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Es gibt 4 Nummer in «Christus begegnen » deren Stichwort lautet Kirche → Maria und die Kirche.

*Homilie, gehalten am 4. Mai 1957

Ein Blick auf die Welt, auf das Volk Gottes (Vgl. 1 Petr 2,10) in diesem Monat Mai, der jetzt beginnt, genügt, und wir werden das Schauspiel der Andacht zu Maria gewahr, das in zahllosen Bräuchen seinen Ausdruck findet. Sie alle - alt oder neu - spiegeln dieselbe Liebe zur Gottesmutter wider.

Es macht Freude zu sehen, daß die Andacht zu Maria stets lebendig ist und die Herzen der Gläubigen anspornt, als domestici Dei zu handeln, als Glieder derselben Familie Gottes (Eph 2,19).

Auch ihr werdet euch dabei sicherlich mehr zur Kirche gehörig fühlen, mehr als Brüder all eurer Brüder, die in diesen Tagen in vielfältiger Weise ihrer Zuneigung zu Maria Ausdruck geben.

Wie bei einem Familienfest finden sich die älteren Brüder, die durch die Umstände des Lebens voneinander getrennt wurden, wieder bei ihrer Mutter ein. Und wenn sie auch hin und wieder Streit hatten und einander unfreundlich behandelten: an diesem Tag fühlen sie sich einig, an diesem Tag finden sie zueinander in gegenseitiger Zuneigung.

Maria hört nicht auf, die Kirche zu festigen und zu einen. Es ist kaum möglich, die Gottesmutter wirklich zu verehren, ohne sich den übrigen Gliedern des mystischen Leibes enger verbunden zu fühlen, enger verbunden auch mit dem sichtbaren Haupt dieses Leibes, dem Papst. Deshalb wiederhole ich gern: omnes cum Petro ad Iesum per Mariam, alle mit Petrus zu Jesus durch Maria! Und indem wir uns als Glieder der Kirche wissen und uns als Brüder im Glauben fühlen, begreifen wir die Brüderlichkeit tiefer, die uns mit der ganzen Menschheit verbindet, denn die Kirche wurde durch Christus zu allen Menschen und zu allen Völkern gesandt (Vgl. Mt 28,19).

All dies hat jeder von uns bereits an sich selbst erfahren, und wir konnten oft genug die übernatürliche Wirkung einer echten Andacht zu Maria feststellen. Jeder von uns wüßte vieles zu erzählen. So erinnere ich mich an eine Wallfahrt, die ich 1933 zu einer Muttergotteskapelle in Kastilien machte: nach Sonsoles.

Es war keine Wallfahrt im gewohnten Stil. Wir gingen nur zu dritt. Ich respektiere und schätze jene öffentlichen Erweise der Frömmigkeit, aber ich ziehe es vor, Maria durch persönliche Besuche oder in kleinen Gruppen dieselbe Liebe und Begeisterung zu erweisen - in der Stille und Abgeschiedenheit persönlicher Hingabe.

Bei dieser Wallfahrt nach Sonsoles erfuhr ich, warum dort die Jungfrau unter diesem Namen verehrt wird. Ein unbedeutendes Detail vielleicht, aber ein Beweis für die kindliche Liebe der Menschen jener Gegend. Das Muttergottesbild, das in Sonsoles verehrt wird, wurde während der Kämpfe zwischen Christen und Mohammedanern eine Zeitlang in Spanien versteckt gehalten. Als einige Hirten Jahre später, wie die Überlieferung erzählt, das Standbild wiederfanden, riefen sie aus: Was für wunderbare Augen! Wie Sonnen! - Son soles!

Die Texte der Heiligen Schrift, in denen von Maria die Rede ist, zeigen uns sehr deutlich, wie die Mutter Jesu ihren Sohn ständig begleitet, wie sie sich mit Ihm als dem Erlöser zu verbinden weiß, wie sie sich mit Ihm freut und mit Ihm leidet, wie sie jene liebt, die auch Jesus liebt, und wie sie sich mit mütterlicher Sorgfalt um jene kümmert, die den Herrn begleiten.

Denken wir nur an die Hochzeit zu Kana. Unter den zahlreichen Gästen einer jener lauten Bauernhochzeiten, an der Leute aus mehreren Dörfern teilnehmen, bemerkt Maria als einzige, daß der Wein ausgeht (Vgl. Joh 2,3), und sie bemerkt es sofort. Wie vertraut kommen uns die Ereignisse im Leben Christi vor! Die Größe Gottes ist mitten im Alltäglichen zugegen, mitten im Gewöhnlichen. Es paßt zu einer Frau, und besonders zu einer umsichtigen Hausfrau, zu bemerken, wenn etwas fehlt, auf jene Kleinigkeiten zu achten, die das menschliche Leben angenehm machen. Und genau das finden wir bei Maria.

