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Es gibt 7 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Alltagsleben → Lebenseinheit und Kampf.

Ein konsequent christliches Leben

Ich höre manchmal, was mich besonders schmerzt, von katholischen Christen - Kindern Gottes, durch die Taufe dazu berufen, ein anderer Christus zu sein -, die ihr Gewissen mit einer formalen Frömmigkeit beruhigen und mit einer Art religiösen Gefühls einlullen: von Zeit zu Zeit beten sie, je nach dem subjektiven Bedarf; sie sehen in der heiligen Messe eine nicht übertrieben ernstzunehmende Sonntagspflicht - ihren Magen aber befriedigen sie mit sorgsamer Regelmäßigkeit -, sie sind bereit, ihren Glauben gegen ein Linsengericht einzutauschen, damit ihnen nur ja keine Nachteile für ihre Stellung entstehen… Aber auf der anderen Seite scheuen sie sich nicht, ohne Rücksicht auf ein mögliches Ärgernis, das christliche Namensschild zum eigenen Nutzen zu verwenden. Nein! Bloße Namensschilder sollen uns nicht genügen! Ich möchte, daß ihr ganze Christen seid, Christen aus einem Guß. Aber dazu ist es nötig, daß ihr konsequent nach der rechten geistlichen Nahrung sucht.

Ihr wißt aus eigener Erfahrung, daß das innere Leben darin besteht, jeden Tag immer wieder von neuem zu beginnen. Ich habe euch das oft gesagt, um einer möglichen Mutlosigkeit vorzubeugen. Und wir alle, ihr und ich, spüren im Herzen, daß es nötig ist, beharrlich zu kämpfen. Ihr werdet bei eurer Gewissenserforschung bestimmte immer wiederkehrende Rückschläge festgestellt haben, die an sich geringfügig sind, euch aber fast übergroß erscheinen, weil ihr in ihnen den Mangel an Liebe, an Hingabe, an Opfergeist, an Feingefühl erkennt. Auch mir ergeht es so. Entschuldigt diesen neuerlichen Hinweis auf meine Person, aber auch ich bespreche, während ich mit euch rede, mit dem Herrn die Fragen meiner Seele. Bereut in solchen Situationen aufrichtig, habt den festen Wunsch zu sühnen, aber verliert den Frieden nicht.

Zu Beginn der vierziger Jahre mußte ich oft nach Valencia reisen. Materielle Mittel fehlten mir damals gänzlich. Ich, ein armer Priester, und die, die - wie ihr jetzt - zu mir kamen, wir versammelten uns zum Gebet, wo immer wir konnten. Manchmal an einem abgelegenen Strand - wie die ersten Freunde des Meisters… Erinnerst du dich? Lukas erzählt, wie Paulus und er, die unterwegs nach Jerusalem waren, Tyrus verließen: Alle gaben uns mit Frauen und Kindern das Geleit bis vor die Stadt hinaus. Am Strande knieten wir nieder und beteten (Apg 21,5).

Einmal, als nach einem herrlichen Sonnenuntergang der Abend schon dämmerte, sahen wir, wie sich ein Boot dem Strand näherte. Die Fischer - kräftige Gestalten, mit entblößtem Oberkörper, dunkel wie aus Bronze, durchnäßt - stiegen aus. Sie machten sich daran, das Netz mit den vielen silbern glänzenden Fischen, das hinten am Boot befestigt gewesen war, an Land zu ziehen. Sie zogen mit Kraft und Schwung, und ihre Füße sanken tief in den Sand ein. Plötzlich kam ein Kind, braungebrannt wie sie; es näherte sich dem Seil, faßte es mit seinen kleinen Händen und begann mitzuziehen, so gut es konnte. Die Fischer, die ziemlich derb und ungehobelt erschienen, waren wohl darüber gerührt, denn sie schickten das Kind, das ja eher störte, nicht fort, sondern ließen es mithelfen.

Ich mußte an euch und an mich denken; an euch, die ich damals noch nicht kannte, und auch an mich, an unser aller Mitziehen, jeden Tag und in tausenderlei Dingen. Wenn wir wie jenes kleine Kind vor Gott hintreten, von der eigenen Hilflosigkeit überzeugt und doch für seine Absichten offen, dann werden wir leichter das Ziel erreichen, wir werden das Netz - ein volles Netz - an Land ziehen, weil die Macht Gottes selber unserer eigenen armen Plackerei zu Hilfe kommt.

