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Es gibt 6 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Heiligkeit → im Eheleben.

Manche Leser Ihres Buches "Der Weg" stoßen sich an dem Punkt 28: "Die Ehe ist für den Großteil des Heeres Christi, nicht aber für seinen Führungsstab." Bedeutet das eine Geringschätzung der Ehe, die dann dem Wunsch des Werkes, in der lebendigen Realität der modernen Welt gegenwärtig zu sein, widersprechen würde?

Lesen Sie den vorausgehenden Punkt im "Weg"! Dort steht, daß die Ehe eine göttliche Berufung ist. Das war um 1925 nicht oft zu hören. Den Schluß zu ziehen, zu dem Sie eben kamen, heißt meine Worte gründlich mißverstehen. Mit diesem Bild wollte ich genau das ausdrücken, was die Kirche immer über die Würde und den übernatürlichen Wert der apostolischen Ehelosigkeit gelehrt hat. Ich wollte dadurch gleichzeitig alle Christen daran erinnern, daß sie sich nach den Worten des heiligen Paulus als milites Christi, als Kämpfer Christi, fühlen müssen. Denn als Glieder des Volkes Gottes führen sie auf der Erde einen göttlichen Kampf für Verständnis, Frieden und Heiligkeit. In der ganzen Welt gibt es Tausende von Eheleuten, die zum Opus Dei gehören oder nach seinem Geiste leben. Sie alle wissen, daß ein Soldat in der gleichen Schlacht Auszeichnungen erwerben kann, in der der General feige geflohen ist.

Während der Messe, die Sie im vergangenen Oktober aus Anlaß der Versammlung der Freunde der Universität von Navarra in Pamplona feierten, sprachen Sie in eindrucksvollen Worten von der menschlichen Liebe. Könnten Sie uns sagen, worin Sie die wichtigsten Werte der christlichen Ehe erblicken?

Hier kommen wir auf ein Thema zu sprechen, das mir aus der langjährigen priesterlichen Arbeit in vielen Ländern wohlvertraut ist. Der größte Teil der Mitglieder des Opus Dei ist verheiratet, und für sie bilden die menschliche Liebe und die Pflichten der Ehe einen Bestandteil ihrer göttlichen Berufung. Im Opus Dei ist die Ehe zu einem göttlichen Weg, zu einer Berufung geworden, und daraus erwachsen zahllose Folgen für die persönliche Heiligung und das apostolische Wirken. Seit fast vierzig Jahren spreche ich nun vom Sinn der Ehe als Berufung; und wie oft habe ich die Augen von Männern und Frauen aufleuchten sehen, als sie mich sagen hörten, die Ehe sei ein göttlicher Weg auf Erden, während sie bisher geglaubt hatten, ein Leben der Hingabe an Gott sei mit ihrer reinen, lauteren menschlichen Liebe nicht zu vereinbaren.

Die Ehe hat den Sinn, daß die Eheleute sich in ihr und durch sie heiligen, und das von Christus eingesetzte Sakrament verleiht ihnen dazu eine ganz besondere Gnade. Wer zur Ehe berufen ist, findet mit der Gnade Gottes in diesem Stand alles Erforderliche, um heilig zu werden, um sich Tag für Tag mehr mit Christus zu vereinigen und die Menschen, mit denen er zusammenlebt, Christus näherzubringen.

Deshalb erfüllt mich der Gedanke an die christlichen Familien, die aus dem Ehesakrament erwachsen und ein herrliches Zeugnis für das große göttliche Mysterium - sacramentum magnum! (Eph 5, 32) - der Einheit und Liebe zwischen Christus und seiner Kirche sind, mit tiefer Hoffnung und Freude. Wir alle sollten darauf hinwirken, daß diese christlichen Keimzellen der Gesellschaft mit dem Verlangen nach Heiligkeit entstehen und wachsen und die Eheleute sich bewußt sind, daß ihnen, wie allen Christen, schon von Anfang an im Sakrament der Taufe ein göttlicher Auftrag verliehen wurde, den ein jeder auf dem ihm eigenen Weg erfüllen muß.

