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Es gibt 7 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Hingabe → Großherzigkeit.

Freiheit und Hingabe

Gottes Liebe ist eine eifersüchtige Liebe. Sie gibt sich nicht mit Halbheiten zufrieden. Ungeduldig erwartet sie, daß wir uns ganz hingeben und keine dunklen Winkel in unserem Herzen zulassen, die für den Jubel und die Freude der Gnade und der übernatürlichen Gaben unerreichbar wären. Vielleicht denkt ihr: In eine solche, alles andere ausschließende Liebe einzuwilligen - heißt das nicht, die Freiheit zu verlieren?

Der Herr, der hier bei unserem Gebet zugegen ist, möge uns mit seinem Licht dazu verhelfen, daß wir den Kern unseres Themas noch deutlicher erfassen. Jeder von uns hat irgendwann einmal erfahren, daß der Dienst für unseren Herrn Jesus Christus Leid und Mühsal mit sich bringt. Dies kann nur der leugnen, der noch nicht auf Gott gestoßen ist. Doch die Seele, die wirklich liebt, weiß, daß das Leid, wenn es kommt, vorübergeht; denn bald entdeckt sie, daß dieses Leid eine leichte Bürde und ein sanftes Joch ist, da Christus es auf seine Schultern nimmt, so wie Er sich damals, als es um unser ewiges Heil ging, das Kreuz auflud (Vgl. Mt 11,30). Es gibt allerdings Menschen, die dies nicht fassen und sich gegen den Schöpfer auflehnen in einer ohnmächtigen, kurzsichtigen und freudlosen Rebellion. Blind wiederholen sie die vergebliche Klage des Psalms: Sprengen wir seine Ketten und werfen wir seine Fesseln von uns! (Ps 2,3)Sie weigern sich, heroisch schweigend und selbstverständlich, bescheiden und klaglos die harte Aufgabe eines jeden Tages zu erfüllen. Sie begreifen nicht, daß der göttliche Wille mag er auch manchmal schmerzen - mit der Freiheit der göttlichen Ratschlüsse genau übereinstimmt.

Es sind Menschen, die ihre Freiheit als Barrikaden errichten: "Meine Freiheit, meine Freiheit!" Sie besitzen die Freiheit, aber sie machen keinen Gebrauch von ihr. Sie bestaunen sie mit ihrem beschränkten Verstand und handhaben sie wie ein Götzenbild. Das soll Freiheit sein? Was haben sie von diesem Reichtum ohne eine ernsthafte Bindung, die ihrem Leben seine Richtung gibt? Ein solches Verhalten widerspricht der eigentlichen Würde der menschlichen Person; denn es fehlt der gerade Weg, der ihrem Gang Grund und Richtung gibt. Diese Menschen - ihr seid ihnen schon ebenso begegnet wie ich - werden sich leicht von kindischer Eitelkeit, von egoistischer Einbildung oder von der Sinnlichkeit mitreißen lassen.

Ihre Freiheit erweist sich als unfruchtbar oder sie bringt, schon rein menschlich gesehen, nur kümmerliche Früchte hervor. Wer sich nicht - in aller Freiheit - für eine rechte Verhaltensnorm entscheidet, wird früher oder später von anderen manipuliert werden, wird träge dahinleben wie ein Schmarotzer, fremden Entschlüssen ausgeliefert.

Jedem Windstoß preisgegeben, werden immer andere für ihn entscheiden. Solche sind Wolken ohne Wasser, die sich vom Winde umhertreiben lassen; Bäume im Spätherbst, Frucht, zweimal verstorben, entwurzelt (Jud 12), mögen sie sich auch hinter ständigem Gerede verschanzen, um mit wohlklingenden Worten ihren Mangel an Charakter, an Mut und Ehrgefühl zu verbergen.

