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Es gibt 4 Nummer in «Christus begegnen » deren Stichwort lautet Jesus Christus  → Umgang des Herrn mit seinen Jüngern.

Die Apostel waren gewöhnliche Menschen

Es ermutigt mich, ein ganz ähnliches Ereignis zu betrachten, dessen Hergang Schritt für Schritt auf den Seiten des Evangeliums erzählt wird: die Berufung der ersten Zwölf. Wir wollen sie langsam erwägen und dabei diese heiligen Zeugen des Herrn darum bitten, daß wir Christus nachzufolgen verstehen, wie sie es taten.

Jene ersten Apostel, die ich so sehr liebe und verehre, galten, nach menschlichen Maßstäben, recht wenig. Was ihre gesellschaftliche Stellung angeht, waren sie - mit Ausnahme von Matthäus, der sicherlich gut verdiente und dann alles verließ, als Jesus ihn dazu aufforderte - allesamt Fischer. Sie lebten von der Hand in den Mund und arbeiteten nachts für ihren Lebensunterhalt.

Die gesellschaftliche Stellung mag vielleicht am wenigsten zählen. Doch sie waren auch nicht gebildet, nicht einmal sonderlich begabt, wenigstens was die übernatürlichen Dinge betrifft. Selbst die einfachsten Beispiele und Vergleiche wollten ihnen nicht eingehen, sie wandten sich an den Meister: Domine, edissere nobis parabolam (Mt 13,36). Herr, erkläre uns das Gleichnis. Als Jesus sie einmal in bildlicher Rede vor dem Sauerteig der Pharisäer warnt, denken sie, Er tadele sie, weil sie kein Brot gekauft hätten (Vgl. Mt 16,6-7).

Arm, unwissend. Nicht einmal einfach und schlicht sind sie. Bei aller Beschränktheit sind sie obendrein voll Ehrgeiz. Oft streiten sie darüber, wer der größte von ihnen sein wird, wenn - nach ihren Vorstellungen - Christus endgültig das Reich Israel auf Erden errichtet haben wird. Sie streiten und erhitzen sich während des erhabenen Augenblicks, da Jesus im Begriff ist, sich für die Menschheit zu opfern, beim Letzten Abendmahl (Vgl. Lk 22, 24-27).

Glaube, wenig. Christus selbst sagt es ihnen (Vgl. Mt 14, 31; 16,8; 17,19; 21,21). Sie sahen Ihn Tote auferwecken, Krankheiten aller Art heilen, Brot und Fische vermehren, Stürme stillen, Teufel austreiben. Der heilige Petrus, zum Haupt ausersehen, ist der einzige, der ohne Umschweife antworten kann: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16,16). Doch er interpretiert diesen Glauben auf seine Art und erlaubt sich, Christus Vorhaltungen zu machen, damit Er sich nicht zum Heil der Menschen hingebe. Jesus muß ihm entgegentreten: Weg von mir, Satan! Du bist mir zum Ärgernis. Du hältst es nicht mit Gott, sondern mit den Menschen (Mt 16,23). Petrus - bemerkt der heilige Johannes Chrysostomus - dachte nach Menschenart und meinte, das alles - Passion und Tod - wäre Christi unwürdig, verwerflich, Darum tadelt ihn Jesus und sagt ihm; nein, Leiden ist meiner nicht unwürdig; du denkst nur so, weil du nach Menschenart urteilst, nach Art des Fleisches (Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, 54,4 [PG 58, 537]).

Zeichneten sich diese kleingläubigen Männer vielleicht durch ihre Liebe zu Christus aus? Kein Zweifel, daß sie Ihn liebten, zumindest mit Worten. Mitunter werden sie hingerissen von Begeisterung: Laßt uns mitgehen, um mit Ihm zu sterben! (Joh 11,16) Doch in der Stunde der Wahrheit fliehen alle, außer Johannes, der wirklich mit Werken liebte. Nur er, der jüngste unter den Aposteln, bleibt unter dem Kreuz. Die anderen empfanden nicht jene Liebe, die stark ist wie der Tod (Hld 8,6).