Die christlichen Eheleute müssen davon überzeugt sein, daß sie dazu berufen sind, sich zu heiligen, indem sie anderen helfen, heilig zu werden, daß sie berufen sind, Apostel zu sein, und daß die eigene Familie ihre wichtigste apostolische Aufgabe darstellt. Sie sollten die übernatürliche Bedeutung sehen lernen, die die Gründung einer Familie, die Erziehung der Kinder und der christliche Einfluß auf die Gesellschaft besitzen. Von diesem Bewußtsein des eigenen Auftrags hängt zum großen Teil die Wirksamkeit und der Erfolg ihres Lebens, mit einem Wort: ihr Glück ab.

Andererseits sollten sie niemals vergessen, daß das Geheimnis des ehelichen Glücks im Alltäglichen zu finden ist und nicht in Träumereien. Es liegt in der verborgenen Freude, die es macht, nach Hause zu kommen; es liegt im liebevollen Umgang mit den Kindern, in der alltäglichen Arbeit, bei der die ganze Familie mithilft; in der gelassenen Art, Schwierigkeiten zu begegnen und sie mit sportlicher Haltung zu überwinden; und schließlich liegt es auch in einem rechten Ausnützen der Errungenschaften, die uns die moderne Technik bietet, um die Wohnung angenehmer und das Leben einfacher zu machen und uns eine umfassendere Bildung zu verschaffen.

Ich versäume keine Gelegenheit, um denen, die Gott zur Gründung einer Familie berufen hat, zu sagen, daß sie stets versuchen sollen, sich mit der gleichen freudigen Liebe zu begegnen, die sie als Brautleute zueinander hegten. Welch armselige Auffassung von der Ehe, die doch ein Sakrament, ein Ideal und eine Berufung ist, hat derjenige, der meint, die Liebe habe aufgehört, wenn die Sorgen und Schwierigkeiten beginnen, die das Leben stets mit sich bringt. Gerade dann festigt sich die Liebe. Selbst großes Leid und große Widrigkeiten können die wirkliche Liebe nicht zum Erlöschen bringen; im Gegenteil: das gemeinsame, großzügig getragene Opfer verbindet nur noch enger. In der Heiligen Schrift lesen wir: Aquae multae - selbst viele Schwierigkeiten, physischer und moralischer Art, - non potuerunt extinguere caritatem, können die Liebe nicht auslöschen (Hl 8,7).

Es ist bekannt, daß Sie die Ehe nicht erst jetzt als Weg zur Heiligkeit bezeichnen. Schon 1934 betonten Sie in Ihrem Buch Consideraciones espirituales, daß die Ehe als Berufung verstanden werden müsse. Aber andererseits schreiben Sie in diesem Buch, sowie auch später im Weg, die Ehe sei nur für den "Großteil des Heeres Christi bestimmt, nicht aber für seinen Führungsstab". Können Sie uns erklären, wie diese beiden Aspekte miteinander zu vereinbaren sind?

In der Spiritualität und im Leben des Opus Dei hat es niemals Schwierigkeit bereitet, diese beiden Aspekte miteinander in Einklang zu bringen. Aber unabhängig davon ist es gut, sich daran zu erinnern, daß der Vorrang der aus übernatürlichen Gründen gelebten Ehelosigkeit Glaubenslehre der Kirche und nicht etwa meine private theologische Meinung ist.

Als ich in den dreißiger Jahren jene Worte schrieb, neigte man im katholischen Raum, und zwar besonders in der praktischen Seelsorge, dazu, die Jugendlichen zum Streben nach der christlichen Vollkommenheit zu bewegen, indem man sie ausschließlich den übernatürlichen Wert der Jungfräulichkeit schätzen lehrte, den Wert der christlichen Ehe als anderen möglichen Weg zur Heiligkeit jedoch unbeachtet ließ.

