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Es gibt 3 Nummer in «Christus begegnen » deren Stichwort lautet Hingabe → Großherzigkeit.

*Homilie, gehalten am 2. Dezember 1951, 1. Adventssonntag

Das liturgische Jahr beginnt, und der Introitus der heiligen Messe fordert uns auf, eine Wirklichkeit zu bedenken, die eng mit dem Beginn unseres christlichen Lebens zusammenhängt: die Berufung, die wir empfangen haben. Vias tuas, Domine, demonstra mihi, et semitas tuas edoce me (Ps 24,4); Herr, zeige mir Deine Wege, lehre mich Deine Pfade. Wir bitten den Herrn, Er möge uns führen, Er möge uns seine Wege zeigen, damit wir zu jener Vollendung seiner Gebote gelangen, welche die Liebe ist.

Wenn ihr an die Umstände denkt, die eure Entscheidung, euch für ein echtes Leben aus dem Glauben einzusetzen, begleitet haben, dann werdet ihr - wie ich - dem Herrn sehr viel danken, in der aufrichtigen Überzeugung - ohne falsche Demut -, daß es kein eigenes Verdienst war. In der Regel lernten wir von klein auf, aus dem Mund christlicher Eltern, Gott anzurufen; später haben uns Lehrer, Kollegen, Bekannte tausendfach geholfen, Jesus Christus nicht aus den Augen zu verlieren.

Eines Tages - ich will hier nicht verallgemeinern: öffne du selbst dem Herrn dein Herz und erzähle Ihm deine eigene Geschichte - war es vielleicht ein Freund, ein gewöhnlicher Christ wie du, der dir eine tiefere Sicht erschloß, neu und doch zugleich alt wie das Evangelium. Er zeigte dir die Möglichkeit, dich ernsthaft um die Nachfolge Christi zu bemühen und Apostel von Aposteln zu sein. Vielleicht war es von diesem Augenblick an mit deiner Ruhe vorbei, und du erlangtest sie erst wieder, in Frieden verwandelt, als du freiwillig Gott mit einem Ja geantwortet hattest: weil du - und das ist ein sehr übernatürlicher Grund - es eben so wolltest. Und dann kam die Freude, jene starke und beständige Freude, die nur dann schwindet, wenn du dich von Ihm abwendest.

Ich rede nicht gern von Auserwählten und Privilegierten; aber es ist Christus selbst, der davon spricht und der auserwählt, es ist die Sprache der Heiligen Schrift: elegit nos in ipso ante mundi constitutionem (Vgl. Mt 22,37; Mk 12,30; Lk 10,27) - sagt der heilige Paulus - ut essemus sancti (Eph 1,4). Er hat uns auserwählt, schon vor Erschaffung der Welt, daß wir heilig seien. Ich weiß, daß dich dies nicht hochmütig macht, und daß du dich deswegen nicht für besser als die anderen Menschen hältst. Diese Auserwählung, die Wurzel der Berufung, soll gerade die Grundlage deiner Demut sein. Ist dem Pinsel eines großen Malers je ein Denkmal gesetzt worden? Er diente dazu, Meisterwerke zu schaffen, aber das Verdienst gehört dem Künstler. Wir Christen sind nur Werkzeuge des Schöpfers der Welt, des Erlösers aller Menschen.

Die Versuchungen Christi

Die Fastenzeit erinnert uns an die vierzig Tage, die Jesus in der Wüste als Vorbereitung auf die Jahre seines öffentlichen Wirkens verbrachte, die im Kreuz gipfeln und in der österlichen Herrlichkeit. Vierzig Tage des Gebetes und der Buße. An ihrem Ende steht jenes Ereignis, das uns heute das Evangelium der heiligen Messe vor Augen führt: die Versuchungen Christi (Vgl. Mt 4,1-11).

Eine geheimnisvolle Szene, die wir Menschen vergeblich zu verstehen suchen: Gott erlaubt dem Bösen, Ihn zu versuchen. Aber wir können uns ihr betrachtend nähern und den Herrn bitten, uns die Lehre verstehen zu lassen, die sie enthält.

Jesus Christus wird versucht. Die Überlieferung erhellt diese Szene mit der Überlegung, daß der Herr, um uns in allem Beispiel zu sein, auch die Versuchung auf sich nehmen wollte. So ist es, denn Christus war in allem Mensch wie wir, die Sünde ausgenommen (Vgl. Hebr 4,15). Nach vierzigtägigem Fasten, währenddessen er nur Kräuter, Wurzeln und etwas Wasser zu sich genommen hatte, so dürfen wir uns das wohl vorstellen, verspürt Jesus Hunger, wirklichen Hunger wie jedes andere Geschöpf. Und als der Teufel Ihm vorschlägt, Steine in Brot zu verwandeln, weist unser Herr nicht nur die Nahrung zurück, nach der sein Leib verlangt, sondern widersetzt sich einer viel größeren Versuchung: sich der göttlichen Macht zu bedienen, um sozusagen ein persönliches Problem zu lösen.

Ihr werdet es in den Evangelien bemerkt haben: Jesus wirkt keine Wunder um des eigenen Vorteils willen. Er verwandelt das Wasser in Wein für das Brautpaar in Kana (Vgl. Joh 2,1-11); die Brote und Fische vermehrt Er, um die hungrige Menge zu speisen (Vgl. Mk 6,33-46). Doch sein Brot verdient Er sich während langer Jahre mit seiner Hände Arbeit. Und später, auf seinen Wanderungen durch Israel, lebt Er von der Hilfe derer, die Ihm nachfolgen (Vgl. Mt 27,55).

