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Es gibt 5 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Heiligkeit → beginnen und wieder neu beginnen.

Aber - so könnte jemand einwenden - wenn wir das, was wir von ganzem Herzen lieben, erreicht haben, werden wir dann noch weitersuchen? Ist dann nicht unsere Freiheit dahin? Nein, dann ist sie tätiger denn je, weil die Liebe sich nicht mit stumpfem Erledigen oder lustlosem Weitermachen zufrieden gibt. Lieben heißt, jeden Tag aufs neue mit Dienen, mit Werken der Liebe zu beginnen.

Ich wiederhole es, denn ich möchte es jedem von euch wie mit Feuer ins Herz schreiben: Freiheit und Hingabe sind kein Widerspruch. Sie tragen sich gegenseitig. Die Freiheit kann man nur aus Liebe hingeben; jeder andere Verzicht auf sie ist mir unbegreiflich. Es geht dabei nicht um irgendein Wortspiel. In der frei gewählten Hingabe erneuert die Freiheit immer wieder die Liebe; und sich erneuern heißt immer jung sein, mit einem weiten Herzen, zu großen Idealen und großen Opfern fähig. Wie sehr habe ich mich gefreut, als ich zum erstenmal hörte, daß die jungen Leute auf portugiesisch os novos, "die Neuen", genannt werden, denn das sind sie. Ich erzähle euch das, weil ich schon recht viele Lebensjahre hinter mir habe; aber wenn ich an den Stufen des Altares bete zu Gott, der meine Jugend erfreut (Ps 42,4), dann fühle ich mich trotzdem sehr jung und weiß, daß ich mich niemals alt fühlen werde. Denn wenn ich meinem Gott treu bleibe, wird die Liebe immer wieder mein Leben erneuern: Wie des Adlers Jugend wird sich auch die meine erneuern (Vgl. Ps 102,5).

Aus Liebe zur Freiheit binden wir uns. Einzig und allein der Hochmut betrachtet solche Bande als bleierne Fessel. Die wahre Demut, die uns der lehrt, der sanftmütig ist und demütig von Herzen, sie zeigt uns, daß sein Joch sanft und seine Bürde leicht ist (Vgl. Mt 11,29-30). Das Joch ist die Freiheit, das Joch ist die Liebe, das Joch ist die Einheit, das Joch ist das Leben, das Er uns am Kreuz verdient hat.

Was macht es aus, daß wir stolpern, wenn wir zugleich mit dem Schmerz unseres Sturzes die Kraft finden, wieder aufzustehen und mit frischem Schwung weiterzugehen? Prägen wir es uns ein: Heilig ist nicht, wer niemals fällt, sondern wer - demütig und mit heiliger Hartnäckigkeit - immer wieder aufsteht. Im Buch der Sprüche heißt es, daß der Gerechte siebenmal am Tage fällt (Vgl. Spr 24,16): deshalb werden wir, du und ich, arme Geschöpfe, angesichts unserer eigenen Kläglichkeiten und unseres Stolperns weder verwundert noch entmutigt sein; denn wir können ja weitergehen, wenn wir uns die Kraft bei dem holen, der uns verheißen hat: Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken (Mt 11,28). Dank Dir, Herr, quia tu es, Deus, fortitudo mea (Ps 42,2), weil Du, Gott, meine Stärke bist: Du, immer nur Du, mein Gott, bist mir Kraft, Zuflucht, Halt.

Willst du im inneren Leben wirklich voranschreiten, dann sei demütig. Suche beharrlich und vertrauensvoll die Hilfe des Herrn und seiner heiligen Mutter, die auch deine Mutter ist. In Frieden und ganz ruhig, mag auch die frische Wunde nach dem letzten Sturz noch so sehr schmerzen, umarme von neuem das Kreuz und sage: Herr, mit Deiner Hilfe will ich kämpfen, daß ich nicht stehen bleibe; ich will auf Deine Aufforderungen treu antworten, weder steile Wege noch die scheinbare Eintönigkeit meiner alltäglichen Arbeit, noch Disteln, noch Stolpersteine sollen mir Angst machen. Ich weiß um Deine Barmherzigkeit, und auch, daß ich am Ende meines Weges das ewige Glück, die Freude und die unendliche Liebe finden werde.