Außerdem ist es gerade der heilige Johannes, der uns diese Szene in Kana überliefert. Er ist der einzige Evangelist, der diesen Zug mütterlicher Sorgfalt festgehalten hat. Johannes möchte uns zeigen, daß Maria zugegen war, als der Herr sein öffentliches Wirken begann. Dies beweist uns, daß er die tiefe Bedeutung der Anwesenheit Mariens erfaßt hat. Jesus wußte, wem Er seine Mutter anvertraute: einem Jünger, der sie liebte, der gelernt hatte, sie wie seine eigene Mutter zu lieben, und der fähig war, sie zu verstehen.

Versetzen wir uns nun in die Zeit nach der Himmelfahrt des Herrn, in jene Zeit der Erwartung des Pfingstfestes. Der Triumph des Auferstandenen hatte den Glauben der Jünger gefestigt, und die Verheißung des Heiligen Geistes erfüllte sie mit Sehnsucht: Sie wollen spüren, daß sie zusammengehören, und so finden wir sie cum Maria Matre Jesu, mit Maria, der Mutter Jesu, vereint (VgI. Apg 1,14). Das Gebet der Jünger begleitet das Gebet Mariens: es ist das Gebet einer eng vereinten Familie.

Diesmal ist es der heilige Lukas, der uns die Szene schildert, jener Evangelist, der am ausführlichsten über die Kindheit Jesu berichtet. Es ist, als wolle er uns zu verstehen geben, daß Maria nicht nur bei der Menschwerdung des Wortes eine erstrangige Rolle gespielt hat, sondern, daß sie ganz ähnlich auch bei den Anfängen der Kirche, die ja der Leib Christi ist, zugegen war.

Vom ersten Augenblick des Lebens der Kirche an sind alle Christen, auf der Suche nach der Liebe Gottes, auf der Suche nach jener Liebe, die in Jesus Christus Fleisch geworden ist, Maria begegnet, und sie haben, jeder anders, ihre mütterliche Sorge erfahren. Die allerseligste Jungfrau Maria nennt sich mit Recht Mutter aller Christen. Der heilige Augustinus drückt es in folgenden Worten deutlich aus: Durch ihre Liebe wirkte sie mit zur Geburt der Gläubigen in der Kirche, zur Geburt der Glieder jenes Hauptes, dessen Mutter sie dem Fleische nach tatsächlich ist (Augustinus, De sancta virginitate, 6 [PL 40, 399]).

So kann es uns nicht verwundern, daß ein uns sehr vertrautes Gebet gerade eines der ältesten Zeugnisse für die Verehrung der Mutter Gottes ist. Es handelt sich um jene jahrhundertealte Antiphon, die wir noch heute beten: Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin, verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau (Sub tuum praesidium confugimus, Sancta Dei Genitrix: nostras deprecationes ne despicias in necessitatibus, sed a periculis cunctis libera nos semper, Virgo gloriosa et benedicta).

Maria verbindet uns als Brüder

Es ist unmöglich, wie ein Kind Maria zu begegnen und dabei nur an sich selbst, nur an die eigenen Probleme zu denken. Es ist unmöglich, der Jungfrau zu begegnen und egoistische persönliche Probleme mit sich herumzutragen. Maria führt zu Jesus, primogenitus in multis fratribus, der Erstgeborene unter vielen Brüdern (Röm 8,29). Jesus kennenlernen ist daher gleichbedeutend mit der Einsicht, daß unser Leben keinen anderen Sinn haben kann als den der Hingabe im Dienst am anderen. Ein Christ darf sich nicht bloß mit seinen persönlichen Problemen beschäftigen, er muß die ganze Kirche vor Augen haben und an die Rettung aller Menschen denken.

So gesehen sind sogar jene Dinge, die man als ganz privat und persönlich ansehen könnte, wie die Sorge um das eigene innere Wachstum, in Wirklichkeit nichts Persönliches, denn Heiligung und Apostolat bilden eine Einheit. Deshalb müssen wir uns in unserem inneren Leben anstrengen und uns um die christlichen Tugenden bemühen, bedacht auf das Wohl der ganzen Kirche; denn wir können nichts Gutes tun, noch den Namen Christi verbreiten, wenn uns das aufrichtige Bestreben fehlt, die Lehre des Evangeliums in eine gelebte Wirklichkeit umzusetzen.

Von diesem Geist durchdrungen, wird unser Gebet, auch wenn es mit scheinbar persönlichen Themen und Vorsätzen beginnt, letztlich immer um die verschiedenen Möglichkeiten kreisen, den anderen zu dienen. Und wenn uns Maria an der Hand führt, wird sie dafür sorgen, daß wir uns als Brüder aller Menschen fühlen; denn wir alle sind Kinder dieses Gottes, dessen Tochter, Braut und Mutter sie ist.