Fangt uns die Füchse, diese jungen Füchse, die die Weinberge verwüsten, ja unsere Weinberge, welche in Blüte stehen (Hld 2,15). Seid treu, sehr treu im Kleinen! Das Streben danach wird uns auch kindliches Vertrauen zu unserer Mutter Maria lehren. Habe ich euch nicht zu Beginn gesagt, daß wir alle klein sind, weil nur die Jahre zählen, die seit unserem Entschluß, Gott ganz nahe zu sein, vergangen sind? Deshalb ist es nur vernünftig, wenn wir in unserem Elend und in unserer Ohnmacht die Nähe der erhabenen, heiligen Reinheit der Mutter Gottes, die auch unsere Mutter ist, suchen.

Hört eine andere Geschichte, die wirklich geschehen ist und die ich erzählen darf, weil sie schon viele, viele Jahre zurückliegt und in ihrer derben Unmittelbarkeit hilfreich sein kann. Ich hielt Besinnungstage für Priester aus verschiedenen Diözesen. Jeden einzelnen suchte ich auf, freundlich und anteilnehmend, damit sie sich mit mir aussprechen könnten; denn auch wir Priester brauchen einen brüderlichen Ratgeber und Helfer. Im Gespräch mit einem, der etwas ungeschliffen, aber gerade und ehrlich war, hatte ich mich bemüht, wenn auch schonend, so doch nachdrücklich die offene Aussprache herbeizuführen, um die möglichen Wunden seines Herzens zu heilen. Plötzlich unterbrach er mich und sagte: Wie beneide ich meinen Esel; er hat in sieben Pfarreien gedient, und kein Mensch hat etwas an ihm auszusetzen. Hätte ich doch gedient wie er!

Prüfe dich gründlich… Vielleicht verdienen auch wir nicht das Lob dieses Landpfarrers für seinen Esel. Wir haben viel gearbeitet, hier und dort Verantwortung getragen, in dieser und jener Sache Erfolge gehabt… Aber, vor dem Angesicht Gottes, findest du da nichts, was zu beklagen ist? Hast du wirklich immer versucht, Gott und deinen Mitmenschen, deinen Brüdern, zu dienen? Oder hast du dich zuviel um deinen Egoismus, dein Ansehen, deinen Ehrgeiz, deine rein irdischen, hoffnungslos flüchtigen Erfolge gekümmert?

All dies sage ich euch ganz ungeschminkt, denn ich will jetzt von neuem Gott um Vergebung bitten und möchte auch euch dazu anleiten. Vor unserem Blick steht unsere mangelnde Treue, stehen all die Fehler, Erbärmlichkeiten, Schlaffheiten; jeder kennt da seine eigene Geschichte. Sprechen wir also zum Herrn aus vollem Herzen das Reuegebet des Petrus: Domine, tu omnia nosti, tu scis qui amo te! (Joh 21,17) Herr, Du weißt alles, Du weißt, daß ich Dich liebe!

Trotz meiner Erbärmlichkeiten! Ja, ich nehme mir heraus, es so abzuwandeln: Du weißt, daß ich Dich gerade wegen meiner Erbärmlichkeiten liebe, denn sie bringen mich dazu, daß ich mich auf Dich stütze, der Du meine Stärke bist: quia tu es, Deus, fortitudo mea (Ps 42,2). Und dann, nach diesem Reueakt, beginnen wir von neuem.

Freiheit und Hingabe

Gottes Liebe ist eine eifersüchtige Liebe. Sie gibt sich nicht mit Halbheiten zufrieden. Ungeduldig erwartet sie, daß wir uns ganz hingeben und keine dunklen Winkel in unserem Herzen zulassen, die für den Jubel und die Freude der Gnade und der übernatürlichen Gaben unerreichbar wären. Vielleicht denkt ihr: In eine solche, alles andere ausschließende Liebe einzuwilligen - heißt das nicht, die Freiheit zu verlieren?

Der Herr, der hier bei unserem Gebet zugegen ist, möge uns mit seinem Licht dazu verhelfen, daß wir den Kern unseres Themas noch deutlicher erfassen. Jeder von uns hat irgendwann einmal erfahren, daß der Dienst für unseren Herrn Jesus Christus Leid und Mühsal mit sich bringt. Dies kann nur der leugnen, der noch nicht auf Gott gestoßen ist. Doch die Seele, die wirklich liebt, weiß, daß das Leid, wenn es kommt, vorübergeht; denn bald entdeckt sie, daß dieses Leid eine leichte Bürde und ein sanftes Joch ist, da Christus es auf seine Schultern nimmt, so wie Er sich damals, als es um unser ewiges Heil ging, das Kreuz auflud (Vgl. Mt 11,30). Es gibt allerdings Menschen, die dies nicht fassen und sich gegen den Schöpfer auflehnen in einer ohnmächtigen, kurzsichtigen und freudlosen Rebellion. Blind wiederholen sie die vergebliche Klage des Psalms: Sprengen wir seine Ketten und werfen wir seine Fesseln von uns! (Ps 2,3)Sie weigern sich, heroisch schweigend und selbstverständlich, bescheiden und klaglos die harte Aufgabe eines jeden Tages zu erfüllen. Sie begreifen nicht, daß der göttliche Wille mag er auch manchmal schmerzen - mit der Freiheit der göttlichen Ratschlüsse genau übereinstimmt.