Aber noch einen dritten Weg gibt es in jener Traum-Erzählung: auch er ist schmal, rauh und von Gestrüpp bewachsen wie der zweite; auf ihm kämpfen sich einige Menschen durch die vielen Hindernisse hindurch, mit stolzem Pathos und mit theatralischer Miene; doch auch dieser Weg mündet in denselben grauenvollen Abgrund wie der erste. Es ist der Pfad, den die Heuchler gehen, die, von unlauterer Absicht und unredlichem Eifer getrieben, die Arbeit für Gott entwürdigen, indem sie sie in den Dienst irdischer, egoistischer Pläne stellen. Es ist töricht, ein mühsames Werk anzupacken, um bewundert zu werden, und mit mühseliger Anstrengung die Gebote Gottes zu beobachten, nur um einen irdischen Lohn einstreichen zu können. Wer durch die Übung der Tugenden auf Erden Gewinn machen will, ist wie einer, der einen kostbaren Wertgegenstand fürein paar Pfennige verramscht; er könnte den Himmel erobern, gibt sich aber mit vergänglichem Beifall zufrieden () Deshalb heißt es, daß die Hoffnungen der Heuchler wie Spinnweben sind: mit so viel Mühe gesponnen, und amEnde vom Windhauch des Todes fortgeweht (Gregor der Große, Moralia, 2, 8, 43-44 (PL 75, 844-845]).

Elend und Verzeihung

Der Herr ist uns, seinen Geschöpfen, so nahe gekommen, daß wir alle im Herzen die Sehnsucht nach Höhe und Weite tragen, daß wir nach kühnem Flug, nach Werken voller Güte verlangen. Wenn ich jetzt in dir diese Sehnsucht neu zu entfachen versuche, dann deshalb, damit dir klar wird, welche Sicherheit der Herr in deine Seele hineingelegt hat: Wenn du Ihn wirken läßt, wirst du da, wo du bist, ein nützliches Werkzeug von ungeahnter Wirksamkeit sein. Dazu ist es aber nötig, daß du dieses in dich gesetzte Vertrauen nicht feige verspielst; sei darum nicht so anmaßend-naiv, daß du die Schwierigkeiten deines christlichen Weges für gering hältst.

Nichts soll uns wundern. Als Folge unserer gefallenen Natur tragen wir in uns in ein Prinzip der Opposition, des Widerstandes gegen die göttliche Gnade: die Wunden der Ursünde, die durch unsere persönlichen Sünden noch tiefer werden. Deshalb müssen all unsere täglichen Anstrengungen voranzuschreiten, unsere ganze praktische Arbeit, tagaus, tagein, die das Göttliche wie das Menschliche widerspiegelt, immer in die Liebe Gottes einmünden; doch gelingt das nur, wenn wir sie in Demut, mit einem zerknirschten Herzen, im Vertrauen auf die göttliche Hilfe und - als hinge alles von uns allein ab - auch unter Aufbietung aller Kräfte tun.

Solange der Kampf andauert - und das wird er, bis der Tod kommt -, mußt du mit der Möglichkeit rechnen, daß der Feind von innen und von außen anstürmen wird; und damit noch nicht genug: daß die Erinnerung an frühere, vielleicht zahlreiche Fehler dich lähmen kann. Aber im Namen Gottes sage ich dir: Gib die Hoffnung nicht auf. Solltest du einmal in eine solche Situation geraten - sie kommt nicht bei jedem vor und sie ist auch kein bleibender Zustand -, dann verwandle sie in einen weiteren Anlaß, dich noch so inniger mit dem Herrn zu vereinigen; denn Er, der dich als seinen Sohn erwählt hat, wird dich nicht verlassen. Er läßt die Prüfung zu, damit du Ihn mehr liebst und deutlicher entdeckst, daß seine Liebe dich ständig beschützt.

Ich wiederhole: Verliere nicht den Mut, denn Christus, der uns am Kreuz verziehen hat, schenkt uns weiterhin seine Vergebung im Sakrament der Buße, und immer haben wir einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Er ist das Sühnopfer für unsere Sünden, und nicht nur für unsere, sondern auch für die der ganzen Welt (1 Joh 2,1-2), damit wir den Sieg erringen.

Vorwärts, was immer auch geschieht! Ergreife fest die Hand des Herrn und bedenke, daß Gott keine Schlachten verliert. Wenn du dich einmal von Ihm entfernst, dann kehre demütig um, und das heißt: beginnen und immer wieder beginnen, täglich oder sogar oftmals am Tag wie der verlorene Sohn zurückkommen und das reuige Herz in dem Wunder der Liebe Gottes - nicht anderes ist ja die Beichte - aufrichten. Durch dieses wunderbare Sakrament reinigt der Herr deine Seele und erfüllt dich mit Freude und Kraft, damit du im Kampf nicht müde wirst und immer wieder zu Gott heimkehrst, mag dir auch alles finster erscheinen. Außerdem beschützt dich die Mutter Gottes, die auch unsere Mutter ist; ihre mütterliche Sorge gibt deinen Schritten Halt.