Die Probleme des Nächsten müssen unsere Probleme sein. Die christliche Brüderlichkeit muß tief in unserer Seele wurzeln, kein Mensch darf uns gleichgültig sein. Maria, die Mutter Jesu, die den Herrn zur Welt brachte, die Ihn erzog, Ihn auf seinem irdischen Lebensweg begleitete und jetzt bei Ihm im Himmel ist, sie wird uns helfen, Jesus zu entdecken, Jesus, der nahe an uns vorübergeht, der in den Nöten unserer Brüder, der Menschen, gegenwärtig ist.

Lehrmeisterin der Apostel

Aber denkt nicht nur an euch selbst: weitet euer Herz, bis es die ganze Menschheit umfaßt. Denkt zuallererst an diejenigen, die in eurer Nähe sind - Verwandte, Freunde, Kollegen - und fragt euch, wie ihr in ihnen ein tieferes Gespür für die Freundschaft mit unserem Herrn wachrufen könnt. Wenn sie aufrechte, gute Menschen sind, fähig, dem Herrn besonders nahe zu folgen, so empfehlt sie ganz besonders Unserer Lieben Frau. Und betet auch für die vielen Menschen, die ihr nicht kennt, denn wir sind alle an Bord desselben Schiffes.

Seid loyal, seid großherzig. Wir sind alle Teil eines einzigen Leibes, des mystischen Leibes Christi, der heiligen Kirche, zu der viele berufen sind, die mit reinem Herzen nach der Wahrheit suchen. Aus diesem Grunde haben wir die ernste Pflicht, den anderen die Wärme und Tiefe der Liebe Christi kundzutun. Der Christ kann nicht egoistisch sein; wenn er es wäre, würde er seine ureigenste Berufung verraten. Es ist nicht im Sinne Christi, sich damit zu begnügen, die eigene Seele in Frieden zu wiegen - ein falscher Frieden wäre das - und sich nicht um das Wohl der anderen zu kümmern. Wenn wir uns dem eigentlichen Sinn des menschlichen Lebens geöffnet haben - und er ist uns ja durch den Glauben geoffenbart worden -, dann kann uns unser eigenes Bemühen, gut und christlich zu leben, nicht genügen, sondern wir werden alles tun - praktisch und konkret -, damit andere Menschen durch uns Gott näherkommen.

Es gibt ein wirkliches Hindernis für das Apostolat: eine falsche Rücksichtnahme und die Furcht, über Themen des Glaubens zu sprechen, in der Annahme, ein solches Gespräch könnte in bestimmten Kreisen schlecht ankommen, weil die Gefahr besteht, persönliche Empfindlichkeiten zu treffen. Wie oft ist dieser Einwand nur die Maske des Egoismus: Es geht nicht darum, jemanden zu verletzen, im Gegenteil, es geht darum zu dienen. Auch wenn wir persönlich nicht würdig sind, hat uns die Gnade Gottes zu Werkzeugen gemacht, die den andern helfen können, indem wir ihnen die frohe Botschaft bringen von Gott, unserem Retter, dessen Wille es ist, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (1 Tim 2,4).

Aber darf man sich auf diese Weise in das Leben der anderen einmischen? Ja, man muß es. Christus hat sich in unser Leben eingemischt, ohne uns um Erlaubnis zu bitten. Genauso tat Er es mit den ersten Jüngern: Als Er am Ufer des Sees von Galiläa entlangging, sah Er, wie Simon und Andreas, der Bruder Simons, ihre Netze in den See auswarfen. Sie waren Fischer. Jesus sprach zu ihnen: "Folget mir! Ich will euch zu Menschenfischern machen!" (Mk 1,16-17) Jeder behält die Freiheit - eine falsch verstandene Freiheit -, Gott mit einem Nein zu antworten, wie jener reiche junge Mann im Evangelium des heiligen Lukas (Vgl. Lk 18,23). Aber der Herr und wir - indem wir seinem Gehet hin und lehret (Vgl. Mk 16,15) gehorchen - haben das Recht und die Pflicht, von Gott zu reden, von diesem großen Thema der Menschen; denn die Sehnsucht nach Gott ist das Tiefste, was aus einem menschlichen Herzen hervorgeht.

Heilige Maria, Regina apostolorum, Königin aller, die sich danach sehnen, die Liebe deines Sohnes bekannt zu machen: bitte du, die so gut unsere Erbärmlichkeit versteht, um Vergebung für unser Leben: für das, was in uns hätte Glut sein können und nur Asche war; für das Licht, das nicht mehr leuchtet; für das Salz, das schal geworden ist. Mutter Gottes, du allmächtige Fürsprecherin: gib uns mit der Vergebung die Kraft eines Lebens ganz aus dem Glauben und aus der Liebe, damit wir den anderen den Glauben an Christus bringen können.