Normalerweise wurden die Jugendlichen in der Schule nicht so erzogen, daß sie in der Lage gewesen wären, die Ehe ihrer echten Würde entsprechend zu schätzen. Selbst heute noch werden in Exerzitien für die Abschlußklassen der Höheren Schule den Schülern häufig mehr Argumente für die Möglichkeit einer Berufung zum Ordensleben gegeben als für die mögliche Berufung zur Ehe. Und es gibt sogar, wenn auch in ständig geringerer Zahl, noch Leute, die das eheliche Leben im Grunde geringschätzen und es den Jugendlichen als von der Kirche lediglich toleriert hinstellen; so als ob die Gründung einer Familie es nicht zuließe, ernsthaft nach Heiligkeit zu streben.

Im Opus Dei hat es so etwas nie gegeben. Wir haben immer die Ehe als einen göttlichen Weg auf Erden dargestellt und gleichzeitig klar vom erhabenen Sinn der apostolischen Ehelosigkeit gesprochen.

Mich schreckt die menschliche Liebe nicht, jene heilige Liebe, der sich Gott bedient hat, um mir das Leben zu schenken; ich segne sie mit beiden Händen. Die Eheleute sind nicht nur die Spender, sondern zugleich sind sie selbst auch die Materie des Ehesakramentes, genauso wie Wein und Brot die Materie der Eucharistie sind. Das ist der Grund, warum ich alle Lieder so gern habe, die die lautere menschliche Liebe besingen; für mich haben diese menschlichen Liebeslieder ein göttliches Echo. Und gleichzeitig wiederhole ich immer wieder, daß diejenigen, die ihrer Berufung entsprechend den Weg der apostolischen Ehelosigkeit einschlagen, keine Junggesellen sind, unfähig, die Liebe zu begreifen und ihren Wert zu erkennen. Ihr Leben erklärt sich im Gegenteil ganz allein aus der Tatsache jener göttlichen Liebe (mir gefällt es, dieses Wort mit ganz großen Buchstaben zu schreiben), die das eigentliche Wesen jeder christlichen Berufung ausmacht.

Es ist keineswegs miteinander unvereinbar, die eheliche Berufung hoch einzuschätzen und gleichzeitig den Vorrang der Berufung zur Ehelosigkeit propter regnum coelorum (Mt 19,12), um des Himmelreiches willen, zu bejahen. Ich bin davon überzeugt, daß jeder Christ die Vereinbarkeit beider Aspekte gut versteht, wenn er sich bemüht, sowohl die Lehre der Kirche als auch seine eigene, persönliche Berufung kennenzulernen, anzunehmen und zu lieben, mit anderen Worten: wenn er glaubt und aus dem Glauben lebt.

Mit den Worten, die Ehe sei für den "Großteil des Heeres Christi", habe ich lediglich die ständige Praxis der Kirche beschrieben. Bekanntlich werden die Bischöfe, die das Bischofskollegium bilden und zusammen mit seinem Haupt, dem Papst, die Kirche leiten, unter denen ausgewählt, die im Stand der Ehelosigkeit leben. Dasselbe geschieht übrigens auch in den orientalischen Kirchen, obwohl man dort den verheirateten Priester kennt. Abgesehen davon ist es unschwer zu begreifen und zu beweisen, daß die im Stand der Ehelosigkeit lebenden Menschen faktisch über eine größere Herzens- und Bewegungsfreiheit verfügen, um sich, auch im Laienapostolat, fest und dauernd der Leitung und Unterhaltung apostolischer Aufgaben zu widmen. Das soll nicht heißen, daß die übrigen Laien nicht ebenfalls ein großartiges und höchst wirksames Apostolat ausüben könnten; es bedeutet nur, daß es verschiedene Aufgaben und Dienste an Stellen verschiedener Verantwortung gibt.

In einem Heer - und nur das möchte dieser Vergleich sagen - ist die Truppe so nötig wie der Generalstab, und es kann ohne weiteres sein, daß die Truppe heroischer kämpft und mehr Ruhm verdient. Kurz: die Aufgaben sind verschieden, aber jede Aufgabe ist wichtig und wertvoll. Worauf es vor allem ankommt, ist, daß jeder seiner eigenen Berufung entspricht; denn die Vollkommenheit besteht für alle Menschen immer und ausschließlich darin, den Willen Gottes zu erfüllen.

