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Es gibt 7 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Kirche → Heiligkeit, Taufberufung .

Wenn vom Laienstand die Rede ist, wird die Bedeutung der Frau und damit die Rolle, die ihr in der Kirche zukommt, oft außer acht gelassen. Ebenso pflegt man von einem "sozialen Aufstieg der Frau" nur hinsichtlich ihrer Tätigkeit im öffentlichen Leben zu sprechen. Worin sehen Sie die Aufgabe der Frau in der Kirche und in der Welt?

Für mich gibt es keinen einsichtigen Grund, weshalb man bezüglich der Frau Unterscheidungen treffen sollte, wenn vom Laienstand, von seiner apostolischen Aufgabe, seinen Rechten, seinen Pflichten usw. die Rede ist. Alle Getauften, ob sie nun Männer oder Frauen sind, besitzen ohne Unterschied die gleiche Würde, Freiheit und Verantwortung der Kinder Gottes. Wie bereits der heilige Paulus die ersten Christen lehrte, besteht in der Kirche eine radikale und grundlegende Einheit: Quicumque enim in Christo baptizati estis, Christum induistis. Non est Judaeus, neque Graecus; non est servus, neque liber; non est masculus, neque femina (GaI 3,27-28); da gilt nicht mehr Jude oder Heide, nicht mehr Knecht oder Freier, nicht mehr Mann oder Frau.

Abgesehen von der juristischen Fähigkeit zum Empfang der heiligen Weihen - hier ist meiner Meinung nach aus vielen Gründen, auch aus Motiven des positiven göttlichen Rechts, eine Unterscheidung aufrechtzuerhalten - müssen der Frau in der Gesetzgebung, im inneren Leben und apostolischen Wirken der Kirche die gleichen Rechte und Pflichten zuerkannt werden wie dem Mann: das Recht also, Apostolat auszuüben, Vereinigungen zu gründen und zu leiten, das Recht, in allem, was das Wohl der Kirche anbelangt, verantwortungsbewußt ihre Meinung zu äußern usw. Theoretisch ist das zwar alles leicht zu bejahen, wenn man die klaren theologischen Gründe betrachtet, die dafür sprechen; ich weiß jedoch, daß man damit in der Praxis bei einer gewissen Mentalität noch auf erheblichen Widerstand stößt. So erinnere ich mich noch gut an das Staunen, ja an die Kritik mancher gegenüber dem Bemühen des Opus Dei, auch den Frauen, die dem weiblichen Zweig unserer Vereinigung angehören, den Erwerb von akademischen Graden in den theologischen Fächern zu ermöglichen. Heute dagegen versucht man uns hierin wie in so vielen anderen Dingen nachzuahmen.

Meiner Ansicht nach werden diese Widerstände und dieses Zögern jedoch nach und nach verschwinden. Denn letztlich geht es nur um die Erfassung des ekklesiologischen Sachverhalts, daß die Kirche eben nicht nur aus Priestern und Ordensleuten besteht, sondern daß auch die Laien - Männer und Frauen - Volk Gottes sind und kraft göttlichen Rechts eine eigenständige Aufgabe und Verantwortlichkeit besitzen.

Jedoch möchte ich noch zu bedenken geben, daß gerade die wesenhafte Gleichheit zwischen Mann und Frau Verständnis für ihre sich gegenseitig ergänzende Rolle im Dienst an der Kirche und am Fortschritt der Gesellschaft verlangt, denn schließlich hat Gott den Menschen nicht umsonst als Mann und Frau erschaffen. Diese Verschiedenheit darf man nicht in einem patriarchalischen Sinn verstehen, sondern muß sie in ihrer ganzen Tiefe, mit all ihren Schattierungen und Konsequenzen begreifen lernen. So wird der Mann von der Versuchung befreit, der Kirche und der Gesellschaft ein rein männliches Gepräge zu geben, und die Frau vor der Gefahr bewahrt, ihre Aufgabe im Volk Gottes und in der Welt nur darin zu sehen, auf gewisse Tätigkeiten Anspruch zu erheben, die bisher dem Mann vorbehalten waren, obwohl die Frau sie ebensogut wahrnehmen kann. Mir scheint also, daß sich sowohl der Mann als auch die Frau - indem sie sich gegenseitig ergänzen - ganz zu Recht als Hauptfiguren in der Heilsgeschichte betrachten müssen.

