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Es gibt 8 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Alltagsleben → Heiligkeit im Alltagsleben.

Gott will uns heilig

Wir alle, ihr und ich, sind Teil der Familie Christi, denn Gott hat uns schon vor Erschaffung der Welt auserwählt, daß wir heilig und untadelig vor Ihm seien. Aus Liebe hat Er uns nach seinem freien Willensentschluß durch Jesus Christus zu seinen Kindern vorherbestimmt, zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade (Eph 1,4-5). Die Auserwählung aus geschenkter Gnade richtet uns auf ein deutlich wahrnehmbares Ziel: auf die persönliche Heiligkeit. Paulus spricht es bündig aus: Haec est voluntas Dei: sanctificatio vestra (1 Thess 4,3), dies ist der Wille Gottes: eure Heiligung. Vergessen wir es also niemals: Wir sind in der Hürde des Herrn, damit wir dieses hohe Ziel erreichen.

Und wieder muß ich an eine Begebenheit denken, die lange zurückliegt. Eines Tages ging ich in die Kathedrale von Valencia, um dort zu beten. Als ich am Grab des Seligen Ridaura vorbeikam, erzählte man mir von diesem Priester, daß er auf die Frage nach seinem Alter - er war schon sehr alt - immer die gleiche, sehr bestimmte Antwort gab: wenige Jahre, und um deutlich zu machen, was er meinte, fügte er hinzu: Nur die Jahre, die ich im Dienste Gottes verbracht habe, zählen. Bei vielen von euch kann man noch an den Fingern einer Hand die Jahre zählen, die seit dem Tag vergangen sind, an dem ihr euch entschlossen habt, ganz Gott zu gehören und Ihm inmitten der Welt, in eurem Milieu und durch eure berufliche Arbeit dienen zu wollen. Es ist auch nicht so wichtig; wichtig ist nur, daß in uns diese Gewißheit gleichsam eingebrannt ist: die Aufforderung zur Heiligkeit, die Christus an alle Menschen ohne Ausnahme richtet, verlangt von einem jeden die Sorge um das eigene innere Leben und die tägliche Einübung in die christlichen Tugenden. Der Herr fordert nicht einen durchschnittlichen, überdurchschnittlichen oder außerordentlichen Einsatz, sondern eine Entschlossenheit, die bis zum wirklich Heroischen gehen muß.

Das Ziel, das ich euch vor Augen stelle - genauer gesagt, das Gott uns allen vor Augen stellt - ist kein Phantasiegebilde und kein unerreichbares Ideal. Ich könnte euch von so vielen ganz gewöhnlichen Männern und Frauen, wie ihr und wie ich, erzählen, die sich entschlossen haben, Christus zu folgen und in Liebe das Kreuz eines jeden Tages zu tragen (Joh 7,10), nachdem sie auf scheinbar gewöhnlichem Wege Ihm, der quasi in occulto (Vgl. Mt 16,24), wie verborgen, vorüberging, begegnet sind. In unserer Zeit, in der Sichgehenlassen und Schlaffheit oder Hemmungslosigkeit und Anarchie als Zeichen des allgemeinen Verfalls herrschen, gewinnt gerade deshalb die einfache, tiefe Erkenntnis, die mich seit Beginn meiner priesterlichen Tätigkeit verzehrt und die ich der ganzen Menschheit weitergeben möchte, immer mehr an Aktualität: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen fehlt.

Inneres Leben: das ist die Forderung, mit der sich der Meister in der Seele eines jeden vernehmbar macht. Heilig müssen wir sein, und zwar - laßt es mich so sagen - vom Scheitel bis zur Sohle: Christen, die man für einen Heiligsprechungsprozeß vorschlagen könnte, wahr und echt; alles andere hieße, daß wir als Jünger des einzigen Meisters gescheitert wären. Bedenkt außerdem, daß Gott, indem Er auf uns blickt und uns die Gnade für den Kampf um die Heiligkeit inmitten der Welt schenkt, uns damit auch zum Apostolat verpflichtet. Denn die Sorge um die Seelen ist sogar aus menschlich-natürlicher Sicht eine logische Folge der göttlichen Auserwählung, wie ein Kirchenvater andeutet: Wenn ihr entdeckt, daß etwas euch von Nutzen gewesen ist, versucht ihr, andere dafür zu gewinnen. Deshalb müßt ihr auch wünschen, daß andere euch auf den Wegendes Herrn begleiten. Wenn ihr zum Forum oder zu den Thermen geht und einem begegnet, der nichts zu tun hat, ladet ihr ihn ein, euch zu begleiten. Übertragt diese irdische Gewohnheit auf das Geistliche und, wenn ihr zu Gott geht, geht nicht allein (Gregor der Große, Homiliae in Evangelia, 6, 6 (PL 76, 1098]).

Im Normalfall macht Christus die Wirksamkeit unseres Bemühens, andere mitzuziehen, von unserem inneren Leben abhängig. Wir sollten uns dies gegenwärtig halten, damit wir keine Zeit vergeuden mit falschen Ausreden oder mit entschuldigenden Hinweisen auf die Schwierigkeiten des Milieus, die übrigens seit Beginn des Christentums nie gefehlt haben. Die Bedingung, die Christus für eine wirksame apostolische Arbeit stellt, ist die Heiligkeit: genauer gesagt, das Bemühen um Treue, denn die Heiligkeit selbst werden wir auf Erden nie erlangen. Es erscheint unglaublich: Gott und die Menschen brauchen unsere Treue. Sie soll uneingeschränkt, unverfälscht, bis zum Letzten konsequent, ungeschwächt durch Mittelmäßigkeit und Kompromisse sein: offen für die Fülle der christlichen Berufung, die wir bejahen und liebend zu verwirklichen streben.

