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Es gibt 3 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Solidarität → Freiheit.

Welche Verantwortung kommt Ihrer Meinung nach der Universität als Körperschaft sowie den einzelnen Professoren und Studenten zu angesichts der gegenwärtigen sozialen und politischen Lage in unserem Land und in der übrigen Welt, angesichts des Krieges, der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung? Kann die Universität innerhalb ihrer Mauern die Entfaltung politischer Tätigkeit von Studenten und Professoren unbeschränkt zulassen?

Zunächst einmal möchte ich klarstellen, daß das, was ich hier im Gespräch zum Ausdruck bringe, meine persönliche Meinung darstellt, die Meinung eines Mannes, der seit seinem 16. Lebensjahr (heute bin ich 65) niemals den Kontakt zur Universität verloren hat. Es handelt sich also um meine eigenen Ansichten und nicht etwa um die Ansichten des Opus Dei, das in zeitlichen und der freien Diskussion offenstehenden Fragen weder bereit noch in der Lage ist, Stellung zu beziehen, da seine Zielsetzung ausschließlich geistlicher Natur ist. Jedes Mitglied des Opus Dei besitzt und vertritt in völliger Freiheit seinen eigenen, persönlichen Standpunkt und nimmt dafür ebenso persönlich die Verantwortung auf sich.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich finde, an erster Stelle müßten wir uns darüber einigen, was hier unter Politik zu verstehen ist. Wenn man unter Politik versteht, sich für den Frieden, die soziale Gerechtigkeit und die Freiheit aller einzusetzen und zu arbeiten, dann hat sowohl jeder einzelne in der Universität als auch die Universität als Körperschaft die Pflicht, sich diese Ideale zu eigen zu machen und für die Bewältigung dieser großen Probleme der Menschheit jede Anstrengung zu fördern.

Versteht man dagegen unter Politik die konkrete Lösung eines bestimmten Problems neben anderen möglichen und rechtmäßigen Lösungen und in Konkurrenz zu denjenigen, die das Gegenteil vertreten, dann bin ich der Ansicht, daß die Universität nicht der rechte Ort für derartige Entscheidungen ist.

In der Universität soll man sich darauf vorbereiten, zur Lösung dieser Probleme beizutragen. Die Universität ist für alle da; sie ist ein Ort des Studiums, der Freundschaft und des friedlichen Zusammenlebens von Menschen der verschiedenen Denkrichtungen, die immer den legitimen Pluralismus der Gesellschaft ausdrücken.

Sie sind der Gründer des Opus Dei und Initiator zahlreicher Hochschuleinrichtungen in der ganzen Welt. Können Sie uns sagen, welche Gründe das Opus Dei bewogen haben, diese Einrichtungen ins Leben zu rufen? Was sind die besonderen Merkmale der Arbeit des Opus Dei im Hochschulbereich?

Das Ziel des Opus Dei besteht darin, vielen Menschen auf der ganzen Welt in der Theorie und durch die Praxis bewußt zu machen, daß man die gewöhnliche Tätigkeit, die alltägliche Berufsarbeit heiligen und sich mitten im Alltag um die christliche Vollkommenheit bemühen kann, ohne die Arbeit, zu der uns der Herr gerufen hat, zu verlassen. Die wichtigste apostolische Arbeit des Opus Dei ist daher das persönliche Apostolat, das seine Mitglieder als einzelne durch ihre berufliche Arbeit verwirklichen, indem sie diese - trotz der persönlichen Fehler, die ein jeder haben mag - mit der größtmöglichen menschlichen Vollkommenheit zu verrichten suchen. Das geschieht in jedem Milieu und überall auf der Welt, denn dem Opus Dei gehören Menschen aller Rassen und sozialen Schichten aus etwa siebzig Ländern an.

Außerdem gründet das Opus Dei als Vereinigung in Zusammenarbeit mit vielen anderen Menschen, die ihm nicht angehören und oft nicht einmal Christen sind, korporative Einrichtungen, mit denen es einen Beitrag zur Lösung aktueller Probleme unserer Gesellschaft leisten möchte: Bildungszentren, Einrichtungen der Sozialhilfe, Berufsschulen usw. Die Initiativen im Hochschulbereich, von denen Sie sprachen, sind nur ein Aspekt unter vielen innerhalb dieser Tätigkeiten. Ihre charakteristischen Züge lassen sich etwa so zusammenfassen: Erziehung zu persönlicher Freiheit und Eigenverantwortung. Wo Freiheit und Verantwortung herrschen, arbeitet man gern und besser, Kontrolle oder Überwachung erübrigt sich, weil sich jeder zu Hause fühlt, und es genügt einfach ein Stundenplan. Hinzu kommt ein Geist des Zusammenlebens ohne jedwede Diskriminierung: In der Gemeinschaft formt sich die Persönlichkeit, denn dort lernt man, daß die Freiheit der anderen respektiert werden muß, wenn man die eigene Freiheit respektiert sehen will. Und schließlich ist eine Haltung wirklicher Brüderlichkeit notwendig. Die eigenen Talente müssen in den Dienst der Mitmenschen gestellt werden, sonst nützen sie wenig. Die korporativen Einrichtungen, die das Opus Dei in der ganzen Welt unterhält, sind immer für alle da, weil sie ein christlicher Dienst sind.

Einem Christen wird es jedoch niemals einfallen zu glauben oder gar zu sagen, daß er sich vom Gotteshaus zur Welt herabläßt, um dort die Kirche zu repräsentieren, oder daß seine Ansichten die einzig katholischen Lösungen für die entsprechenden Probleme darstellen. So etwas darf nicht sein! Das wäre Klerikalismus, offizieller Katholizismus, oder wie ihr es sonst nennen wollt. In jedem Fall würde so der wahren Natur der Dinge Gewalt angetan. Eure Aufgabe ist es, überall eine echte Laienmentalität zu verbreiten, aus der sich drei Schlußfolgerungen ergeben:

* man muß anständig genug sein, um die eigene Verantwortung auf sich zu nehmen;

* man muß christlich genug sein, um auch jene Brüder im Glauben zu respektieren, die in Fragen, die der freien Meinung überlassen sind, andere Ansichten vertreten als man selbst;

* und man muß katholisch genug sein, um sich der Kirche nicht für eigene Zwecke zu bedienen und sie nicht in rein menschliche Gruppeninteressen hineinzuziehen.

Es versteht sich von selbst, daß sich diese Vorstellungen von einem heiligmäßig gelebten Alltag kaum verwirklichen lassen, wenn man nicht im Besitz jener vollen Freiheit ist, die dem Menschen - auch nach der Lehre der Kirche - aufgrund seiner Würde als Ebenbild Gottes zusteht. Die persönliche Freiheit - wenn ich von Freiheit spreche, meine ich natürlich immer eine verantwortungsbewußte Freiheit - besitzt eine wesenhafte Bedeutung für das christliche Leben.

Versteht also meine Worte als das, was sie sind: als Aufforderung, tagtäglich und nicht nur in besonderen Notsituationen eure Rechte auszuüben, ehrlich eure staatsbürgerlichen Pflichten in Politik, Wirtschaft, Universität und Beruf zu erfüllen und mutig die Folgen eurer persönlichen Entscheidungen sowie die Bürde der euch zustehenden Autonomie auf euch zu nehmen. Diese christliche Laienmentalität wird euch dazu befähigen, jede Form von Intoleranz und Fanatismus zu meiden; oder positiv ausgedrückt: sie wird euch helfen, in Frieden mit all euren Mitbürgern zusammenzuleben und das friedliche Zusammenleben in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft zu fördern.