Um dahin zu gelangen, müssen wir uns von der Liebe leiten lassen und dürfen niemals so tun, als laste auf uns eine Strafe oder ein Fluch: Was immer ihr tut in Wort oder Werk, tut es im Namen unseres Herrn Jesus Christus und danket Gott dem Vater durch Ihn (Kol 3,17). So führen wir unsere Arbeit bestmöglich aus und nutzen die Zeit; wir begreifen uns als Werkzeuge, die Gott lieben, und als Träger der Verantwortung und des Vertrauens, die Gott uns trotz unserer Unzulänglichkeit schenkt. Du tust dann jede Handlung als ein Christ, der sich ausschließlich in Gott stark weiß und der sich einzig und allein von der Liebe leiten läßt.

Wir dürfen indes nicht die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Geben wir uns nicht der naiven, oberflächlichen Sicht hin, als sei der vor uns liegende Weg leicht, so daß ein paar aufrichtige Vorsätze und der brennende Wunsch, Gott zu dienen, allein schon ausreichten. Es ist klar, daß im Laufe der Jahre - vielleicht früher, als wir uns vorstellen können - besonders schwierige Situationen auftreten werden, die von uns viel Opfergeist und viel Selbstverleugnung verlangen werden. Dann heißt es, stark in der Tugend der Hoffnung zu sein und mutig auf das Wort des Apostels zu bauen: Ich bin wahrhaft überzeugt, daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll (Röm 8,18). Denke einmal in aller Ruhe darüber nach: Wie wird es sein, wenn sich die unendliche Liebe Gottes über uns arme Geschöpfe ergießt! Dann ist die Zeit gekommen, mitten in deinem Alltag dich im Glauben zu bewähren, die Hoffnung neu zu stärken und die Liebe wieder zu beleben; mit anderen Worten, die drei göttlichen Tugenden in uns so zu entfachen, daß wir sofort - ohne falsche Beschönigungen, Vorwände oder Ausflüchte - alle Fehlhaltungen in unserem Berufsleben wie in unserem inneren Leben abbauen.

Jedem das Seine

Lest aufmerksam die Stelle aus dem Evangelium, die uns heute beschäftigt, damit ihr aus der großartigen Lektion über die Tugenden, die unser Handeln bestimmen sollen, Nutzen zu ziehen versteht. Dem gleisnerischen Anbiederungsversuch lassen Pharisäer und Herodianer die eigentliche Frage folgen: Was meinst Du, ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen oder nicht? (Mt 22,17) Achtet jetzt auf ihre Verschlagenheit, sagt Johannes Chrysostomus. Sie sagen nämlich nicht zu Ihm: Erkläre uns, was das Gute, das Passende, das Erlaubte ist, sondern sag uns, was Du davon hältst. Sie sind vom Gedanken besessen, Ihm eine Falle zu stellen und Ihn bei der politischen Obrigkeit in Ungnade fallen zu lassen (Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, 70, 1 (PG 58, 656]). Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: "Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle? Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt". Da hielten sie Ihm einen Denar hin. Er fragte sie: "Wessen Bild und Aufschrift ist das?" Sie antworteten: "des Kaisers". Da sagte Er zu ihnen: "So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört" (Mt 22,18-21).

Ihr seht: ein Dilemma, das sehr alt ist, und dazu eine klare, unmißverständliche Antwort des Herrn. Es gibt keinen Widerspruch zwischen dem Dienst an Gott und dem Dienst an den Menschen, zwischen den Rechten und Pflichten eines Staatsbürgers und den Rechten und Pflichten eines Christen, zwischen der Arbeit für den Aufbau und das Gedeihen unserer irdischen Bleibe und dem Wissen, daß die Welt nur ein Weg ist, ein Weg zur Heimat des Himmels.

Auch darin zeigt sich - und ich werde nicht müde, dies zu wiederholen - die Einheit des Lebens als die notwendige Voraussetzung für alle, die sich im Alltag ihrer Arbeit, ihres Familienlebens und ihrer Aufgaben in der Gesellschaft heiligen wollen. Jesus lehnt Zwiespältigkeit ab: Niemand kann zwei Herren dienen. Entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten (Mt 6,24). Der Christ, der durch seine bedingungslose Antwort auf den Ruf sich ausschließlich für Gott entscheidet, trifft eine Wahl, die ihn dazu drängt, alles auf den Herrn auszurichten und - gleichzeitig damit - dem Nächsten all das zu geben, was ihm nach der Gerechtigkeit zukommt.