Wie ist demnach die ekklesiale Wirklichkeit des Opus Dei in das seelsorgliche Wirken der Gesamtkirche einzuordnen? Wie steht das Opus Dei zum Ökumenismus?

Es scheint mir wichtig, hier eine Klarstellung vorauszuschicken: Es wäre falsch, das Opus Dei mit dem Entwicklungsprozeß des Standes der Vollkommenheit in der Kirche in Zusammenhang zu bringen, denn das Werk ist keineswegs eine moderne Form oder ein aggiornamento dieses Standes. Weder der theologische Begriff des status perfectionis - wie ihn der heilige Thomas, Suarez und andere Autoren in der Kirche ausgebildet haben - noch die verschiedenen juristischen Ausprägungen, die dieser theologische Begriff erfahren hat oder erfahren kann, haben irgend etwas mit der Spiritualität und der apostolischen Zielsetzung gemein, die Gott für unsere Vereinigung gewollt hat. Eine vollständige theologische Darlegung dieser Frage würde hier zu weit führen, aber es genügt, sich vor Augen zu halten, daß das Opus Dei weder an Gelübden noch an Versprechen, noch an irgendeiner anderen Form von Weihe seiner Mitglieder Interesse hat, die über jene Weihe hinausginge, welche alle Christen bereits in der Taufe empfangen haben. Unsere Vereinigung will unter keinen Umständen, daß sich der Stand ihrer Mitglieder verändert und daß sie aufhören, einfache Gläubige wie alle anderen zu sein, um dem besonderen status perfectionis anzugehören. Im Gegenteil, das Opus Dei wünscht und bemüht sich darum, daß seine Mitglieder innerhalb ihres eigenen Standes an dem konkreten Platz, den sie in der Kirche und in der Gesellschaft einnehmen, nach Heiligkeit streben und apostolisch wirksam sind. Wir holen niemanden von dort weg, wo er steht, und entfernen niemanden von seiner Arbeit, von seinem Engagement und seiner Verflechtung in die zeitliche Ordnung.

Das gesellschaftliche Phänomen, die Spiritualität und das Wirken des Opus Dei fügen sich in einen ganz anderen Bereich im Leben der Kirche ein, und zwar gehören sie in jenen Entfaltungsprozeß der Theologie und des Lebens, der die Laien immer mehr zur vollen Übernahme ihrer ekklesialen Verantwortung und ihrer spezifischen Teilnahme an der Sendung Christi und seiner Kirche führt. Darin besteht heute, wie in der ganzen, fast vierzigjährigen Geschichte des Werkes, die beständige, gelassene, aber zugleich dringende Sorge, durch die Gott in mir und in allen Mitgliedern des Werkes dem Wunsch, Ihm zu dienen, Ausdruck verleihen wollte.

Welchen Beitrag das Opus Dei zu diesem Prozeß geleistet hat? Vielleicht ist jetzt nicht der rechte geschichtliche Augenblick, um eine derart umfassende Wertung vorzunehmen. Obwohl sich das Zweite Vatikanische Konzil zu meiner großen Freude dieser Fragen ausführlich angenommen hat und obwohl zahlreiche Begriffe und Gegebenheiten im Zusammenhang mit dem Leben und der Sendung des Laien bereits durch das Lehramt ausreichend geklärt und bestätigt worden sind, bleibt trotzdem noch ein erheblicher Kern von Fragen übrig, die für die Theologie im ganzen gesehen noch echte Grenzprobleme darstellen. Was uns betrifft, so scheint uns innerhalb des Geistes, den Gott dem Opus Dei gegeben hat und dem wir trotz unserer persönlichen Unvollkommenheiten in Treue zu folgen suchen, der größte Teil dieser umstrittenen Fragen bereits in wunderbarer Art und Weise gelöst. Wir versuchen jedoch nicht, diese Lösungen als die einzig möglichen hinzustellen.

