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Es gibt 4 Nummer in «Christus begegnen » deren Stichwort lautet Natürliche Tugenden, menschliche Tugenden  → Starkmut.

Wie jede andere Begebenheit im Leben Jesu sollten wir auch diese Jahre im verborgenen niemals betrachten, ohne uns angesprochen zu fühlen, ohne sie als das zu verstehen, was sie sind: als Ruf des Herrn, unseren Egoismus und unsere Bequemlichkeit zu überwinden. Der Herr weiß um unsere Begrenztheit, unsere Selbstsucht und unseren Ehrgeiz, Er weiß, wie schwer es uns fällt, uns selbst zu vergessen und uns für die anderen hinzugeben. Er weiß, was es heißt, keine Liebe zu finden und erfahren zu müssen, daß selbst jene, die behaupten, sie folgten Ihm, dies nur mit halbem Herzen tun. Denkt nur an jene beklemmenden Szenen im Evangelium, die uns die Apostel zeigen, wie sie noch ganz weltlichen Erwartungen und rein irdischen Vorstellungen verhaftet sind. Aber Jesus hat sie auserwählt. Er behält sie bei sich und überträgt ihnen die Sendung, die Er vom Vater empfangen hat.

Auch uns ruft Er, auch uns fragt Er, wie Er Jakobus und Johannes gefragt hat: Potestis bibere calicem, quem ego bibiturus sum? (Mt 20,22) Könnt ihr den Kelch trinken - diesen Kelch der vollkommenen Ergebenheit in den Willen des Vaters -, den ich trinken werde? Possumus! (Mt 20,22) Ja, wir können es! antworten Johannes und Jakobus. Ihr und ich, sind wir ernsthaft bereit, in allem den Willen unseres Vaters zu erfüllen? Haben wir dem Herrn das ganze Herz hingegeben? Oder kleben wir noch an uns selbst, unserem Eigennutz, unserer Bequemlichkeit, unserer Eigenliebe? Ist da noch etwas in uns, das unserem Christsein nicht entspricht, und woran liegt es, daß wir uns nicht läutern wollen? Heute haben wir Gelegenheit, dies abzulegen.

Bedenken wir zuerst, daß Jesus selbst diese Fragen stellt. Er ist es, der fragt, nicht ich. Ja, ich würde es nicht einmal wagen, solche Fragen mir selbst zu stellen. Ich setze nur mein Gebet mit lauter Stimme fort, und ihr, jeder von euch, bekennt dem Herrn in eurem Innern: Herr, wie wenig tauge ich, wie oft war ich feige! Wieviele Fehler habe ich begangen, bei dieser und jener Gelegenheit, da und dort! Und trotz allem können wir noch ausrufen: Danke, Herr, daß Du mich an der Hand gehalten hast, denn ich sehe, daß ich zu allen Gemeinheiten fähig bin. Halte mich fest - verlasse mich nicht! Paß auf mich auf wie auf ein Kind. Daß ich stark sei, mutig und standhaft. Hilf mir wie einem unbeholfenen Geschöpf, nimm mich an die Hand, Herr, und laß auch Deine Mutter mir zur Seite stehen und mich beschirmen. Wenn es so ist: possumus! dann werden wir es vermögen, Dich zum Vorbild zu nehmen.

Dieses possumus! ist nicht anmaßend. Christus zeigt uns diesen göttlichen Weg und will, daß wir uns aufmachen, denn Er hat ihn menschlich gemacht und unserer Schwäche zugänglich. Deshalb hat Er sich so sehr erniedrigt. Deshalb hat Er sich entäußert, hat Knechtsgestalt angenommen, der als Gott dem Vater gleich war. Doch nur seine Hoheit und Macht legte Er ab, nicht aber seine Güte und Barmherzigkeit (Bernhard, Sermo in die nativitatis, 1,1-2 [PL 183, 155]).

Die Güte Gottes will uns den Weg leicht machen. Weisen wir die Einladung Jesu nicht zurück, versagen wir uns Ihm nicht und stellen wir uns angesichts seines Rufes nicht taub: denn es gibt keine Ausreden, keinen Grund anzunehmen, wir könnten es nicht - Er ist uns doch mit seinem Beispiel vorangegangen. Deshalb bitte ich euch inständig, meine Brüder, laßt euch nicht vergeblich ein so wertvolles Beispiel geben, werdet vielmehr gleichförmig mit Ihm und erneuert euch in der Gesinnung eures Herzens (Bernhard, ebd 1,1).

Doch betrachten wir weiter, wie wunderbar die Sakramente sind. In der Krankensalbung, wie die Letzte Ölung jetzt heißt, erfahren wir eine liebevolle Wegbereitung für eine Reise, die im Hause des Vaters endet. In der heiligen Eucharistie schließlich - wir könnten sie das Sakrament der verschwenderischen Großzügigkeit Gottes nennen - gewährt Gott uns seine Gnade und schenkt sich uns selbst: Jesus Christus ist in der Eucharistie wirklich gegenwärtig und nicht nur während der heiligen Messe - mit seinem Leib und mit seinem Blut, mit seiner Seele und mit seiner Gottheit.

