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Es gibt 2 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Welt.

*Homilie, gehalten am 9. Januar 1956

In diesem gemeinsamen Gespräch mit Gott, unserem Vater, ist das, was ich euch sage, gleichzeitig mein persönliches Gebet, das ich laut spreche; daran erinnere ich oft und gern. Denn auch ihr sollt bestrebt sein, aus dieser Zeit ein innerliches Gebet zu machen, selbst wenn einmal - wie zum Beispiel heute - besondere Umstände uns auf ein Thema festlegen, das auf den ersten Blick für einen Dialog der Liebe - denn das ist unser Gespräch mit dem Herrn - kaum geeignet erscheint. Ich sage auf den ersten Blick: denn eigentlich alles, was in uns und um uns geschieht, kann und soll Thema unseres Gebetes sein.

Heute also möchte ich über die Zeit sprechen, über die Zeit, die verrinnt. Lassen wir den Gemeinplatz beiseite, ein Jahr mehr sei ein Jahr weniger… Fragen wir auch nicht danach, was die Leute über die Vergänglichkeit der Zeit denken, denn wahrscheinlich würdet ihr nur Antworten wie die folgenden Verse hören: Jugend, du himmlischerSchatz, du gehst dahin und nie kehrst du zurück… Nun, auszuschließen ist es nicht, daß ihr auch manch andere Überlegung mit mehr Gespür für das Übernatürliche hörtet.

Ich habe auch nicht vor, mich in wehmütige Gedanken über die Kürze der Zeit zu verlieren. Uns Christen sollte die Flüchtigkeit des Irdischen zu einer besseren Ausnützung unserer Zeit anspornen, auf keinen Fall aber in Furcht vor unserem Herrn versetzen und schon gar nicht den Tod als ein schlimmes Ende auffassen lassen. Denn dank der Gnade und Barmherzigkeit Gottes dürfen wir sagen - und wie oft ist es schon mehr oder weniger poetisch gesagt worden -, daß jedes Jahr, das vergeht, uns dem Himmel, unserer endgültigen Heimat, einen Schritt näherbringt.

Wenn ich daran denke, begreife ich sehr gut die Mahnung des Apostels Paulus an die Korinther: Tempus breve est! (1 Kor 7,29)Wie kurz ist die Dauer unseres irdischen Weges! Im Herzen eines Christen, der es ganz ernst meint, hallen diese Worte wie ein Vorwurf wider, weil er oft so wenig großzügig ist, aber auch wie eine ständige Ermunterung, treu zu bleiben. Ja wirklich, die Zeit ist kurz, in der wir lieben, uns hingeben und sühnen können. Deshalb wäre es unrecht, sie zu vergeuden und einen solchen Schatz in unverantwortlicher Weise zum Fenster hinauszuwerfen.

Die Lesung der heutigen Tagesmesse zeigt uns Daniel, von hungrigen Löwen umgeben. Ich bin kein Pessimist, mir behagt die Rede von der guten alten Zeit nicht, denn jede Zeit hat ihr Gutes und Schlechtes, aber ich mußte daran denken, daß es auch in unserer Zeit viele umherschweifende Löwen gibt und daß wir in diesem Milieu leben müssen. Es sind Löwen, die suchen, wen sie verschlingen können: tamquam leo rugiens circuit quaerens quem devoret (1 Petr 5,8).

Wie können wir den Raubtieren entkommen? Bei uns wird es wohl nicht so wie bei Daniel sein. Ich bin nicht wundersüchtig, aber ich finde die verschwenderische Größe Gottes wunderbar: es wäre ein leichtes gewesen, den Hunger des Propheten zu stillen oder ihm eine Speise vorzusetzen, aber so verfuhr Gott nicht. Er ließ vielmehr einen anderen Propheten, Habakuk, auf wunderbare Weise aus Judäa dorthin versetzt, Daniel die Speise bringen. Gott wollte ein großes Wunder wirken, weil Daniel nicht aus irgendeinem nichtigen Grund in die Löwengrube geraten war, sondern durch die Ungerechtigkeit teuflischer Spießgesellen, die in ihm den Gottesdiener und Götzenzerstörer treffen wollten.

Auch wir haben Götzen zu zerstören, aber nicht mit auffallenden Wundertaten, sondern durch einen gewöhnlichen, christlich gelebten Alltag, mit einer Saat des Friedens und der Freude: die Götzen des Unverstandes, der Ungerechtigkeit, der Unwissenheit und der Scheinautonomie des Menschen, der voller Anmaßung Gott verachtet.

Habt keine Angst, fürchtet kein Unheil, auch wenn die Umstände, unter denen ihr arbeiten müßt, widerwärtig sind, schlimmer vielleicht als bei Daniel in der Grube der hungrigen Raubtiere. Der Arm Gottes ist auch jetzt so mächtig wie einst und würde, wenn nötig, Wunder vollbringen. Bleibt treu! Habt eine liebende, bewußte, freudige Treue zur Lehre Christi und seid davon überzeugt, daß unsere Zeiten nicht schlimmer als die früheren sind und daß der Herr stets derselbe bleibt.

Ich habe einen alten Priester gekannt, der lächelnd von sich sagte: Ich bin immer ruhig, ganz ruhig. So soll es auch mit uns sein: inmitten der Welt, von hungrigen Löwen umgeben, und doch voll Frieden und ruhig, in Liebe, in Glaube, in Hoffnung, und ohne je zu vergessen, daß der Herr vielfache Wunder wirken wird, wenn es nottut.

Verzeichnis der Schriftstellen
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