Es könnte jemand denken, daß ich dabei ausschließlich eine kleine Gruppe auserwählter Menschen im Blick habe. Aber laßt euch nicht so leicht durch Kleinmut und Bequemlichkeit täuschen, fühlt vielmehr in euch den göttlichen Ernst der Berufung, ein anderer Christus, ipse Christus, Christus selbst, sein zu sollen. Anders gesagt: Ihr sollt in euch das Verlangen danach spüren, das eigene Verhalten und die Anforderungen des Glaubens zur Übereinstimmung zu bringen, denn die Heiligkeit, um die wir ringen, ist keine Heiligkeit zweiter Klasse - die gibt es nicht. Die wichtigste dieser Anforderungen entspricht wesenhaft der Natur des Menschen: zu lieben, denn die Liebe ist das Band der Vollkommenheit (Kol 3,14), und zwar so zu lieben, wie es der Herr ausdrücklich gebietet: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Gemüt (Mt 22,37), das heißt: uneingeschränkt. Darin besteht die Heiligkeit.

In der Tat ist dies ein hohes Ziel, ein steiler Weg. Aber vergeßt nicht, daß niemand schon von Geburt an heilig ist: der Heilige wird, er wird im ständigen Zusammenspiel von göttlicher Gnade und menschlichem Mitwirken. Ein christlicher Schriftsteller der ersten Jahrhunderte bemerkt zu der Vereinigung mit Gott: Alles, was sich entwickelt, ist zuerst klein. Indem es immer wieder Nahrung zu sich nimmt, wächst es stetig und wird groß (Markus, Eremit, De lege spirituali, 172 (PG 65, 926]). Deshalb: Willst du konsequent als Christ leben - und ich weiß, daß du das willst, auch wenn Siege und die stetige Ausrichtung unseres armseligen Leibes auf das Höhere hin dir oft so schwer fallen -, dann mußt du mit größter Sorgfalt auf die kleinsten Dinge achten, denn die Heiligkeit, die der Herr von dir will, ist nur zu erlangen durch das Ernstnehmen der Arbeit und der alltäglichen, meistens unscheinbaren Pflichten, aus Liebe zu Gott.

*Homilie, gehalten am 26. November 1967

Wir werden innerlich aufgerüttelt und im Herzen tief erschüttert, wenn wir den Ruf des heiligen Paulus aufmerksam hören: Das ist der Wille Gottes: eure Heiligung (1 Thess 4,3). Heute führe ich mir dieses Wort noch einmal vor Augen und ich erinnere auch euch und die ganze Menschheit daran: Dies ist der Wille Gottes, daß wir heilig sind.

Um den Seelen den wahren Frieden zu bringen, um die Welt umzugestalten, um in der Welt und durch die Dinge der Welt Gott, unseren Herrn, zu suchen, ist unbedingt die persönliche Heiligkeit notwendig. In meinen Gesprächen mit Menschen aus vielen Ländern, mit Menschen, die sehr verschiedene Stellungen in der Gesellschaft einnehmen, werde ich oft gefragt: Was sagen sie uns, die wir verheiratet sind? Und uns, die wir auf dem Felde arbeiten? Und was sagen Sie einer Witwe? Und einem Jugendlichen?

Ich antworte immer, daß ich nur einen einzigen Kochtopf habe. Und dann pflege ich besonders darauf einzugehen, daß unser Herr Jesus Christus allen, ohne Unterschied, die frohe Botschaft verkündet hat. Ein einziger Kochtopf und eine einzige Speise: Meine Speise ist es, daß ich denWillen dessen tue, der mich gesandt hat, und daß ich sein Werk vollbringe (Joh 4,34). Jeden einzelnen ruft der Herr zur Heiligkeit, jeden einzelnen bittet Er um Liebe: Junge und Alte, Ledige und Verheiratete, Gesunde und Kranke, Gebildete und Ungebildete, gleichgültig, wo sie arbeiten und leben. Es gibt nur eine einzige Art und Weise, im Umgang mit Gott und im Vertrauen zu Ihm zu wachsen: Ihm im Gebet zu begegnen, mit Ihm zu sprechen, Ihm - von Herz zu Herz - unsere Liebe kundzutun.

Ist das Askese? Ist es Mystik? Mich kümmert es nicht. Ob Askese oder Mystik: was macht das schon aus? Es ist ein Geschenk Gottes. Wenn du dich um ein betrachtendes Gebet bemühst, wird dir der Herr seinen Beistand nicht versagen. Glaube und Taten aus dem Glauben: Taten, denn die Erwartungen des Herrn an uns steigern sich mit der Zeit - du hast das selbst vom Anfang an erfahren, und ich hatte es dir seinerzeit gesagt. Das ist bereits Beschaulichkeit und Vereinigung, und so soll das Leben vieler Christen sein: jeder schreitet auf seinem eigenen geistlichen Weg voran - es gibt deren sehr viele -, mitten in den Anforderungen der Welt, auch wenn er sich dessen nicht voll bewußt ist.

Unser Gebet und unser Verhalten lenken uns nicht von unseren gewöhnlichen Beschäftigungen ab; inmitten unserer rechtschaffenen irdischen Anliegen führen sie uns zum Herrn. Das menschliche Geschöpf vermag all dies emporzuheben zu Gott und so die Welt zu vergöttlichen. Wie oft habe ich das Beispiel von König Midas gebraucht, der alles, was er berührte, in Gold verwandelte! Auch wir können das, trotz unserer persönlichen Unzulänglichkeiten: wir können alles, was wir berühren, in das Gold übernatürlicher Verdienste verwandeln.