Nur diese Aphorismen anzeigen

Es gibt 4 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Kirche → der Heilige Geist und die Kirche.

In den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird die Kirche sehr oft als, "Volk Gottes" bezeichnet. So hat das Konzil die gemeinsame Verantwortung aller Christen für die eine und einzige Sendung innerhalb dieses Volkes Gottes hervorgehoben. Welche Merkmale sollte Ihrer Meinung nach die schon von Pius XII. erwähnte "notwendige öffentliche Meinung in der Kirche" besitzen, damit sie tatsächlich diese gemeinsame Verantwortung widerspiegelt? In welcher Weise wird das Phänomen der "öffentlichen Meinung in der Kirche" durch das besondere Verhältnis berührt, das zwischen Autorität und Gehorsam innerhalb der ekklesialen Gemeinschaft besteht?

Ohne Freiheit und Eigenverantwortung gibt es für mich keinen wahrhaft christlichen Gehorsam. Die Kinder Gottes sind keine Steine oder Kadaver, sie sind freie und vernünftige Menschen, die zur gleichen übernatürlichen Ebene emporgehoben sind wie jene, die sie leiten. Aber ohne eine ausreichende christliche Bildung wird niemand in der Lage sein, seinen Verstand und seine Freiheit in rechter Weise zu gebrauchen, um gehorchen zu können, und genau so wenig, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Deshalb scheint mir die Frage nach der "in der Kirche notwendigen öffentlichen Meinung" gleichbedeutend mit der Frage nach einer ausreichenden christlichen Bildung aller Gläubigen. Wohl teilt der Heilige Geist unter den Gliedern des Volkes Gottes, die ja alle mitverantwortlich sind für die Sendung der Kirche, den Reichtum seiner Gaben aus, aber das entbindet niemanden von der Verpflichtung, sich um eine angemessene religiöse Bildung zu bemühen.

Unter "religiöser Bildung" verstehe ich hier die ausreichende Kenntnis eines jeden Gläubigen von der gesamten Sendung der Kirche und von dem besonderen Anteil sowie der sich daraus ergebenden spezifischen Verantwortung, die dem einzelnen innerhalb dieser gesamten Sendung der Kirche zukommt. Darin besteht - so hat auch der Heilige Vater wiederholt gesagt - die gewaltige pädagogische Aufgabe, die die Kirche in der nachkonziliaren Zeit in Angriff nehmen muß. Mir scheint, daß die rechte Lösung der von Ihnen aufgeworfenen Probleme in engem Zusammenhang mit der Bewältigung dieser Bildungsaufgabe gesehen werden muß, und so ist es auch mit der Verwirklichung vieler anderer Hoffnungen, die die Kirche heute hegt. Jedenfalls wird die notwendige öffentliche Meinung innerhalb der Kirche nicht gewährleistet durch die mehr oder weniger prophetischen Intuitionen einiger Charismatiker, denen es an religiöser Bildung fehlt.

Was die Ausdrucksformen dieser öffentlichen Meinung anbelangt, so bin ich der Ansicht, daß es sich dabei nicht primär um ein Problem der Organisation oder Institutionalisierung handelt. Der Pastoralrat eines Bistums, die Spalten einer Zeitung auch wenn sie nicht offiziell katholisch ist - oder einfach der persönliche Brief eines Gläubigen an seinen Bischof können in gleicher Weise geeignete Mittel darstellen. Die legitimen Möglichkeiten und Ausdrucksweisen, in denen die Meinung der Gläubigen zu Wort kommen kann, sind vielgestaltig, und es dürfte weder möglich noch wünschenswert sein, diese Vielfalt durch die Schaffung einer neuen Institution in ein Schema zu pressen; schon deshalb nicht, weil sonst die Gefahr bestünde, daß solch eine Institution - was sehr leicht möglich wäre - zum Monopol oder Werkzeug einer kleinen Gruppe offizieller Katholiken würde, ganz gleich von welcher Tendenz oder Richtung diese Minderheit auch inspiriert wäre. Ein solcher Mißbrauch brächte das Ansehen der Hierarchie selbst unmittelbar in Gefahr und stellte eine Verhöhnung der übrigen Glieder des Volkes Gottes dar.