Ein Christ, der in der Ehe nach Heiligkeit strebt und sich der Größe seiner eigenen Berufung bewußt ist, wird gerade deshalb eine spontane Hochachtung für diejenigen empfinden, die zur apostolischen Ehelosigkeit berufen sind; und er freut sich aufrichtig, wenn einmal eines seiner Kinder in der Gnade Gottes diesen Weg gehen möchte. Das ist nur ein Grund mehr, um seine eigene Berufung zur Ehe noch tiefer zu lieben, denn sie hat es ihm ermöglicht, die Früchte seiner Liebe Christus zu schenken, der die große Liebe aller ist, der Verheirateten wie der Unverheirateten.

Viele Eheleute stehen ratlos vor der Frage nach der Zahl der Kinder, nicht zuletzt wegen der Ratschläge, die sie auch von manchen Priestern bekommen. Was würden Sie den Eheleuten in dieser Verwirrung raten?

Wer in diesen Fragen das Gewissen anderer Menschen verwirrt, vergißt, daß das Leben heilig ist; er zieht sich jenen harten Vorwurf zu, den Christus den blinden Führern von Blinden sowie denen macht, die selbst nicht in das Himmelreich eintreten wollen und den anderen den Weg versperren. Ich urteile nicht über ihre Absicht, ja ich bin davon überzeugt, daß viele, die solche Ratschläge erteilen, vom Mitgefühl und von dem Wunsch geleitet sind, schwierige Situationen zu bereinigen. Aber ich kann nicht verschweigen, daß die zerstörerische, in vielen Fällen diabolische Arbeit jener, die nicht nur keine gute Lehre verkünden, sondern sie darüber hinaus verderben, mich schmerzlich trifft.

Wenn die Eheleute solche Ratschläge und Empfehlungen hören, sollten sie nicht vergessen, daß es einzig und allein darauf ankommt zu erkennen, was Gott von ihnen will. Wo es Aufrichtigkeit, rechte Absicht und ein Mindestmaß an christlicher Bildung gibt, vermag das Gewissen den Willen Gottes zu entdecken, in diesem Bereich wie in jedem anderen. Es kann aber auch vorkommen, daß man gerade den Rat sucht, der dem eigenen Egoismus Vorschub leistet, und unter dem Deckmantel einer "Autorität" die innere Stimme des eigenen Gewissens zum Schweigen bringt. Und unter Umständen wird dann so lange immer wieder der Ratgeber gewechselt, bis man schließlich den "wohlwollendsten" gefunden hat. Von anderem einmal abgesehen, ist das zumindest eine pharisäische Haltung, die eines Kindes Gottes unwürdig ist.

Der Rat eines anderen Christen und besonders - was die Fragen der Moral und des Glaubens angeht - der Rat eines Priesters ist sicherlich eine wesentliche Hilfe, um zu erkennen, was Gott in einer bestimmten Situation von uns will. Aber ein Ratschlag schaltet niemals die persönliche Verantwortung aus; die Entscheidung liegt letztlich bei jedem einzelnen von uns, und wir selbst haben sie persönlich vor Gott zu verantworten.

Über allen privaten Ratschlägen steht das Gesetz Gottes, das in der Heiligen Schrift enthalten ist und vom Lehramt der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes bewahrt und verkündet wird. Widerspricht ein persönlicher Rat dem Wort Gottes, so wie es uns die Kirche lehrt, sind wir gehalten, jener irrigen Auffassung entschieden den Rücken zu kehren. Demjenigen, der mit solch lauterer Absicht handelt, wird Gott mit seiner Gnade helfen. Er wird ihm zu erkennen geben, was zu tun ist, und wenn nötig, wird er ihn einen Priester finden lassen, der es versteht, ihn zu geraden und lauteren Wegen zu führen, auch wenn diese Wege nicht selten mühseliger zu gehen sind.

Eine geistliche Leitung darf nicht darauf hinauslaufen, Menschen ohne eigenes Urteilsvermögen heranzubilden, die sich darauf beschränken auszuführen, was andere ihnen sagen. Im Gegenteil: der Sinn der geistlichen Leitung besteht gerade darin, die eigene Urteilsfähigkeit zu stärken; und ein eigenes, unabhängiges Urteil setzt charakterliche Reife, ausreichende Kenntnis der christlichen Lehre, Feinfühligkeit und Willensstärke voraus.