Mischt euch oft unter die Gestalten des Neuen Testaments. Nehmt voller Glück jene ergreifenden Episoden vom göttlichen und menschlichen Handeln und Sprechen des Meisters in euch auf, wenn Er die wunderbaren Parabeln von der Vergebung und von der ständig bleibenden Liebe zu seinen Kindern erzählt. Auch heute ahnen wir in der ständigen Aktualität des Evangeliums etwas vom Himmel: Es wird vernehmbar, spürbar, ja mit Händen greifbar, daß Gott uns beschützt; und dieser göttliche Schutz wird immer deutlicher, je mehr wir trotz unseres Stolperns voranschreiten, beginnen und immer wieder beginnen - denn darin besteht das innere Leben, das sich aus der Hoffnung auf Gott nährt.

Ohne den echten Eifer, die inneren und äußeren Hindernisse überwinden zu wollen, wird uns der Siegeskranz nicht zuteil. Wer im Ringkampf auftritt, erhält nur dann den Siegeskranz, wenn er ordnungsgemäß kämpft (2 Tim 2,5). Der Kampf wäre nicht ordnungsgemäß, wenn es keinen Gegner gäbe, gegen den man antritt. Wenn es daher keinen Gegner gibt, gibt es keinen Kranz, denn wo kein Besiegter ist, kann es keinen Sieger geben (Gregor von Nyssa, De perfecta christiani forma, (PG 46, 286]).

Die Widerwärtigkeiten nehmen uns also nicht den Mut, sondern sie spornen uns an, als Christen zu wachsen: Der Kampf heiligt uns und macht unsere apostolische Arbeit wirksamer. Wenn wir betrachten, wie Jesus Christus, zuerst im Ölgarten und dann in der schmachvollen Verlassenheit des Kreuzes, den Willen des Vaters annimmt und liebt, während das ungeheuerliche Gewicht der Passion auf Ihm lastet, dann wird uns deutlich, daß Ihm nachzufolgen, für einen guten Jünger auch einschließt, den Rat des Herrn ernstzunehmen: Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und so folge er mir (Mt 16,24). Darum halte ich die Bitte Herr, kein Tag ohne Kreuz! für sehr gut. Mit Hilfe der Gnade wird sich so unser Charakter festigen, und Gott wird uns gebrauchen können, trotz unseres Elends.

Verstehst du? Wenn du einen Nagel in die Wand schlägst und auf keinen Widerstand stößt, wie kannst du an ihm etwas aufhängen? Wenn wir nicht mit Gottes Beistand, durch das Opfer stärker werden, können wir niemals taugliche Werkzeuge des Herrn sein. Wenn wir uns dagegen entschließen, die Widerwärtigkeiten aus Liebe zu Gott freudig zu nutzen, wird es uns nicht schwer fallen, das Mühsame und Unangenehme, das Harte und Unbequeme mit dem Ausruf der Apostel Jakobus und Johannes hinzunehmen: Wir können es! (Mk 10,39)

Seht, wie Gott handelt: Der Sohn kehrt heim; nachdem er durch ein ausschweifendes Leben sein Geld verschleudert und - vor allem - seinen Vater vergessen hat, sagt der Vater: Schnell, bringt das beste Gewand und zieht es ihm an. Gebt ihm einen Ring an die Hand und Schuhe an die Füße. Dann holt das Mastkalb und schlachtet es. Wir wollen ein Freudenmahl halten und fröhlich sein (Lk 15,22-23). Wenn wir uns reuig an unseren Vater Gott wenden, dann macht Er aus unserem Elend Reichtum und aus unserer Schwachheit Stärke. Was wird Er uns bereiten, wenn wir Ihn nicht verlassen, wenn wir jeden Tag bei Ihm sind, wenn wir Worte der Liebe, mit Taten bekräftigt, an Ihn richten, wenn wir im Vertrauen auf seine Allmacht und Barmherzigkeit alles von Ihm erbitten? Der Sohn kehrt heim, nachdem er seinen Vater verraten hat, und schon bereitet dieser ein Festmahl: Was wird Er uns gewähren, uns, die wir immer bestrebt gewesen sind, an seiner Seite zu bleiben?

Löschen wir also in uns die Erinnerung an uns zugefügte Beleidigungen, an erlittene Demütigungen, mögen sie noch so ungerecht, ungehörig und grob gewesen sein; denn ein Kind Gottes führt nicht Buch darüber, um die ganze Liste später einmal vorzulegen. Wir dürfen das Beispiel Christi nicht vergessen, wir dürfen unseren christlichen Glauben nicht wie ein Kleidungsstück wechseln; er kann geschwächt oder gestärkt werden, und er kann auch verloren gehen. Durch das übernatürliche Leben wird der Glaube gestärkt, und die Seele erschaudert, wenn sie bedenkt, wie elend und nackt der Mensch ohne Gott dasteht. Sie vergibt dann, und sie dankt: Mein Gott, wenn ich mein armes Leben betrachte, dann finde ich keinen einzigen Grund für Eitelkeit, und erst recht nicht für Stolz; ich finde nur viele Gründe für Reue und Zerknirschung; und ich weiß sehr wohl, daß Dienen die beste Art zu herrschen ist.