In eben diesem ekklesiologischen Entwicklungsprozeß gibt es andererseits eine ganze Reihe von Aspekten, die eine herrliche Bereicherung der christlichen Lehre darstellen und zu denen zusammen mit den wertvollen Beiträgen anderer gleichermaßen verdienter apostolischer Initiativen und Vereinigungen - nach Gottes Willen - auch das Zeugnis und das Leben des Opus Dei nicht wenig beigetragen hat. Allerdings wird wahrscheinlich noch eine geraume Zeit vergehen, bis diese neuen theologischen Erkenntnisse im Leben der Gesamtheit des Volkes Gottes Wurzel schlagen. Sie selbst haben in Ihren vorausgehenden Fragen auf einige dieser Aspekte hingewiesen: die Entwicklung einer authentischen Laienspiritualität, das Verständnis für die besonderen, nicht kirchlich-offiziellen, sondern ekklesialen Aufgaben, die dem Laien eigen sind, die Herausarbeitung der Rechte und Pflichten, die ihm in seiner spezifischen Stellung als Laie zukommen, die Beziehungen zwischen Laie und Hierarchie, die Gleichheit der Würde von Mann und Frau in der Kirche und die gegenseitige Ergänzung in ihren Aufgaben, die Notwendigkeit einer angemessenen öffentlichen Meinung innerhalb des Volkes Gottes usw.

Das alles ist noch im Fluß, und die Entwicklung ist manchmal recht paradox. Die gleiche Aussage, an der noch vor vierzig Jahren fast alle oder, besser gesagt, alle Anstoß nahmen, wird heute praktisch als normal empfunden; und dennoch haben nur sehr wenige sie wirklich ganz begriffen und bemühen sich, auch ihr alltägliches Leben danach auszurichten.

Vielleicht läßt sich das besser an einem Beispiel erläutern: Um den Mitgliedern unserer Vereinigung einige Aspekte und Konsequenzen jener besonderen Würde und Verantwortung darzulegen, die sich aus der Taufe für den Christen ergeben, schrieb ich im Jahre 1932: "Man muß mit dem Vorurteil aufräumen, die gewöhnlichen Gläubigen könnten nichts anderes tun, als dem Klerus in kirchlichen Apostolatswerken zu helfen. Es gibt keinen Grund, warum sich das Apostolat der Laien auf eine bloße Teilnahme am hierarchischen Apostolat beschränken sollte, denn ihnen selbst kommt die ureigene Pflicht zu, apostolisch wirksam zu sein; und zwar nicht, weil sie etwa eine missio canonica erhalten haben, sondern ganz einfach, weil sie Teil der Kirche sind. Diese Aufgabe verwirklichen sie in ihrem Beruf, in ihrer Arbeit, in ihrer Familie, unter ihren Kollegen und Freunden." Aufgrund der feierlich verkündeten Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils wird wahrscheinlich niemand mehr die Rechtgläubigkeit dieser Aussage in Zweifel ziehen. Aber wie viele haben denn tatsächlich bereits ihren bisherigen Begriff vom Laienapostolat revidiert und betrachten es nicht mehr als eine von oben nach unten durchorganisierte Seelsorgetätigkeit? Wer hat denn wirklich schon die alte monolithische Auffassung vom Apostolat der Laien überwunden und begriffen, daß es auch ohne streng zentralisierte Strukturen, ohne missio canonica und genaue Anweisungen der Hierarchie gehen kann und muß? Verwechseln denn alle jene, die den Laien als die longa manus Ecclesiae betrachten, nicht den Begriff der Kirche als Volk Gottes mit dem viel engeren Begriff der Hierarchie? Und wie viele Laien haben denn andererseits wirklich verstanden, daß sie kein Recht haben, ihrem legitimen Anspruch auf Unabhängigkeit im Apostolat Geltung zu verleihen, wenn sie nicht bereit sind, in feinfühliger Art und Weise die Verbundenheit mit der Hierarchie zu wahren?

Ähnliche Überlegungen ließen sich auch im Zusammenhang mit anderen Problemen anstellen; denn sowohl in der notwendigen theologischen Darstellung wie auch in der Gewissensbildung und in der Erneuerung der kirchlichen Gesetzgebung ist noch viel, sehr viel zu tun. Ich bitte den Herrn oft darum - das Gebet ist immer meine mächtigste Waffe gewesen -, daß der Heilige Geist seinem Volk und insbesondere der Hierarchie bei der Bewältigung dieser Aufgaben beisteht. Und zugleich bete ich dafür, daß sich der Herr auch weiterhin des Opus Dei bedienen möge, damit wir in allem, was uns betrifft, zu diesem schwierigen, aber zugleich wundervollen Prozeß der Entfaltung und des Wachstums in der Kirche unseren Beitrag leisten.