Es ist wichtig, daß die Eheleute die Würde ihrer Berufung klar erkennen und sich bewußt machen, daß sie von Gott dazu berufen sind, gerade durch die menschliche Liebe zu Seiner Liebe, der Liebe schlechthin, zu gelangen; daß er sie von Ewigkeit her auserwählt hat, durch die Zeugung und die Erziehung ihrer Kinder an der göttlichen Schöpfermacht teilzunehmen; und daß der Herr von ihnen erwartet, daß ihr Haus und ihr ganzes Familienleben zum Zeugnis christlicher Tugenden werden. Die Ehe - ich werde nicht müde, es zu wiederholen - ist ein herrlicher, großartiger Weg zu Gott. Und wie alles Göttliche in uns besitzt auch sie ihre konkreten Ausdrucksformen der Mitwirkung mit der Gnade, der Großherzigkeit, der Hingabe und der Dienstbereitschaft. Die göttliche Liebe, die unser Leben bestimmen muß, ist unvereinbar mit dem Egoismus in all seinen Spielarten. Diese grundlegende Erkenntnis muß man sich bei allen Fragen der Ehe klar vor Augen halten, auch bei der Frage nach der Kinderzahl.

Gerade habt ihr die feierliche Lesung von zwei Stellen aus der Heiligen Schrift vernommen, die zum Meßformular des 21. Sonntags nach Pfingsten gehören. Durch das Hören des Wortes Gottes habt ihr euch bereits in den Bereich hineinversetzt, in dem sich meine Worte an euch bewegen möchten. Es sind Worte eines Priesters an eine große Familie von Kindern Gottes in der heiligen Kirche, Worte also, die übernatürlich sein sollen, die von der Größe Gottes und der Größe seines Erbarmens zu den Menschen sprechen und euch auf die eindrucksvolle Eucharistiefeier vorbereiten sollen, die wir heute auf dem Campus der Universität begehen.

Betrachtet einen Augenblick diese Tatsache, die ich gerade erwähnt habe. Wir feiern jetzt die heilige Eucharistie, das sakramentale Opfer des Leibes und Blutes des Herrn, jenes Geheimnis des Glaubens, das alle Geheimnisse des Christentums in sich vereint. Wir feiern die heiligste und erhabenste Handlung, die wir Menschen - dank der Gnade Gottes - in diesem Leben zu vollziehen vermögen. Denn wenn wir den Leib und das Blut des Herrn empfangen, dann entledigen wir uns dadurch in gewisser Weise bereits der Fesseln von Raum und Zeit und vereinigen uns mit Gott im Himmel, wo Christus selbst jede Träne unserer Augen trocknen wird, wo der Tod nicht mehr sein wird, noch Trauer, noch Klagen, denn die alte Welt ist ja vergangen (Offb. 21,4).

Diese tiefe und so tröstliche Wahrheit, der eschatologische Sinn der Eucharistie, wie die Theologen zu sagen pflegen, kann jedoch auch mißverstanden werden. Und in der Tat geschieht das immer dann, wenn man versucht, das christliche Leben rein geistig oder, besser gesagt, rein spiritualistisch aufzufassen; als ein Leben, das nur für jene makellosen, außergewöhnlichen Menschen bestimmt ist, die sich nicht mit den niedrigen Dingen dieser Welt einlassen oder sie allenfalls dulden als jenen Gegensatz zum Leben des Geistes, der nun einmal unvermeidlich ist, solange wir noch auf Erden weilen.

Bei einer solchen Sicht der Dinge wird das Gotteshaus zum einzig wahren Standort des christlichen Lebens. Christsein bedeutet dann, zur Kirche zu gehen, an sakralen Zeremonien teilzunehmen und sich in einer kirchlich geprägten Umgebung abzukapseln, in einer isolierten Welt, die sich als Vorhalle des Himmels darstellt, während die gewöhnliche Welt draußen ihre eigenen Wege geht. Die Lehre des Christentums und das Leben der Gnade würden so den mühsamen Gang der menschlichen Geschichte allenfalls streifen, ihm jedoch niemals wirklich begegnen.