In eben diesem ekklesiologischen Entwicklungsprozeß gibt es andererseits eine ganze Reihe von Aspekten, die eine herrliche Bereicherung der christlichen Lehre darstellen und zu denen zusammen mit den wertvollen Beiträgen anderer gleichermaßen verdienter apostolischer Initiativen und Vereinigungen - nach Gottes Willen - auch das Zeugnis und das Leben des Opus Dei nicht wenig beigetragen hat. Allerdings wird wahrscheinlich noch eine geraume Zeit vergehen, bis diese neuen theologischen Erkenntnisse im Leben der Gesamtheit des Volkes Gottes Wurzel schlagen. Sie selbst haben in Ihren vorausgehenden Fragen auf einige dieser Aspekte hingewiesen: die Entwicklung einer authentischen Laienspiritualität, das Verständnis für die besonderen, nicht kirchlich-offiziellen, sondern ekklesialen Aufgaben, die dem Laien eigen sind, die Herausarbeitung der Rechte und Pflichten, die ihm in seiner spezifischen Stellung als Laie zukommen, die Beziehungen zwischen Laie und Hierarchie, die Gleichheit der Würde von Mann und Frau in der Kirche und die gegenseitige Ergänzung in ihren Aufgaben, die Notwendigkeit einer angemessenen öffentlichen Meinung innerhalb des Volkes Gottes usw.

Das alles ist noch im Fluß, und die Entwicklung ist manchmal recht paradox. Die gleiche Aussage, an der noch vor vierzig Jahren fast alle oder, besser gesagt, alle Anstoß nahmen, wird heute praktisch als normal empfunden; und dennoch haben nur sehr wenige sie wirklich ganz begriffen und bemühen sich, auch ihr alltägliches Leben danach auszurichten.

Vielleicht läßt sich das besser an einem Beispiel erläutern: Um den Mitgliedern unserer Vereinigung einige Aspekte und Konsequenzen jener besonderen Würde und Verantwortung darzulegen, die sich aus der Taufe für den Christen ergeben, schrieb ich im Jahre 1932: "Man muß mit dem Vorurteil aufräumen, die gewöhnlichen Gläubigen könnten nichts anderes tun, als dem Klerus in kirchlichen Apostolatswerken zu helfen. Es gibt keinen Grund, warum sich das Apostolat der Laien auf eine bloße Teilnahme am hierarchischen Apostolat beschränken sollte, denn ihnen selbst kommt die ureigene Pflicht zu, apostolisch wirksam zu sein; und zwar nicht, weil sie etwa eine missio canonica erhalten haben, sondern ganz einfach, weil sie Teil der Kirche sind. Diese Aufgabe verwirklichen sie in ihrem Beruf, in ihrer Arbeit, in ihrer Familie, unter ihren Kollegen und Freunden." Aufgrund der feierlich verkündeten Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils wird wahrscheinlich niemand mehr die Rechtgläubigkeit dieser Aussage in Zweifel ziehen. Aber wie viele haben denn tatsächlich bereits ihren bisherigen Begriff vom Laienapostolat revidiert und betrachten es nicht mehr als eine von oben nach unten durchorganisierte Seelsorgetätigkeit? Wer hat denn wirklich schon die alte monolithische Auffassung vom Apostolat der Laien überwunden und begriffen, daß es auch ohne streng zentralisierte Strukturen, ohne missio canonica und genaue Anweisungen der Hierarchie gehen kann und muß? Verwechseln denn alle jene, die den Laien als die longa manus Ecclesiae betrachten, nicht den Begriff der Kirche als Volk Gottes mit dem viel engeren Begriff der Hierarchie? Und wie viele Laien haben denn andererseits wirklich verstanden, daß sie kein Recht haben, ihrem legitimen Anspruch auf Unabhängigkeit im Apostolat Geltung zu verleihen, wenn sie nicht bereit sind, in feinfühliger Art und Weise die Verbundenheit mit der Hierarchie zu wahren?

Ähnliche Überlegungen ließen sich auch im Zusammenhang mit anderen Problemen anstellen; denn sowohl in der notwendigen theologischen Darstellung wie auch in der Gewissensbildung und in der Erneuerung der kirchlichen Gesetzgebung ist noch viel, sehr viel zu tun. Ich bitte den Herrn oft darum - das Gebet ist immer meine mächtigste Waffe gewesen -, daß der Heilige Geist seinem Volk und insbesondere der Hierarchie bei der Bewältigung dieser Aufgaben beisteht. Und zugleich bete ich dafür, daß sich der Herr auch weiterhin des Opus Dei bedienen möge, damit wir in allem, was uns betrifft, zu diesem schwierigen, aber zugleich wundervollen Prozeß der Entfaltung und des Wachstums in der Kirche unseren Beitrag leisten.

