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Es gibt 7 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Freiheit → wählen und sich für Gott entscheiden.

*Homilie, gehalten am 10. April 1956

Schon oft habe ich euch jene bewegende Szene vor Augen gestellt, die das Evangelium schildert: Jesus ist im Boot des Petrus; von dort aus hat Er zum Volk gesprochen. Der Anblick der Ihm folgenden Menge erschüttert das Herz unseres Herrn in dem verzehrenden Drang, Seelen zu retten, und Er will, daß nunmehr auch seine Jünger dieses Verlangen mit Ihm teilen. Er heißt sie, auf den See hinauszufahren - duc in altum! (Lk 5,4)- und befiehlt dann dem Petrus, die Netze zum Fang auszuwerfen.

Ich möchte jetzt, ohne bei den so lehrreichen Einzelheiten dieses Geschehens zu verweilen, mit euch betrachten, wie Petrus auf das Wunder des Fischfangs reagiert: Geh weg von mir, Herr,denn ich bin ein sündiger Mensch! (Lk 5,8)Eine Wahrheit, die zweifellos auf einen jeden von uns zutrifft. Und doch, ich versichere euch, daß ich im Laufe meines Lebens so viele Wunder der Gnade, gewirkt durch Menschenhand, gesehen habe, daß ich mich jeden Tag mehr gedrängt fühle auszurufen: Herr, geh nicht weg von mir, denn ohne Dich kann ich nichts Gutes tun.

Wie sehr begreife ich gerade deshalb jene Worte des heiligen Augustinus, die wie ein großes Loblied auf die Freiheit klingen: Gott, der dich ohne dich geschaffen, rettet dich nicht ohne dich (Augustinus, Sermo, 169, 13 (PL 38, 923]); denn wir alle - jeder einzelne, du und ich - haben die Möglichkeit, die schreckliche Möglichkeit, uns gegen Gott aufzulehnen, Ihn - vielleicht durch unser Verhalten - von uns abzuweisen oder zu rufen: Wir wollen nicht, daß dieser über uns Herrscher sei (Lk 19,14).

Sich für das Leben entscheiden

Voller Dankbarkeit haben wir erkannt, zu welcher Glückseligkeit wir berufen sind, und wir haben begriffen, daß alle Geschöpfe aus dem Nichts erschaffen wurden von Gott und für Gott: wir Menschen als vernunftbegabte Wesen, auch wenn wir sehr häufig den Verstand verlieren; und ebenso die vernunftlosen Geschöpfe, sie alle, die auf der Erdoberfläche wohnen, oder in der Tiefe leben oder die Lüfte durchziehen, manche hochaufsteigend, der Sonne entgegen. Aber innerhalb dieser wunderbaren Vielfalt vermögen nur wir Menschen - ich spreche hier nicht von den Engeln - uns mit dem Schöpfer in Freiheit zu vereinigen. Wir können dem Herrn die Ehre, die Ihm als dem Schöpfer der Welt zukommt, erweisen, aber wir können sie Ihm auch verweigern.

Darin besteht die Ambivalenz der menschlichen Freiheit. Der Herr lädt uns ein, ja Er drängt uns - weil Er uns innig liebt -, das Gute zu wählen. Siehe, ich lege dir heute Leben und Heil, Tod und Unheil vor! Wenn du hörst auf das Gesetz des Herrn, deines Gottes, das ich dir heute gebiete, nämlich den Herrn, deinen Gott, zu lieben, zu wandeln auf seinen Wegen, seine Gebote, Satzungen und Vorschriften zu halten, dann wirst du am Leben bleiben (…) So wähle denn das Leben, damit du lebst (Dtn 30,15-16; 19).

Frage dich jetzt - auch ich prüfe mich -, ob du fest und unerschütterlich an deinem ja zum Leben festhältst; ob du auf die liebenswerte Stimme Gottes hörst, die dich zur Heiligkeit ruft, und ihr in Freiheit folgst? Vor unseren Augen steht Jesus, wie Er in den Städten und Landstrichen Palästinas zu den Menschen spricht. Wenn du vollkommen sein willst… (Mt 19,21), sagt Er zu dem reichen Jüngling. Dieser junge Mann nahm die Einladung nicht an, und wir lesen im Evangelium, daß er traurig davonging: abiit tristis (Mt 19,22). Er verlor die Freude, weil er sich weigerte, seine Freiheit Gott hinzugeben.

Betrachten wir nun den erhabenen Augenblick, da der Erzengel Gabriel Unserer Lieben Frau den göttlichen Ratschluß verkündet. Unsere Mutter hört und fragt dann, um ganz zu verstehen, was der Herr von ihr will. Gleich darauf dann die entschiedene Antwort: fiat! (Lk 1,38) - Mir geschehe nach deinem Wort! - als die Frucht der höchsten Freiheit: der Freiheit, sich für Gott zu entscheiden.