Während wir uns an diesem Oktobermorgen darauf vorbereiten, das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung des Herrn zu feiern, wollen wir dieser verfälschten Form des Christentums ein klares Nein entgegensetzen. Achtet für einen Augenblick auf den äußeren Rahmen unserer Eucharistie, unserer Danksagung: Wir befinden uns in einem einzigartigen Gotteshaus: Das Kirchenschiff ist der Campus der Universität, das Altarbild die Universitätsbibliothek, dort stehen die Maschinen zur Errichtung neuer Gebäude, und über uns wölbt sich der Himmel von Navarra…

Bestätigt euch dieses Bild nicht in klarer und unvergeßlicher Weise, daß das alltägliche Leben der wahre Ort eurer christlichen Existenz ist? Dort, unter euren Mitmenschen, in euren Mühen, eurer Arbeit und eurer Liebe, dort ist der eigentliche Ort eurer tagtäglichen Begegnung mit Christus. Dort, inmitten der durch und durch materiellen irdischen Dinge müssen wir uns bemühen, heilig zu werden, indem wir Gott und allen Menschen dienen.

Und jetzt erlaubt mir, daß ich mich einen Augenblick bei einem anderen Aspekt des alltäglichen Lebens aufhalte, der mir ganz besonders am Herzen liegt. Ich meine die menschliche Liebe, die lautere Liebe zwischen Mann und Frau in Brautstand und Ehe. Seit über vierzig Jahren werde ich nicht müde, in Wort und Schrift zu wiederholen, daß diese heilige menschliche Liebe keineswegs etwas nur Erlaubtes oder Geduldetes am Rande der wahren Werte des Geistes ist, wie der falsche Spiritualismus meinen könnte, den ich vorhin erwähnte. Heute beginnen das endlich auch diejenigen zu begreifen, die bisher kein Verständnis dafür aufbrachten.

Die Liebe, die zu Ehe und Familie führt, kann zugleich ein Weg Gottes, ein herrlicher Weg der Berufung und der rückhaltlosen Hingabe an den Herrn sein. Versucht, eure Arbeit so vollkommen wie möglich zu tun, sagte ich vorhin; erfüllt mit Liebe die kleinen Dinge des Alltags, entdeckt - ich wiederhole es - jenes göttliche Etwas, das im Kleinen verborgen liegt. Hier, in diesem so lebendigen Bereich der menschlichen Liebe, gewinnt diese Lehre eine ganz besondere Bedeutung.

Professoren, Studenten und die ihr sonst eure Arbeit der Universität von Navarra widmet: Ihr wißt, daß ich Maria, der "Mutter der schönen Liebe", eure Liebe anempfohlen habe. Dort steht jene kleine Kapelle, die wir zu ihrer Ehre auf dem Universitätsgelände errichtet haben, damit sie euer Gebet und die Darbringung eurer lauteren Liebe annehme und segne.

Wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott empfangen habt, und daß ihr nicht mehr euch selbst angehört? (1 Kor 6,19) Wie oft werdet ihr vor dieser Statue Mariens, der Mutter der schönen Liebe, mit einem freudigen Ja auf die Frage des Apostels antworten: Ja, wir wissen es, und mit deiner mächtigen Hilfe, Jungfrau und Mutter Gottes, wollen wir es so leben!

Und ihr werdet den Wunsch verspüren zu beten, jedesmal wenn ihr diese eindrucksvolle Wirklichkeit bedenkt: Etwas so Materielles wie meinen Leib hat sich der Heilige Geist erwählt, um darin Wohnung zu nehmen… ich gehöre nicht mehr mir selbst… mein Leib und meine Seele - mein ganzes Sein - ist Eigentum Gottes… Und dieses Gebet wird reich an praktischen Folgen sein, die sich alle aus dem ergeben, was Paulus sagt: Verherrlicht also Gott in eurem Leibe (1 Kor 6,20).