Könnten Sie die Hauptaufgabe und die Ziele des Opus Dei umreißen? Haben Sie sich in Ihren Vorstellungen über die Vereinigung an bestimmten Vorbildern orientiert? Oder ist das Opus Dei etwas Einzigartiges und vollständig Neues innerhalb der Kirche und des Christentums? Könnte man es mit den Orden und den Säkularinstituten vergleichen oder mit katholischen Vereinigungen wie der Holy Name Society, den Columbusrittern oder der Christophorus-Bewegung?

Das Opus Dei will bei Menschen aller Gesellschaftsschichten das Verlangen nach christlicher Vollkommenheit mitten in der Welt fördern. Es will den Menschen in der Welt - dem gewöhnlichen Menschen, dem Mann auf der Straße - helfen, ein konsequent christliches Leben zu führen, ohne daß er seine normale Lebensweise oder seine gewöhnliche Arbeit oder seine Pläne und Hoffnungen ändern müßte.

Deshalb kann man sagen, wie ich vor vielen Jahren schon einmal schrieb, daß das Opus Dei so alt und so jung ist wie das Evangelium. Es will die Christen an das herrliche Wort der Genesis erinnern, daß Gott den Menschen schuf, damit er arbeite. Uns hat das Beispiel Christi ergriffen, der fast die ganze Zeit seines irdischen Lebens als Handwerker in einem kleinen Dorf gearbeitet hat. Die Arbeit ist nicht allein einer der höchsten menschlichen Werte und das Mittel menschlicher Mitwirkung am Fortschritt der Gesellschaft, sie ist auch ein Weg der Heiligung.

Mit welchen anderen Organisationen könnten wir das Opus Dei vergleichen? Die Antwort ist nicht leicht. Wenn man nämlich Organisationen geistlicher Ausrichtung untereinander vergleichen will, so läuft man Gefahr, in Äußerlichkeiten oder in juristischen Kategorien steckenzubleiben und dabei das Wichtigste zu übersehen: den Geist, der jedem Wirken erst den Daseinsgrund und das Leben gibt.

Ich möchte lediglich sagen, daß das Opus Dei, um bei den von Ihnen genannten Organisationen zu bleiben, von den Orden und Säkularinstituten weit entfernt ist, dagegen Vereinigungen wie der Holy Name Society etwas näher kommt.

Das Opus Dei ist eine internationale Laienorganisation, zu der auch Weltpriester gehören, die allerdings eine kleine Minderheit im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitglieder bilden. Die Mitglieder des Opus Dei sind Menschen, die mitten in der Welt leben und dort ihrem Beruf nachgehen. Sie schließen sich dem Opus Dei an, nicht weil sie diese Arbeit verlassen möchten, sondern weil sie geistlichen Rückhalt suchen, um ihre gewöhnliche Arbeit heiligen zu können und sie zugleich in ein Mittel der eigenen Heiligung und in eine Hilfe für die Heiligung anderer zu verwandeln. Ihr Stand ändert sich nicht, sie bleiben ledig oder verheiratet, verwitwet oder im Priesterstande. Sie wollen vielmehr Gott und den Mitmenschen in ihrem eigenen Stande dienen. Im Opus Dei interessieren uns weder Gelübde noch Versprechen; von seinen Mitgliedern wird erwartet, daß sie sich bemühen, trotz aller menschlichen Unzulänglichkeiten und Fehler die natürlichen und christlichen Tugenden zu leben, weil sie sich als Kinder Gottes wissen.

Will man sich schon auf Vergleiche stützen, so ist das Opus Dei am ehesten zu verstehen, wenn man sich das Leben der ersten Christen vergegenwärtigt. Sie lebten ihre christliche Berufung mit uneingeschränkter Hingabe; sie suchten ernsthaft jene Vollkommenheit, zu der sie durch die einfache und erhabene Tatsache der Taufe gerufen waren. Äußerlich unterschieden sie sich nicht von den anderen Leuten. Die Mitglieder des Opus Dei sind normale Menschen, die einer normalen Arbeit nachgehen und in der Welt als das leben, was sie sind: als christliche Staatsbürger, die den Forderungen ihres Glaubens ganz entsprechen wollen.