In allen Geheimnissen unseres katholischen Glaubens schwingt dieses Loblied auf die Freiheit mit. Im freien Überfließen der Liebe bringt die Allerheiligste Dreifaltigkeit die Welt und den Menschen aus dem Nichts hervor. Das Ewige Wort steigt vom Himmel herab und nimmt Fleisch an, geprägt mit dem wunderbaren Siegel der Freiheit, sich zu unterwerfen: Siehe, ich komme, um Deinen Willen zu erfüllen, o Gott, wie in der Buchrolle geschrieben steht (Hebr 10,7). Zu der von Gott bestimmten Stunde, in der die Menschheit von der Knechtschaft der Sünde erlöst werden soll, bejaht Jesus in Gethsemani - unter Leiden, das seinen Schweiß in Blut (Vgl. Lk 22,44) verwandelt -, freiwillig sich hingebend, das Opfer, das der Vater will: wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird und das vor seinen Scherern verstummt (Jes 53,7). So hatte Er es den Seinen in einem jener Gespräche angekündigt, in denen Er sein Herz ausschüttete, damit alle, die Ihn lieben, erkennen, daß Er allein der Weg ist, der zum Vater führt: Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Ich habe Macht, es hinzugeben, und habe Macht, es wieder zu nehmen (Joh 10,17-18).

Wenn aber Knechtschaft gegen Knechtschaft steht - denn Dienen, ob wir es wollen oder nicht, gehört zur Eigenart des Menschen -, dann gibt es keine bessere Wahl, als sich aus Liebe in die göttliche Knechtschaft zu geben. In demselben Augenblick, da wir das tun, ändert sich unsere Stellung, und wir werden aus Sklaven zu Freunden und Kindern. Hier liegt der Unterschied: Wir widmen uns allen guten weltlichen Anliegen mit dem gleichen Einsatz und Eifer wie die anderen, aber die Seele ist dabei erfüllt von tiefem Frieden, von Freude und Gelassenheit - auch inmitten der Widerwärtigkeiten; denn nicht das Vergängliche, sondern das Ewig-Bleibende trägt uns: Wir sind nicht Kinder der Magd, sondern der Freien (Gal 4,31).

Woher kommt diese Freiheit? Von Christus, unserem Herrn. Es ist die Freiheit, mit der Er uns erlöst hat (Vgl. Gal 4,31). Deshalb lehrt Er: Wenn euch der Sohn frei macht, werdet ihr wahrhaft frei sein (Joh 8,36). Wir Christen brauchen nicht nach Erklärungen für den wahren Sinn dieses Geschenkes zu suchen, denn die einzige Freiheit, die den Menschen erlöst, ist die von Christus uns erworbene.

Ich pflege gern vom Abenteuer unserer Freiheit zu sprechen, denn genau das ist euer und mein Leben. In Freiheit - als Kinder, ich wiederhole es, nicht als Sklaven - folgen wir dem Weg, den der Herr einem jeden von uns gezeigt hat. Wir gehen ihn froh und gelassen und genießen ihn als Geschenk Gottes.

In Freiheit, ohne Zwang, entscheide ich mich für Gott: weil ich es so will, und ich entscheide mich dafür, zu dienen und mein Dasein in Hingabe an die anderen zu verwandeln - aus Liebe zu meinem Herrn, zu Jesus Christus. Dann darf ich kraft dieser Freiheit behaupten, daß nichts auf dieser Erde mich trennen wird von der Liebe Christi (Vgl. Röm 8,39).

Als der Hausvater in jenem Gleichnis vom Gastmahl erfährt, daß einige, die zum Fest hätten kommen sollen, sich mit Ausreden entschuldigt haben, befiehlt er seinem Knecht: Geh hinaus an die Wege und Zäune und nötige hereinzukommen - compelle intrare -, die du findest (Lk 14,23). Also doch Zwang? Wird hier nicht der legitimen Freiheit der Gewissen Gewalt angetan?

Wenn wir das Evangelium betrachten und uns in die Lehre Jesu vertiefen, wird uns aufgehen, daß diese Anordnung nicht mit Zwang verwechselt werden darf. Denn Christus deutet immer nur an: Wenn du vollkommen sein willst…, wenn einer mir nachfolgen will… Dieses compelle intrare, dränge hereinzukommen, meint nicht physischen oder moralischen Zwang, sondern den mitreißenden Schwung des christlichen Beispiels, das wirksam ist wie die Kraft Gottes: Seht, wie der Vater an sich zieht: Er erfreut durch seine Lehre, Er auferlegt keine Notwendigkeit. So zieht Er an sich (Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus, 26, 7 (PL 35, 1610]).

