte ich dafür, daß persönliche Freiheit und persönliche Verantwortung die beste Garantie für die übernatürliche Ausrichtung des Werkes Gottes sind.

Sie sprachen gerade von dem großen Wert, den die Einheit der Familie darstellt. Ich möchte daran die Frage anschließen, weshalb das Opus Dei keine religiösen Veranstaltungen durchführt, an denen die Eheleute gemeinsam teilnehmen?

Wie in vielen anderen Dingen, haben wir Christen in dieser Frage die Freiheit, nach eigenem Belieben unter den verschiedensten Möglichkeiten auszuwählen, ohne daß irgend jemand das Recht hätte, uns eine bestimmte Methode als verbindlich vorzuschreiben. Wie vor der Pest sollte man sich in der Seelsorge und überhaupt im Apostolat vor Methoden hüten, die den Eindruck einer verbesserten und erweiterten Auflage der Einheitspartei im religiösen Leben erwecken.

Mir ist bekannt, daß es katholische Vereinigungen gibt, die Einkehrtage und ähnliche Bildungskurse für Ehepaare veranstalten. Ich finde es ausgezeichnet, daß sie von ihrer Freiheit Gebrauch machen und tun, was sie für richtig halten, und auch, alle daran teilnehmen, die in diesen Veranstaltungen eine Hilfe für die bessere Verwirklichung ihrer christlichen Berufung finden. Aber ich betrachte diese Möglichkeit nicht als die einzige, und es ist auch nicht ersichtlich, warum sie unbedingt die beste sein soll.

Bei vielen Gelegenheiten können und sollten die Eheleute und sogar die ganze Familie gemeinsam am kirchlichen Leben teilnehmen, so zum Beispiel am eucharistischen Opfer und an anderen liturgischen Handlungen. Ich bin jedoch der Überzeugung, daß bestimmte Veranstaltungen religiöser Bildung wirksamer sind, wenn die Eheleute an ihnen getrennt teilnehmen. Einerseits wird so der grundsätzlich personale Charakter der eigenen Heiligung, des asketischen Kampfes und der Vereinigung mit Gott unterstrichen, die zwar einen starken Bezug zu den Mitmenschen haben, in denen jedoch das Gewissen des einzelnen niemals ersetzt werden kann. Andererseits ist es so leichter möglich, die Veranstaltungen auf die konkreten Umstände und Erfordernisse sowie die besondere Psychologie der jeweiligen Personengruppe einzustellen. Das soll natürlich nicht heißen, bei diesen Veranstaltungen bleibe unberücksichtigt, daß die Teilnehmer verheiratet sind. Nichts wäre dem Geist des Opus Dei fremder.

Seit vierzig Jahren sage und schreibe ich immer wieder, daß jeder Mann und jede Frau das gewöhnliche Leben, die konkreten Umstände des Alltags dazu benutzen muß, um sich zu heiligen, und daß die Eheleute demnach ihre Heiligkeit gerade in einer vollkommenen Erfüllung ihrer familiären Pflichten finden. Die Einkehrtage und sonstigen Veranstaltungen, die das Opus Dei für verheiratete Männer und Frauen organisiert, sollen in ihnen ein klares Bewußtsein von der Würde ihrer ehelichen Berufung wecken, damit sie mit der Hilfe Gottes besser gerüstet sind, diesem Ruf entsprechend zu leben.

Die Forderungen und die praktischen Äußerungen der ehelichen Liebe sind aber in vielen Aspekten für Mann und Frau verschieden, und mit Veranstaltungen, die dieser Tatsache Rechnung tragen, kann man ihnen auf wirksame Weise helfen, diese konkreten Anforderungen in der Wirklichkeit ihres alltäglichen Lebens zu entdecken. So bewirkt die Trennung für einige Stunden oder Tage, daß die Gatten im Alltag stärker geeint sind und man sich mit einer tiefen Liebe begegnet, die ganz die Persönlichkeit des anderen achtet. Ich möchte noch einmal betonen, daß wir unsere Art nicht für die einzig richtige halten, die alle nachzuahmen hätten. Ohne die gegenteilige Meinung damit anzugreifen, scheint es mir jedoch, daß sich unsere Art gut bewährt hat, und daß - abgesehen von einer langjährigen Erfahrung - handfeste Gründe dafür sprechen.

Abgesehen von den bestimmten Veranstaltungen religiöser Bildung, bei denen wir im Opus Dei diesen Gesichtspunkten folgen, gibt es viele Aktivitäten anderer Art, an denen die Eheleute gemeinsam teilnehmen und mitarbeiten. Ich denke zum Beispiel an die Zusammenarbeit mit den Eltern der Schüler, die von Mitgliedern des Opus Dei geleitete Schulen besuchen, oder auch an Zusammenkünfte, Vorträge und gemeinsame Feiern, die man in Studentenheimen, die vom Opus Dei geleitet werden, für die Eltern der Studenten veranstaltet. Wenn die Art der Veranstaltung die Anwesenheit beider Eheleute nahelegt, nehmen beide daran teil. Aber derartige Veranstaltungen unterscheiden sich von denen, die unmittelbar auf die persönliche geistliche Formung ausgerichtet sind.

Anmerkungen
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Wie Msgr. Escrivá aufzeigt, entwickeln die Mitglieder des Opus Dei diese körperschaftlichen Tätigkeiten und Initiativen rein apostolischen Charakters zusammen mit anderen Personen. Die Prälatur Opus Dei ist ausschließlich für die religiöse und geistliche Betreuung verantwortlich; sie hat weder Eigentumsrechte an diesen Initiativen noch an den entsprechenden Vermögenswerten. Die Mitglieder des Opus Dei, die in diesen Einrichtungen arbeiten, tun dies in persönlicher Freiheit und Verantwortung und in Übereinstimmung mit den Gesetzen des jeweiligen Landes; sie erwerben dieselbe staatliche Anerkennung wie ähnliche Aktivitäten anderer Bürger.