"Ich unterwerfe mich niemandem", so wiederholen sie in einem fort. Wirklich niemandem? Von allen Seiten wird solch illusorische Freiheit, die sich das Risiko für eigenes verantwortliches Handeln ersparen möchte, gegängelt. Wo es keine Liebe zu Gott gibt, verliert die Ausübung der eigenverantwortlichen Freiheit ihr Fundament. Auch wenn es anders aussehen mag, wird da alles zum Zwang. Der Unentschlossene, der Zauderer ist wie formbares Material, über welches die jeweiligen Umstände bestimmen. Der Erstbeste knetet es nach Belieben. Allem voran aber bemächtigen sich seiner die Leidenschaften und die übelsten Neigungen der durch die Erbsünde verwundeten Natur.

Erinnert euch an das Gleichnis von den Talenten. Der Knecht, der nur eines empfangen hatte, hätte es wie seine Mitknechte richtig verwenden können, er hätte sich unter Einsatz seiner Fähigkeiten bemühen können, einen Gewinn zu erwirtschaften. Wozu aber entscheidet er sich? Er fürchtet, es zu verlieren. Das ist zwar verständlich. Doch was tut er dann? Er vergräbt es (Vgl. Mt 25,18), und es bringt keine Frucht.

Vergessen wir nicht dieses Beispiel krankhafter Angst davor, Arbeitskraft, Verstand und Willen, ja den ganzen Menschen einzubringen. Ich vergrabe das Talent, so bildet sich dieser arme Kerl ein, aber dafür bleibt meine Freiheit unangetastet. Nein. Die Freiheit hat sich hier für etwas sehr Konkretes entschieden: für die armseligste Dürre. Sie hat Partei ergriffen, denn es blieb ihr nichts anderes übrig als zu wählen - und sie hat schlecht gewählt.

Die Meinung, Hingabe und Freiheit seien unvereinbar, ist irrig. Denn die Hingabe ist ja gerade eine Folge der Freiheit. Wenn eine Mutter sich aus Liebe zu ihren Kindern aufopfert, hat sie gewählt; und an dieser Liebe wird man ihre Freiheit messen. Wenn diese Liebe groß ist, wird sich die Freiheit als fruchtbar erweisen: das Wohl der Kinder hat seine Wurzel gerade in dieser gesegneten Freiheit, die die Hingabe wählt, und erwächst aus dieser gesegneten Hingabe, die die Freiheit ist.

Aber - so könnte jemand einwenden - wenn wir das, was wir von ganzem Herzen lieben, erreicht haben, werden wir dann noch weitersuchen? Ist dann nicht unsere Freiheit dahin? Nein, dann ist sie tätiger denn je, weil die Liebe sich nicht mit stumpfem Erledigen oder lustlosem Weitermachen zufrieden gibt. Lieben heißt, jeden Tag aufs neue mit Dienen, mit Werken der Liebe zu beginnen.

Ich wiederhole es, denn ich möchte es jedem von euch wie mit Feuer ins Herz schreiben: Freiheit und Hingabe sind kein Widerspruch. Sie tragen sich gegenseitig. Die Freiheit kann man nur aus Liebe hingeben; jeder andere Verzicht auf sie ist mir unbegreiflich. Es geht dabei nicht um irgendein Wortspiel. In der frei gewählten Hingabe erneuert die Freiheit immer wieder die Liebe; und sich erneuern heißt immer jung sein, mit einem weiten Herzen, zu großen Idealen und großen Opfern fähig. Wie sehr habe ich mich gefreut, als ich zum erstenmal hörte, daß die jungen Leute auf portugiesisch os novos, "die Neuen", genannt werden, denn das sind sie. Ich erzähle euch das, weil ich schon recht viele Lebensjahre hinter mir habe; aber wenn ich an den Stufen des Altares bete zu Gott, der meine Jugend erfreut (Ps 42,4), dann fühle ich mich trotzdem sehr jung und weiß, daß ich mich niemals alt fühlen werde. Denn wenn ich meinem Gott treu bleibe, wird die Liebe immer wieder mein Leben erneuern: Wie des Adlers Jugend wird sich auch die meine erneuern (Vgl. Ps 102,5).