Das waren die vom Herrn erwählten Jünger; so sucht sie Christus aus; so traten sie auf, bevor sie, voll des Heiligen Geistes, zu Säulen der Kirche wurden (Vgl. Gal 2,9). Es sind gewöhnliche Menschen, mit Fehlern und Schwächen, mit Worten, die weiter als ihre Taten reichen. Und dennoch: Jesus ruft sie, um aus ihnen Menschenfischer (Mt 4,19), Miterlöser, Verwalter der Gnade Gottes zu machen.

Wie jede andere Begebenheit im Leben Jesu sollten wir auch diese Jahre im verborgenen niemals betrachten, ohne uns angesprochen zu fühlen, ohne sie als das zu verstehen, was sie sind: als Ruf des Herrn, unseren Egoismus und unsere Bequemlichkeit zu überwinden. Der Herr weiß um unsere Begrenztheit, unsere Selbstsucht und unseren Ehrgeiz, Er weiß, wie schwer es uns fällt, uns selbst zu vergessen und uns für die anderen hinzugeben. Er weiß, was es heißt, keine Liebe zu finden und erfahren zu müssen, daß selbst jene, die behaupten, sie folgten Ihm, dies nur mit halbem Herzen tun. Denkt nur an jene beklemmenden Szenen im Evangelium, die uns die Apostel zeigen, wie sie noch ganz weltlichen Erwartungen und rein irdischen Vorstellungen verhaftet sind. Aber Jesus hat sie auserwählt. Er behält sie bei sich und überträgt ihnen die Sendung, die Er vom Vater empfangen hat.

Auch uns ruft Er, auch uns fragt Er, wie Er Jakobus und Johannes gefragt hat: Potestis bibere calicem, quem ego bibiturus sum? (Mt 20,22) Könnt ihr den Kelch trinken - diesen Kelch der vollkommenen Ergebenheit in den Willen des Vaters -, den ich trinken werde? Possumus! (Mt 20,22) Ja, wir können es! antworten Johannes und Jakobus. Ihr und ich, sind wir ernsthaft bereit, in allem den Willen unseres Vaters zu erfüllen? Haben wir dem Herrn das ganze Herz hingegeben? Oder kleben wir noch an uns selbst, unserem Eigennutz, unserer Bequemlichkeit, unserer Eigenliebe? Ist da noch etwas in uns, das unserem Christsein nicht entspricht, und woran liegt es, daß wir uns nicht läutern wollen? Heute haben wir Gelegenheit, dies abzulegen.

Bedenken wir zuerst, daß Jesus selbst diese Fragen stellt. Er ist es, der fragt, nicht ich. Ja, ich würde es nicht einmal wagen, solche Fragen mir selbst zu stellen. Ich setze nur mein Gebet mit lauter Stimme fort, und ihr, jeder von euch, bekennt dem Herrn in eurem Innern: Herr, wie wenig tauge ich, wie oft war ich feige! Wieviele Fehler habe ich begangen, bei dieser und jener Gelegenheit, da und dort! Und trotz allem können wir noch ausrufen: Danke, Herr, daß Du mich an der Hand gehalten hast, denn ich sehe, daß ich zu allen Gemeinheiten fähig bin. Halte mich fest - verlasse mich nicht! Paß auf mich auf wie auf ein Kind. Daß ich stark sei, mutig und standhaft. Hilf mir wie einem unbeholfenen Geschöpf, nimm mich an die Hand, Herr, und laß auch Deine Mutter mir zur Seite stehen und mich beschirmen. Wenn es so ist: possumus! dann werden wir es vermögen, Dich zum Vorbild zu nehmen.

Dieses possumus! ist nicht anmaßend. Christus zeigt uns diesen göttlichen Weg und will, daß wir uns aufmachen, denn Er hat ihn menschlich gemacht und unserer Schwäche zugänglich. Deshalb hat Er sich so sehr erniedrigt. Deshalb hat Er sich entäußert, hat Knechtsgestalt angenommen, der als Gott dem Vater gleich war. Doch nur seine Hoheit und Macht legte Er ab, nicht aber seine Güte und Barmherzigkeit (Bernhard, Sermo in die nativitatis, 1,1-2 [PL 183, 155]).