Ich denke oft an die Verantwortung, die auf den Priestern lastet, diesen göttlichen Gnadenstrom der Sakramente allen Christen zu sichern. Gottes Gnade kommt jeder Seele zu Hilfe. Jedes Geschöpf braucht seinen ganz bestimmten, persönlichen Beistand. Man kann Seelen einfach nicht in Massen abfertigen! Es hieße die Menschenwürde und die Würde der Kinder Gottes verletzen, wollte der Priester nicht auf jeden einzelnen persönlich eingehen im demütigen Wissen darum, daß er nur Werkzeug und Vermittler der Liebe Christi ist: denn jede Seele ist ein herrlicher Schatz, jeder Mensch ist einzigartig und unersetzlich, jeder Mensch ist das ganze Blut Christi wert.

Wir haben vom Kampf gesprochen. Der Kampf jedoch erfordert Training, eine richtige Ernährung und sofortige Medizin bei Krankheit, Verletzungen und Wunden. Die Sakramente, Hauptheilmittel der Kirche, sind kein Luxus. Wer willentlich auf sie verzichtet, ist nicht mehr fähig, auch nur einen Schritt vorwärts zu tun auf dem Weg der Nachfolge Christi. Wir benötigen sie wie das Atmen, wie den Blutkreislauf, wie das Licht, um jederzeit erkennen zu können, was der Herr von uns will.

Die Askese des Christen erfordert Stärke und diese Stärke findet er im Schöpfer. Wir sind das Dunkel, Er ist hellstes Licht. Wir sind die Krankheit, Er die unangreifbare Gesundheit. Wir sind die Dürftigkeit, Er ist der unendliche Reichtum. Wir sind die Schwachheit, Er ist unser Halt, quia tu es, Deus, fortitudo mea (Ps 42,2), denn immer bist Du, mein Gott, unsere Stärke. Nichts auf dieser Welt kann sich dem erlösenden und nie versiegenden Strom des Blutes Christi widersetzen. Aber menschliche Niedrigkeit kann uns den Blick für die Größe Gottes trüben. Allen Gläubigen und besonders jenen, die das Amt haben, das Volk Gottes geistlich zu leiten - ihm zu dienen -, obliegt deshalb die Verantwortung, die Quellen der Gnade nicht versiegen zu lassen und sich nicht des Kreuzes Christi zu schämen.

Die Erfahrung der Sünde darf uns daher an unserer Sendung nicht zweifeln lassen. Sicherlich können unsere Sünden es erschweren, Christus zu erkennen. Darum müssen wir gegen unsere eigenen Armseligkeiten ankämpfen und Läuterung suchen. Dieses aber in dem Bewußtsein, daß Gott uns in diesem Leben keinen endgültigen Sieg über das Böse verheißen hat, sondern von uns Kampf fordert. Sufficit tibi gratia mea (2 Kor 12,9), meine Gnade genügt dir, war die Antwort des Herrn an Paulus, der Ihn darum bat, von dem demütigenden Stachel befreit zu werden.

Die Macht Gottes offenbart sich in unserer Schwäche, und sie treibt uns an, zu kämpfen und gegen unsere Fehler anzugehen, obgleich wir wissen, daß wir auf Erden niemals einen gänzlichen Sieg erringen werden. Das christliche Leben ist ein dauerndes Beginnen und Wieder-Beginnen, eine tagtägliche Erneuerung.

Christi Auferstehung wird in uns Wirklichkeit, wenn wir zu Teilhabern seines Kreuzes und seines Todes werden. Wir müssen das Kreuz lieben, die Hingabe und die Entsagung. Christlicher Optimismus ist nicht leichtfertig und auch nicht ein bloß menschliches Vertrauen darauf, daß schon alles gut gehen wird. Er hat seine Wurzeln im Bewußtsein der Freiheit und im Glauben an die Gnade; er führt dazu, daß wir von uns selbst etwas verlangen und uns anstrengen, dem Ruf Gottes zu entsprechen.

So offenbart sich Christus nicht trotz unseres Elendes, sondern gewissermaßen durch unser Elend, durch das Leben von Menschen, die aus Fleisch und Lehm sind: Er offenbart sich in unserem Bemühen, besser zu werden, eine Liebe zu verwirklichen, die danach trachtet, rein zu sein, den Egoismus zu beherrschen und uns den anderen ganz hinzugeben, indem wir unser Leben zu einem ständigen Dienst werden lassen.