Der heilige Johannes berichtet, daß Jesus, als Er nach einer langen Wegstrecke den Brunnen von Sichar erreicht hat, seine Jünger in ein Dorf schickte, um Lebensmittel zu kaufen. Als eine Samariterin kommt, bittet Er sie um Wasser, weil Er kein Schöpfgefäß hat (Vgl. Joh 4,4ff.). Sein vom langen Weg ermüdeter Körper spürt die Anstrengung. Andere Male sucht Er den Schlaf, um wieder zu Kräften zu kommen (Vgl. Lk 8,23). Hier zeigt sich die Großzügigkeit des Herrn, der sich erniedrigt und vorbehaltlos die menschliche Natur angenommen hat. Er bedient sich nicht seiner Macht als Gott, um Schwierigkeiten oder Anstrengungen zu umgehen. Er lehrt uns, genügsam zu sein, die Arbeit zu lieben und jene noble - göttliche und menschliche - Haltung zu schätzen, die alle Folgen der Hingabe auf sich nimmt.

Als der Teufel bei der zweiten Versuchung dem Herrn vorschlägt, sich von den Zinnen des Tempels hinabzustürzen, lehnt es Jesus abermals ab, sich seiner göttlichen Macht zu bedienen. Christus ist nicht aus auf Eitelkeit, Prunk oder Schauspiel, auf nichts, was seine Göttlichkeit mißbrauchen könnte für Eigendünkel oder Selbstruhm. Jesus will den Willen des Vaters erfüllen, ohne der Zeit vorzugreifen und ohne den Zeitpunkt für ein Wunder vorwegzunehmen. Vielmehr will Er Schritt für Schritt den harten Weg der Menschen gehen, den liebenswerten Weg des Kreuzes.

Ganz ähnlich die dritte Versuchung: Ihm werden Königreiche, Macht und Ehre angeboten. Der Teufel will dem menschlichen Ehrgeiz jene Stelle einräumen, die allein Gott zukommt; und so verspricht er dem ein leichtes Leben, der sich vor ihm, dem Götzen, niederwirft. Unser Herr aber richtet die Anbetung wieder auf ihr einzig wahres Ziel, auf Gott aus, und bekräftigt seinen Wunsch zu dienen: Hinweg, Satan! Es steht geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und Ihm allein dienen (Mt 4,10).

Apostel von Aposteln sein

Die Welt mit Licht erfüllen, Salz und Licht sein (Vgl. Mt 5,13-14): So hat der Herr die Sendung seiner Jünger beschrieben. Bis an die äußersten Grenzen der Erde die Frohbotschaft von der Liebe Gottes tragen. Dafür müssen wir, dafür müssen alle Christen auf die eine oder andere Weise ihr Leben einsetzen.

Mehr noch. Wir dürfen nicht allein bleiben wollen, wir müssen andere dazu anhalten, an dieser Aufgabe teilzunehmen, Freude und Frieden in die Herzen der Menschen zu tragen. In dem Maß als ihr Fortschritte macht, müßt ihr die anderen mitziehen, schreibt der heilige Gregor der Große. Habt den Wunsch, Begleiter auf diesem Weg zum Herrn mit euch zu führen (Gregor der Große, In Evangelia homiliae, 6, 6 [PL 76, 1098]).

Aber denkt daran: cum dormirent homines, als die Menschen schliefen, kam einer, wie der Herr in einem Gleichnis sagt, um Unkraut zu säen (Mt 13,25). Wir Menschen sind der Gefahr ausgesetzt, uns dem Schlaf des Egoismus und der Oberflächlichkeit zu überlassen, uns in tausend Kleinigkeiten und unnützen Dingen zu verlieren und so davon abgehalten zu werden, den wahren Sinn der irdischen Wirklichkeit zu ergründen. Eine schlimme Sache, dieser Schlaf, der dem Menschen seine Würde nimmt und ihn zum Knecht der Traurigkeit macht!

Es muß uns ganz besonders schmerzen, wenn Christen mehr geben könnten, sich aber nicht dazu entschließen; wenn Christen sich ganz schenken und alle Konsequenzen ihrer Berufung als Kinder Gottes leben könnten, aber nicht großzügig sein wollen. Das muß uns wehtun, denn die Gnade des Glaubens wurde uns nicht verliehen, damit sie verborgen bleibe, sondern damit sie vor den Menschen leuchte (VgI. Mt 5,15-16); außerdem steht dabei das zeitliche und ewige Glück derer, die so handeln, auf dem Spiel. Das christliche Leben ist ein Wunderwerk Gottes, das mit Gelassenheit und Glück belohnt wird, wenn wir die Gabe Gottes schätzen (VgI. Joh 4,10) und mit Großzügigkeit nicht sparen.

Man muß jene, die in diesen bösen Schlaf gefallen sind, aufwecken, sie daran erinnern, daß das Leben kein Spiel ist, sondern ein göttlicher Schatz, der Früchte bringen soll. Und es ist auch notwendig, allen, die guten Willens und voll bester Absichten sind, sie aber nicht in die Tat umsetzen können, den Weg dazu zu zeigen. Christus drängt uns. Jeder von euch muß nicht nur Apostel sein, sondern Apostel von Aposteln, der andere mit sich zieht, der andere mit sich reißt, damit auch sie Christus verkünden.