Die Güte Gottes will uns den Weg leicht machen. Weisen wir die Einladung Jesu nicht zurück, versagen wir uns Ihm nicht und stellen wir uns angesichts seines Rufes nicht taub: denn es gibt keine Ausreden, keinen Grund anzunehmen, wir könnten es nicht - Er ist uns doch mit seinem Beispiel vorangegangen. Deshalb bitte ich euch inständig, meine Brüder, laßt euch nicht vergeblich ein so wertvolles Beispiel geben, werdet vielmehr gleichförmig mit Ihm und erneuert euch in der Gesinnung eures Herzens (Bernhard, ebd 1,1).

Die Arbeit heiligen, sich durch die Arbeit heiligen, andere durch die Arbeit heiligen

Wenn ich nach dem Geist des Opus Dei gefragt werde, der Vereinigung, der ich mein Leben gewidmet habe, sage ich immer, daß er sich um die gewöhnliche Arbeit, um die berufliche Arbeit in der Welt wie um eine Achse dreht. Die göttliche Berufung stellt uns eine Aufgabe, sie lädt uns ein, an der einen Sendung der Kirche teilzuhaben, damit wir so vor unsresgleichen, vor allen Menschen, Zeugnis für Christus ablegen und alles zu Gott hinführen.

Die Berufung zündet ein Licht an, das uns den Sinn unseres Lebens erkennen läßt. Im klaren Licht des Glaubens sehen wir das Warum unseres irdischen Daseins. Unser Leben - das vergangene, das gegenwärtige und das zukünftige - erscheint dann in einer neuen Dimension, mit einer nicht geahnten Tiefe. Alles, was in unserem Leben geschieht, gewinnt so seinen wahren Bezugspunkt: Wir begreifen, wohin uns der Herr führen will, und wir fühlen uns mitgerissen von der uns anvertrauten Aufgabe.

Gott führt uns aus dem Dunkel unserer Unwissenheit heraus, Er setzt unserem unschlüssigen Umhertappen durch tausend Zufälligkeiten des Lebens ein Ende und ruft uns mit lauter Stimme, so wie Er eines Tages Petrus und Andreas rief: Venite post me, et faciam vos fieri piscatores hominum, folget mir nach, und ich will euch zu Menschenfischern machen (Mt 4,19), ganz gleich, wo unser Platz in der Welt ist.

Wer aus dem Glauben lebt, mag Kampf und Hindernissen, Schmerz und selbst Bitterkeit begegnen, aber er wird niemals Mutlosigkeit oder Angst spüren, denn er weiß, daß sein Leben nicht vergebens ist, er weiß, wozu er auf der Erde ist. Ego sum lux mundi, rief Christus aus, qui sequitur me non ambulat in tenebris, sed habebit lumen vitae (Joh 8,12). Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt, wandelt nicht im Dunkel, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Um dieses Lichtes würdig zu sein, müssen wir lieben, demütig unsere Heilsbedürftigkeit anerkennen und wie Petrus ausrufen: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. Wir glauben und wissen, daß Du Christus, der Sohn Gottes bist (Joh 6,69-70). Wenn wir uns wirklich so verhalten und den Ruf Gottes in unser Herz eindringen lassen, dann werden auch wir sagen können, daß wir nicht im Dunkel wandeln; denn über unserem Elend und Versagen erstrahlt das Licht Gottes wie die Sonne über Gewitterwolken.

Wir wollen jetzt bei einigen der vielen Szenen, die uns im Evangelium erhalten sind, etwas verweilen. Beginnen wir mit den Berichten, die uns Jesus im Kreise der Zwölf zeigen. Der Apostel Johannes, in dessen Evangelium die Erfahrung eines ganzen Lebens spürbar wird, berichtet über jene erste Unterhaltung mit dem Zauber, der über den Dingen liegt, die man niemals mehr vergißt: "Meister, wo wohnst Du?" Er antwortete ihnen: "Kommt und seht." Sie gingen mit Ihm und sahen, wo Er wohnte, und blieben jenen Tag bei Ihm (Joh 1,38-39).