Unter den Gaben des Heiligen Geistes gibt es eine, die wir Christen, so scheint mir, besonders nötig haben: die Gabe der Weisheit, die, da sie uns Gott kennen und kosten läßt, uns ermöglicht, in Wahrheit die Situationen und Geschehnisse unseres Lebens zu beurteilen. Wenn wir mit unserem Glauben konsequent wären, würde ein Blick in die Geschichte und in die Welt um uns in unseren Herzen unweigerlich die Gefühle hervorrufen, die das Herz Christi bewegten: Als Er die Volksscharen sah, wurde Er von Mitleid mit ihnen ergriffen, denn sie waren erschöpft und hingestreckt wie Schafe, die keine Hirten haben (Mt 9,36).

Der Christ sieht all das Gute, das es in der Menschheit gibt, er unterschätzt die lautere Freude nicht, er stellt sich nicht abseits vom irdischen Streben. Ja, er empfindet all dies im Innersten seiner Seele, er teilt und erlebt es mit besonderem Einfühlungsvermögen, denn keiner kennt wie er die Tiefen des menschlichen Geistes.

Der christliche Glaube verengt nicht den Geist, er beschneidet seine Impulse nicht, sondern steigert sie, da er ihren wahren und ursprünglichen Sinn enthüllt: Wir sind nicht zu irgendeiner Glückseligkeit bestimmt, sondern wir sind gerufen worden in das Innenleben Gottes hinein, um Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist zu erkennen und zu lieben, und im dreieinigen Gott alle Engel und alle Menschen.

Hier liegt die erstaunliche Kühnheit des christlichen Glaubens: Er verkündet den Wert und die Würde der menschlichen Natur und versichert, daß wir durch die Gnade, die uns zum Übernatürlichen erhebt, erschaffen wurden, um zur Würde der Kinder Gottes zu gelangen. Wahrhaftig eine unglaubliche Kühnheit, wäre sie nicht begründet im Heilsplan Gottes des Vaters, besiegelt durch das Blut Christi und bekräftigt und ermöglicht durch das ständige Wirken des Heiligen Geistes.

Wir müssen aus dem Glauben leben und in den Glauben hineinwachsen, so daß von einem jeden von uns, von jedem einzelnen Christen, das gesagt werden kann, was einer der großen Lehrer der Ostkirche geschrieben hat: So wie die durchsichtigen und lichten Körper strahlen und glänzen, wenn sie die Strahlen des Lichts empfangen, so werden die Seelen, die vom Heiligen Geist angeleitet und erleuchtet werden, selbst vergeistigt und können den anderen das Licht der Gnade bringen. Vom Heiligen Geist stammt die Erkenntnis der künftigen Dinge, das Verständnis der Geheimnisse, die Erfassung verborgener Wahrheiten, die Austeilung der Gaben, die himmlische Bürgerschaft, das Gespräch mit den Engeln. Von Ihm stammt die nie endende Freude, die Beharrlichkeit in Gott, die Gleichförmigkeit mit Gott - und das ist das Erhabenste, was man denken kann - das Gott-Werden (Basilius, De Spiritu Sancto, 9, 23 [PG 32, 110]).

Das Wissen um die Erhabenheit der menschlichen Würde - ins Unaussagbare gesteigert durch das Verfaßtwerden als Kinder Gottes aus Gnade - und die Demut bilden im Christen ein Ganzes, da das Heil und das Leben nicht aus unserer Kraft kommen, sondern aus dem göttlichen Gefallen. Diese Wahrheit darf nicht vergessen werden, denn sonst würde die Vergöttlichung entarten und zur Anmaßung, zum Hochmut und - früher oder später - zum geistigen Zusammenbruch führen angesichts der Erfahrung der eigenen Erbärmlichkeit und Schwäche.

Darf ich zu sagen wagen: Ich bin heilig? fragt der heilige Augustinus. Wenn ich das "heilig" im Sinne von "heiligmachend" und keines anderen Heiligmachers bedürftig nenne, dann wäre ich ein Prahler und Lügner, wenn aber "heilig" im Sinne von "geheiligt" genommen wird, gemäß den Worten des Buches Leviticus: Seid heilig, weil ich, Gott, heilig bin; dann sage voll Kühnheit auch der Leib Christi - bis zum letzten Menschen an den Enden der Erde - mit seinem Haupt und unter seinem Haupt: Ich bin heilig (Augustinus, Enarrationes in psalmos, 85, 4 [PL 37, 1084]).

Liebt die dritte Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit; hört im Tiefsten eurer Seele auf die göttlichen Eingebungen - Anregungen wie Vorwürfe; geht auf den Wegen der Erde mit dem Licht, das auf eure Seele fiel; und der Gott der Hoffnung wird uns mit allem Frieden erfüllen, auf daß wir überreich sind an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes (Vgl. Röm 15,13).

Verzeichnis der Schriftstellen
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