Aus Liebe zur Freiheit binden wir uns. Einzig und allein der Hochmut betrachtet solche Bande als bleierne Fessel. Die wahre Demut, die uns der lehrt, der sanftmütig ist und demütig von Herzen, sie zeigt uns, daß sein Joch sanft und seine Bürde leicht ist (Vgl. Mt 11,29-30). Das Joch ist die Freiheit, das Joch ist die Liebe, das Joch ist die Einheit, das Joch ist das Leben, das Er uns am Kreuz verdient hat.

Wenn aber Knechtschaft gegen Knechtschaft steht - denn Dienen, ob wir es wollen oder nicht, gehört zur Eigenart des Menschen -, dann gibt es keine bessere Wahl, als sich aus Liebe in die göttliche Knechtschaft zu geben. In demselben Augenblick, da wir das tun, ändert sich unsere Stellung, und wir werden aus Sklaven zu Freunden und Kindern. Hier liegt der Unterschied: Wir widmen uns allen guten weltlichen Anliegen mit dem gleichen Einsatz und Eifer wie die anderen, aber die Seele ist dabei erfüllt von tiefem Frieden, von Freude und Gelassenheit - auch inmitten der Widerwärtigkeiten; denn nicht das Vergängliche, sondern das Ewig-Bleibende trägt uns: Wir sind nicht Kinder der Magd, sondern der Freien (Gal 4,31).

Woher kommt diese Freiheit? Von Christus, unserem Herrn. Es ist die Freiheit, mit der Er uns erlöst hat (Vgl. Gal 4,31). Deshalb lehrt Er: Wenn euch der Sohn frei macht, werdet ihr wahrhaft frei sein (Joh 8,36). Wir Christen brauchen nicht nach Erklärungen für den wahren Sinn dieses Geschenkes zu suchen, denn die einzige Freiheit, die den Menschen erlöst, ist die von Christus uns erworbene.

Ich pflege gern vom Abenteuer unserer Freiheit zu sprechen, denn genau das ist euer und mein Leben. In Freiheit - als Kinder, ich wiederhole es, nicht als Sklaven - folgen wir dem Weg, den der Herr einem jeden von uns gezeigt hat. Wir gehen ihn froh und gelassen und genießen ihn als Geschenk Gottes.

In Freiheit, ohne Zwang, entscheide ich mich für Gott: weil ich es so will, und ich entscheide mich dafür, zu dienen und mein Dasein in Hingabe an die anderen zu verwandeln - aus Liebe zu meinem Herrn, zu Jesus Christus. Dann darf ich kraft dieser Freiheit behaupten, daß nichts auf dieser Erde mich trennen wird von der Liebe Christi (Vgl. Röm 8,39).

Ich wiederhole es: Ich erkenne keine andere Knechtschaft an als die der Liebe zu Gott. Und zwar deshalb, weil die Religion, wie ich euch bei anderen Gelegenheiten schon gesagt habe, die größte Rebellion des Menschen ist, der nicht wie ein Tier leben will und der sich deshalb nicht zufrieden gibt, der keine Ruhe findet, bis er seinem Schöpfer begegnet und Ihn kennt. Ich möchte, daß ihr solche Rebellen seid, frei von Fesseln, denn ich möchte - mehr: Christus will es -, daß ihr Kinder Gottes seid. Sklaverei oder Gotteskindschaft - das ist die Alternative unseres Lebens. Entweder Kinder Gottes oder Sklaven des Stolzes, der Sinnlichkeit, des angsterfüllten Egoismus, in dem sich offenbar so viele Seelen verfangen haben.