In einem solchen Klima der Freiheit versteht man, daß schlechtes Handeln nicht befreit, sondern versklavt. Wer gegen Gott sündigt, bewahrt die Freiheit, insofern sie Freisein von Zwang bedeutet, aber er hat sie verloren, insoweit sie Freiheit ist von Schuld (Thomas von Aquin, Ebd.). Er wird vielleicht sagen können, er sei seinen Neigungen gefolgt, doch von wahrer Freiheit kann nicht die Rede sein. Denn er ist zum Sklaven seiner Entscheidung geworden, der schlimmsten aller Entscheidungen: sich von Gott zu entfernen; doch das ist keine Freiheit.

Ich wiederhole es: Ich erkenne keine andere Knechtschaft an als die der Liebe zu Gott. Und zwar deshalb, weil die Religion, wie ich euch bei anderen Gelegenheiten schon gesagt habe, die größte Rebellion des Menschen ist, der nicht wie ein Tier leben will und der sich deshalb nicht zufrieden gibt, der keine Ruhe findet, bis er seinem Schöpfer begegnet und Ihn kennt. Ich möchte, daß ihr solche Rebellen seid, frei von Fesseln, denn ich möchte - mehr: Christus will es -, daß ihr Kinder Gottes seid. Sklaverei oder Gotteskindschaft - das ist die Alternative unseres Lebens. Entweder Kinder Gottes oder Sklaven des Stolzes, der Sinnlichkeit, des angsterfüllten Egoismus, in dem sich offenbar so viele Seelen verfangen haben.

Die Liebe Gottes weist den Weg der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Guten. Wenn wir uns dazu entschließen, dem Herrn zu antworten: Meine Freiheit für Dich! dann sind wir von allen Ketten befreit, die uns an bedeutungslose Dinge gefesselt hielten, an lächerliche Sorgen, an niedrige Ambitionen. Und die Freiheit - ein unermeßlicher Schatz, eine kostbare Perle, die man nicht den Säuen vorwerfen soll (Vgl. Mt 7,6) - dient allein dazu, das Gute zu tun (Vgl. Is 1,17).

Das ist die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Christen, die beim Anblick der Zügellosigkeit der Gottesverächter sich ängstlich oder neidvoll zurückziehen, haben einen erbärmlichen Begriff von unserem Glauben. Wenn wir wirklich das Gesetz Christi erfüllen - wenn wir uns darum bemühen, es zu erfüllen, denn nicht immer wird es uns gelingen -, werden wir in uns eine solche Sicherheit des Geistes entdecken, daß wir es nicht nötig haben, woanders nach dem Sinn der vollen Würde des Menschen zu suchen.

Unser Glaube ist weder Last noch Enge. Welch armselige Auffassung von der christlichen Wahrheit hätte der, wer ihn so empfände! Wenn wir uns für Gott entscheiden, verlieren wir nichts und gewinnen alles. Wer um den Preis seiner Seele sein Leben bewahrt, wird es verlieren; und wer sein Leben um meiner Liebe willen verliert, wird es finden (Mt 10,39).

Wir haben das große Los gezogen, den ersten Preis gewonnen. Sollten wir diese Klarheit jemals verlieren, dann müßten wir uns im Innern unserer Seele prüfen. Vielleicht stoßen wir dann auf schwächlichen Glauben, auf zu wenig persönlichen Umgang mit Gott, auf zu wenig Gebetsleben. Wir müssen den Herrn bitten - durch seine und unsere Mutter -, Er möge unsere Liebe vermehren, Er möge uns seine beseligende Gegenwart erfahren lassen; denn nur wenn man liebt, gelangt man zur vollen Freiheit - zu einer Freiheit, die niemals, in alle Ewigkeit nicht, den Gegenstand ihrer Liebe verlassen will.

Ich werde euch befreien aus der Gefangenschaft, wo auch immer ihr seid (Jer 29,14). Das Gebet befreit uns von der Knechtschaft. Wir wissen uns frei, die Seele schwingt sich in einem Hochgesang liebender Vereinigung zu Gott empor und sie will sich nicht mehr von Ihm trennen. Es ist eine ganz neue Weise, durchs Leben zu gehen, auf göttliche, übernatürliche, wunderbare Art. Angeregt durch so manchen spanischen Klassiker des sechzehnten Jahrhunderts werden wir dann vielleicht selber die Worte auszukosten begehren: Ich lebe, weil nicht ich lebe, es ist Christus, der in mir lebt! (Vgl. Gal 2,20)

Voller Freude sieht man ein, daß es nötig ist, viele Jahre hindurch auf dieser Welt zu arbeiten, denn Jesus hat in ihr wenige Freunde. Wir wollen der Verpflichtung nicht aus dem Wege gehen, so zu leben, daß wir uns im Dienst an Gott und an der Kirche - bis zur letzten Faser unserer Kräfte - verausgaben, und zwar in Freiheit: in libertatem gloriae filiorum Dei (Röm 8,21), qua libertate Christus nos liberavit (Gal 4,31), mit der Freiheit der Gotteskinder, die Christus für uns dadurch erkauft hat, daß Er am Holz des Kreuzes gestorben ist.