Vor anderthalb Jahren hatte ich Gelegenheit, Ihre Antworten auf die Fragen aus einem mehr als zweitausendköpfigen Publikum in Pamplona zu hören. Damals betonten Sie, daß die katholischen Christen sich als verantwortliche und freie Bürger verhalten müssen und "nicht von ihrem Katholisch-Sein leben dürfen". Welche Bedeutung und welche Auswirkungen messen Sie diesen Gedanken bei?

Das Verhalten von Leuten, die einen Beruf daraus machen, sich katholisch zu nennen, oder auch von Leuten, die das Prinzip der persönlichen Freiheit, auf der die ganze christliche Morallehre ruht, nicht anerkennen wollen, hat mich immer peinlich berührt. Der Geist des Werkes und seiner Mitglieder besteht darin, der Kirche und allen Menschen zu dienen - und nicht darin, sich der Kirche zu bedienen. Es gefällt mir sehr, wenn der Christ Christus in seiner Haltung erweist und nicht in seinem Namen, und daß er damit ein wirkliches Zeugnis christlichen Lebens gibt. Der Klerikalismus stößt mich ab. Ich finde es verständlich, daß es neben einem üblen Antiklerikalismus auch jenen gesunden gibt, der aus der Liebe zum Priestertum erwächst und Widerstand leistet, wenn der einfache Gläubige oder der Priester eine heilige Sendung für rein irdische Ziele mißbraucht. Glauben Sie aber nicht, daß ich irgend jemand Bestimmten mit diesen Worten angreifen will. In unserem Werk gibt es nicht die Tendenz, andere beiseite zu schieben, vielmehr wünschen wir, mit allen, die für Christus arbeiten, zusammenzuwirken; mit allen, Christen und Nichtchristen, die ihr Leben als eine herrliche Gelegenheit zu dienen begreifen. Im übrigen kommt es nicht so sehr auf den Nachdruck an, den ich selbst auf solche Gedanken, speziell seit 1928, gelegt habe, sondern auf jenen, den das Lehramt der Kirche ihnen gibt. Für einen armen Priester wie mich war es eine unbeschreibliche Freude, als das Konzil vor kurzem allen Christen in der Dogmatischen Konstitution De Ecclesia ins Gedächtnis rief, daß sie sich vollgültig als Bürger der irdischen Stadt fühlen sollen, daß sie in allem menschlichen Tun mit Sachverstand und Liebe zu den Menschen arbeiten sollen, um hierbei die christliche Vollkommenheit zu suchen, zu der sie berufen sind aufgrund der einfachen Tatsache ihrer Taufe.

Das Opus Dei spielt eine wichtige Rolle im derzeitigen Entwicklungsprozeß des Laienstandes. Wir möchten Sie deshalb an erster Stelle fragen, welches nach Ihrer Meinung die wichtigsten Merkmale dieses Prozesses sind?

Es ist immer meine Auffassung gewesen, daß das Bewußtsein von der Würde der christlichen Berufung das grundlegende Merkmal im Entwicklungsprozeß des Laienstandes ist. Der Anruf Gottes, das Siegel der Taufe und die Gnade bewirken, daß jeder Christ den Glauben voll und ganz verwirklichen kann und muß. Jeder Christ muß unter den Menschen alter Christus, ipse Christus (ein anderer Christus, Christus selbst) sein. Der Heilige Vater hat es unmißverständlich ausgesprochen: "Wir müssen der Tatsache, daß wir getauft und durch dieses Sakrament dem mystischen Leibe Christi, der Kirche, eingepflanzt sind, ihre volle Bedeutung wiedergeben. (…) Das Christsein, der Empfang der Taufe, darf nicht als etwas Gleichgültiges angesehen werden, das keine besondere Beachtung verdient; es muß tief und beglückend das Bewußtsein des Getauften prägen." (Ecclesiam suam, Teil I).

Während der Messe, die Sie im vergangenen Oktober aus Anlaß der Versammlung der Freunde der Universität von Navarra in Pamplona feierten, sprachen Sie in eindrucksvollen Worten von der menschlichen Liebe. Könnten Sie uns sagen, worin Sie die wichtigsten Werte der christlichen Ehe erblicken?