Um noch zu einem anderen Thema überzugehen: Wir würden gerne erfahren, wie Sie die augenblickliche Situation der Kirche beurteilen. Welche Bedeutung kommt Ihrer Meinung nach heutzutage jenen Tendenzen zu, die man im allgemeinen als "Progressismus" und "Integralismus" bezeichnet?

Meiner Ansicht nach kann man die augenblickliche theologische Situation in der Kirche als positiv und zugleich, wie bei jeder Wachstumskrise, als schwierig bezeichnen. Als positiv ohne Zweifel, denn der theologische Reichtum des Zweiten Vaticanum hat die gesamte Kirche, das ganze priesterliche Volk Gottes, in eine neue, höchst hoffnungsvolle Epoche geführt, in eine Zeit erneuter Treue gegenüber dem göttlichen Heilsplan, dessen Verwirklichung ihm anvertraut worden ist. Aber zugleich auch als schwierig, denn die theologischen Schlußfolgerungen, zu denen man gelangt ist, sind keineswegs abstrakt oder theoretisch; es handelt sich vielmehr um eine überaus lebendige Theologie mit unmittelbaren pastoralen, asketischen und kirchenrechtlichen Auswirkungen, die das innere und äußere Leben der christlichen Gemeinschaft in wesentlichen Punkten - Liturgie, hierarchische Strukturen, Apostolatsformen, Lehramt, Dialog mit der Welt, Ökumenismus usw. - berühren und so auch in das christliche Leben und selbst in das Gewissen des einzelnen Gläubigen hineinreichen.

Zwei Dinge müssen uns am Herzen liegen: der christliche Optimismus, das heißt die freudige Gewißheit, daß der Heilige Geist die Lehre, mit der er die Kirche beschenkt hat, in reichem Maße fruchtbar werden läßt, und zugleich die notwendige Klugheit auf Seiten der Theologen und der Hierarchie; denn gerade jetzt würde es großen Schaden anrichten, wenn Ausgeglichenheit und abgewogenes Urteil beim Studium der anstehenden Probleme fehlten.

Welche Rolle im Augenblick die Tendenzen spielen, die Sie als "Progressismus" und "Integralismus" bezeichnen, kann ich schwer sagen, denn seit jeher habe ich es für unangebracht und sogar unmöglich gehalten, Sachverhalte in derartiger Form zu vereinfachen und zu katalogisieren. Diese Einteilung, die manchmal zu wahrhaft unsinnigen Extremen führt und die man künstlich zu verewigen sucht, so als ob die Theologen, ja sogar die Gläubigen in ihrer Gesamtheit, ständig bipolar ausgerichtet sein müßten, scheint mir letztlich in der Überzeugung zu wurzeln, daß der Fortschritt in der Theologie und im Leben des Volkes Gottes einzig als Ergebnis eines dauernden dialektischen Spannungsverhältnisses zu begreifen sei. Ich meinerseits ziehe es vor, aus ganzer Seele an das Wirken des Heiligen Geistes zu glauben, der weht, wo er will und in wem er will.

In Spanien rühmt sich das Opus Dei, in allen Schichten der Bevölkerung vertreten zu sein. Gilt diese Behauptung auch für die übrige Welt, oder ist es richtig, daß in anderen Ländern die Mitglieder des Opus Dei vorwiegend aus den oberen Schichten stammen, aus den führenden Kreisen der Industrie, der Verwaltung, der Politik und der freien Berufe?

In Spanien und auf der ganzen Welt gehören dem Opus Dei Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft an: Männer, Frauen, Alte und Junge, Arbeiter und Industrielle, Beamte, Bauern, Vertreter der freien Berufe usw. Gott ist es, der ihnen die Berufung schenkt, und bei Gott gibt es kein Ansehen der Person. Aber das Opus Dei rühmt sich weder dieser Tatsache noch einer anderen. Ein apostolisches Werk wächst nicht dank menschlicher Anstrengung, sondern durch den Atem des Heiligen Geistes. In einer Vereinigung, die sich irdischen Zielen widmet, wäre es nur logisch, eindrucksvolle Statistiken über Zahl, Art und Qualifikation der Mitglieder zu veröffentlichen. Tatsächlich geschieht das bei Organisationen, die auf Prestige Wert legen. Wenn es aber um die Heiligung der Menschen geht, fördert eine solche Haltung nur den kollektiven Hochmut: Christus aber will die Demut des einzelnen und die der Gemeinschaft.