Die Liebe Gottes weist den Weg der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Guten. Wenn wir uns dazu entschließen, dem Herrn zu antworten: Meine Freiheit für Dich! dann sind wir von allen Ketten befreit, die uns an bedeutungslose Dinge gefesselt hielten, an lächerliche Sorgen, an niedrige Ambitionen. Und die Freiheit - ein unermeßlicher Schatz, eine kostbare Perle, die man nicht den Säuen vorwerfen soll (Vgl. Mt 7,6) - dient allein dazu, das Gute zu tun (Vgl. Is 1,17).

Das ist die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Christen, die beim Anblick der Zügellosigkeit der Gottesverächter sich ängstlich oder neidvoll zurückziehen, haben einen erbärmlichen Begriff von unserem Glauben. Wenn wir wirklich das Gesetz Christi erfüllen - wenn wir uns darum bemühen, es zu erfüllen, denn nicht immer wird es uns gelingen -, werden wir in uns eine solche Sicherheit des Geistes entdecken, daß wir es nicht nötig haben, woanders nach dem Sinn der vollen Würde des Menschen zu suchen.

Unser Glaube ist weder Last noch Enge. Welch armselige Auffassung von der christlichen Wahrheit hätte der, wer ihn so empfände! Wenn wir uns für Gott entscheiden, verlieren wir nichts und gewinnen alles. Wer um den Preis seiner Seele sein Leben bewahrt, wird es verlieren; und wer sein Leben um meiner Liebe willen verliert, wird es finden (Mt 10,39).

Wir haben das große Los gezogen, den ersten Preis gewonnen. Sollten wir diese Klarheit jemals verlieren, dann müßten wir uns im Innern unserer Seele prüfen. Vielleicht stoßen wir dann auf schwächlichen Glauben, auf zu wenig persönlichen Umgang mit Gott, auf zu wenig Gebetsleben. Wir müssen den Herrn bitten - durch seine und unsere Mutter -, Er möge unsere Liebe vermehren, Er möge uns seine beseligende Gegenwart erfahren lassen; denn nur wenn man liebt, gelangt man zur vollen Freiheit - zu einer Freiheit, die niemals, in alle Ewigkeit nicht, den Gegenstand ihrer Liebe verlassen will.

Mein, mein, mein… Denken und Reden vieler Menschen kreisen nur darum. Wie unangenehm! Der heilige Hieronymus sagt dazu, daß sich in diesen Menschen wirklich erfüllt, was geschrieben steht: "Weil sie Entschuldigungen für ihre Sünden suchen" (Ps 140,4), fügen sie zur Sünde des Stolzes noch die der Faulheit und Nachlässigkeit hinzu (Hieronymus, Commentariorum in Matthaeum libri, 4, 25 (PL 26, 195]).

Es ist der Hochmut, der ständig dieses mein, mein, mein… aufsagt - ein Laster, das aus dem Menschen ein unfruchtbares Geschöpf macht, das seine Bereitschaft hemmt, für Gott zu arbeiten, und den leichtfertigen Umgang mit der Zeit fördert. Laß deine Wirkmöglichkeiten nicht verkümmern. Lege deinen Egoismus ab! Du sagst, daß dein Leben dir gehört? Dein Leben gehört Gott, und aus Liebe zu Gott soll es allen Menschen nutzen. Grabe dein Talent aus! Ziehe Gewinn daraus. Du wirst dann voller Freude erfahren, daß es in den Geschäften Gottes gar nicht auf einen Ertrag ankommt, der die Bewunderung der Menschen findet. Wesentlich ist allein, daß wir alles hingeben, was wir sind und haben, daß wir mit Sorgfalt handeln und den Willen nicht verlieren, gute Frucht zu bringen.

Vielleicht schenkt Gott uns noch ein Jahr, damit wir Ihm dienen können. Aber denke jetzt nicht an fünf, nicht an zwei Jahre, sondern an dieses eine, das begonnen hat. Entscheiden wir uns, es hinzugeben und nicht zu vergraben.