Hier kommen wir auf ein Thema zu sprechen, das mir aus der langjährigen priesterlichen Arbeit in vielen Ländern wohlvertraut ist. Der größte Teil der Mitglieder des Opus Dei ist verheiratet, und für sie bilden die menschliche Liebe und die Pflichten der Ehe einen Bestandteil ihrer göttlichen Berufung. Im Opus Dei ist die Ehe zu einem göttlichen Weg, zu einer Berufung geworden, und daraus erwachsen zahllose Folgen für die persönliche Heiligung und das apostolische Wirken. Seit fast vierzig Jahren spreche ich nun vom Sinn der Ehe als Berufung; und wie oft habe ich die Augen von Männern und Frauen aufleuchten sehen, als sie mich sagen hörten, die Ehe sei ein göttlicher Weg auf Erden, während sie bisher geglaubt hatten, ein Leben der Hingabe an Gott sei mit ihrer reinen, lauteren menschlichen Liebe nicht zu vereinbaren.

Die Ehe hat den Sinn, daß die Eheleute sich in ihr und durch sie heiligen, und das von Christus eingesetzte Sakrament verleiht ihnen dazu eine ganz besondere Gnade. Wer zur Ehe berufen ist, findet mit der Gnade Gottes in diesem Stand alles Erforderliche, um heilig zu werden, um sich Tag für Tag mehr mit Christus zu vereinigen und die Menschen, mit denen er zusammenlebt, Christus näherzubringen.

Deshalb erfüllt mich der Gedanke an die christlichen Familien, die aus dem Ehesakrament erwachsen und ein herrliches Zeugnis für das große göttliche Mysterium - sacramentum magnum! (Eph 5, 32) - der Einheit und Liebe zwischen Christus und seiner Kirche sind, mit tiefer Hoffnung und Freude. Wir alle sollten darauf hinwirken, daß diese christlichen Keimzellen der Gesellschaft mit dem Verlangen nach Heiligkeit entstehen und wachsen und die Eheleute sich bewußt sind, daß ihnen, wie allen Christen, schon von Anfang an im Sakrament der Taufe ein göttlicher Auftrag verliehen wurde, den ein jeder auf dem ihm eigenen Weg erfüllen muß.

Die christlichen Eheleute müssen davon überzeugt sein, daß sie dazu berufen sind, sich zu heiligen, indem sie anderen helfen, heilig zu werden, daß sie berufen sind, Apostel zu sein, und daß die eigene Familie ihre wichtigste apostolische Aufgabe darstellt. Sie sollten die übernatürliche Bedeutung sehen lernen, die die Gründung einer Familie, die Erziehung der Kinder und der christliche Einfluß auf die Gesellschaft besitzen. Von diesem Bewußtsein des eigenen Auftrags hängt zum großen Teil die Wirksamkeit und der Erfolg ihres Lebens, mit einem Wort: ihr Glück ab.

Andererseits sollten sie niemals vergessen, daß das Geheimnis des ehelichen Glücks im Alltäglichen zu finden ist und nicht in Träumereien. Es liegt in der verborgenen Freude, die es macht, nach Hause zu kommen; es liegt im liebevollen Umgang mit den Kindern, in der alltäglichen Arbeit, bei der die ganze Familie mithilft; in der gelassenen Art, Schwierigkeiten zu begegnen und sie mit sportlicher Haltung zu überwinden; und schließlich liegt es auch in einem rechten Ausnützen der Errungenschaften, die uns die moderne Technik bietet, um die Wohnung angenehmer und das Leben einfacher zu machen und uns eine umfassendere Bildung zu verschaffen.

Ich versäume keine Gelegenheit, um denen, die Gott zur Gründung einer Familie berufen hat, zu sagen, daß sie stets versuchen sollen, sich mit der gleichen freudigen Liebe zu begegnen, die sie als Brautleute zueinander hegten. Welch armselige Auffassung von der Ehe, die doch ein Sakrament, ein Ideal und eine Berufung ist, hat derjenige, der meint, die Liebe habe aufgehört, wenn die Sorgen und Schwierigkeiten beginnen, die das Leben stets mit sich bringt. Gerade dann festigt sich die Liebe. Selbst großes Leid und große Widrigkeiten können die wirkliche Liebe nicht zum Erlöschen bringen; im Gegenteil: das gemeinsame, großzügig getragene Opfer verbindet nur noch enger. In der Heiligen Schrift lesen wir: Aquae multae - selbst viele Schwierigkeiten, physischer und moralischer Art, - non potuerunt extinguere caritatem, können die Liebe nicht auslöschen (Hl 8,7).