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*Homilie, gehalten am 4. April 1955 (Montag in der Karwoche]

Wir stehen am Anfang der Karwoche. Der Augenblick ist nahe, da sich auf Golgotha die Erlösung der ganzen Menschheit vollendet; eine sehr passende Zeit, so scheint mir, damit du und ich bedenken, auf welchem Weg Jesus, unser Herr, uns das Heil erlangt hat. Wir wollen seine Liebe zu uns betrachten, eine wahrhaft unsagbare Liebe zu uns armen Geschöpfen, die wir aus dem Lehm der Erde gemacht sind.

Memento, homo, quia pulvis es, et in pulverem reverteris (Ritus zur Spendung des Aschenkreuzes (Vgl. Gen 3, 19]), gedenke, Mensch, Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück. Mit diesen Worten ermahnte uns die Kirche, unsere Mutter, zu Beginn der Fastenzeit, damit wir niemals vergessen, wie armselig wir sind: unser Leib - jetzt voll Leben und Kraft - wird sich eines Tages auflösen, wie eine feine Staubwolke, die wir auf unserem Weg zurücklassen: wie ein Nebel, von den Strahlen der Sonne verscheucht (Weish 2,3).

Das Beispiel Christi

Nach diesem realistischen Hinweis auf unsere Nichtigkeit möchte ich euch eine andere, herrliche Realität vor Augen stellen: die göttliche Freigiebigkeit, die uns trägt und vergöttlicht. Hört die Worte des Apostels: Ihr kennt ja die Liebestat unseres Herrn Jesus Christus: Er, der Reiche, ist um euretwillen arm geworden, damit ihr durch seine Armut reich werdet (2 Kor 8,9). Wenn ihr innerlich gesammelt auf das Beispiel unseres Meisters blickt, werdet ihr sofort eine Fülle von Anregungen darin finden, die uns ein Leben lang zur Betrachtung und zu konkreten, aufrichtigen Vorsätzen, zu tieferer Großzügigkeit, anleiten können. Denn wir wollen das Ziel, das für uns alle gilt, nicht aus dem Auge verlieren: jeder muß mit Christus gleichförmig werden, mit diesem Christus, der - ihr habt es soeben gehört - für dich und für mich arm geworden ist und gelitten hat, um uns ein Beispiel zu hinterlassen, damit wir seinen Schritten folgen (Vgl. 1 Petr 2,21).

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