Es war ein göttlicher und zugleich menschlicher Dialog, der das Leben des Johannes und des Andreas, des Petrus, Jakobus und so vieler anderer umwandelte, ein Dialog, der die Herzen darauf vorbereitete, das gebietende Wort aufzunehmen, das Jesus am Galiläischen See an sie richtete: Als Er den Galiläischen See entlang wandelte, sah Er, wie zwei Brüder, Simon, der Petrus genannt wird, und sein Bruder Andreas ihr Netz in den See warfen. Sie waren Fischer. Er sprach zu ihnen: "Folget mir! Ich will euch zu Menschenfischern machen." Auf der Stelle verließen sie ihre Netze und folgten Ihm (Mt 4,18-20).

Die nächsten drei Jahre verbringen die Jünger an der Seite Jesu. Er kennt sie, antwortet auf ihre Fragen, zerstreut ihre Zweifel. Er ist der Rabbi, der Lehrer, der mit Autorität spricht, der von Gott gesandte Messias. Aber zugleich ist Er allen zugänglich und nahe. Eines Tages zieht sich Jesus zum Gebet zurück; die Jünger waren in der Nähe, vielleicht schauten sie auf Ihn und versuchten, seine Worte zu erraten. Als Jesus zurückkehrt, bittet Ihn einer seiner Jünger: Domine, doce nos orare, sicut docuit et Ioannes discipulos suos. Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat. Da sprach Er zu ihnen: "Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name…" (Lk 11,1-2)

Mit göttlicher Autorität und zugleich mit menschlichem Feingefühl empfängt der Herr die Apostel, die Ihm voll Staunen über die Früchte ihrer ersten Sendung - von den Erstlingen ihres Apostolates berichten: Kommt allein mit an einen einsamen Ort und ruht ein wenig aus (Mk 6,31).

Eine sehr ähnliche Szene wiederholt sich gegen Ende des Erdenlebens Jesu kurz vor der Himmelfahrt: Als bereits der Morgen dämmerte, stand Jesus am Ufer. Aber die Jünger wußten nicht, daß Jesus es war. Da sprach Jesus zu ihnen: "Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen?"Der als Mensch gefragt hat, spricht nun als Gott: "Werft das Netz zur Rechten des Bootes aus, so werdet ihr etwas finden." Sie warfen es aus und vermochten es vor der Menge der Fische nicht mehr heraufzuziehen. Da sagte der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: "Es ist der Herr."

Und Gott erwartet sie am Ufer: Wie sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer angelegt, einen Fisch darauf und Brot dabei. Jesus sprach zu ihnen: "Bringt von den Fischen, die ihr eben gefangen habt." Da stieg Simon Petrus in das Boot und zog das Netz ans Land, gefüllt mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen; und obschon ihrer so viele waren, zerriß das Netz nicht. Dann sprach Jesus zu ihnen: "Kommt zum Frühmahl." Keiner von den Jüngern wagte zu fragen: Wer bist du? Sie wußten ja, daß es der Herr war. Jesus kam nun, nahm das Brot und reichte es ihnen, ebenso auch den Fisch (Joh 21,4-13).

Dieses Feingefühl und diese Liebe bekundet Jesus nicht nur einer kleinen Gruppe von Jüngern, sondern allen gegenüber: den frommen Frauen, den Vertretern des Hohen Rates wie Nikodemus und den Zöllnern wie Zachäus, den Kranken und den Gesunden, den Schriftgelehrten und den Heiden, einzelnen und Menschenmassen.

Das Evangelium berichtet uns, daß Jesus nichts hatte, wohin Er sein Haupt legen konnte, aber es erzählt uns auch, daß Er geliebte und vertraute Freunde besaß, die Ihn in ihr Haus aufnehmen wollten. Und es berichtet auch von seinem Mitleid mit den Kranken, von seinem Schmerz über die Unwissenden und Irrenden, von seinem Unwillen über die Heuchelei. Jesus weint über den Tod des Lazarus, Er gerät in Zorn angesichts der Händler, die den Tempel entweihen, und das Leid der Witwe von Naim geht Ihm zu Herzen.