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Es gibt 5 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Säkularität, Welthaftigkeit .

Überdies hat die Entwicklung in der Geschichte der Kirche zur Überwindung einer gewissen Art von Klerikalismus geführt, der zur Verzerrung all dessen neigt, was sich auf die Laien bezieht, und sofort Hintergedanken unterstellt. Heute ist es leichter zu verstehen, daß das Opus Dei nichts anderes lebt und lehrt als die göttliche Berufung des gewöhnlichen Christen in einem klarumgrenzten Engagement aus dem Glauben.

Wenn ich einen Satz höre wie: Die Katholiken dringen in alle Gesellschaftsschichten ein, so sehne ich den Augenblick herbei, in dem jeder begreift, daß es sich da um eine klerikale Redewendung handelt. Jedenfalls gilt ein solcher Satz in keiner Weise für das Apostolat des Opus Dei. Die Mitglieder des Werkes haben es nicht nötig, in die weltlichen Gegebenheiten einzudringen, denn als gewöhnliche Bürger waren sie wie alle anderen schon immer darin.

Wenn Gott einen Menschen, der in einer Fabrik oder in einem Krankenhaus oder im Parlament arbeitet, zum Opus Dei ruft, dann bedeutet das, daß dieser Mensch von nun an entschlossen sein wird, die Mittel anzuwenden, um diesen Beruf mit der Gnade Gottes zu heiligen. Es ist nichts anderes als ein Bewußtwerden der Grundforderungen, welche die Botschaft des Evangeliums enthält, im Einklang mit der spezifischen Berufung eines jeden.

Der Gedanke, daß dieses Bewußtwerden ein Verlassen des gewöhnlichen Lebens bedeute, gilt nur für jene, die von Gott zum Ordensleben berufen werden, zum contemptus mundi, zur Verachtung oder Geringschätzung der weltlichen Dinge. Aus diesem Verlassen der Welt aber das Wesen oder die Vollendung des Christentums machen zu wollen ist einfach eine Ungeheuerlichkeit.

Das Opus Dei schleust also seine Mitglieder nicht in dieses oder jenes Milieu ein, denn die Mitglieder - ich wiederhole es - waren schon immer dort; und es ist nicht einzusehen, weshalb sie es verlassen sollten. Außerdem kommen aus allen Gesellschaftsschichten Berufungen zum Opus Dei, die durch die Gnade Gottes und durch das vorher erwähnte Apostolat der Freundschaft und des Vertrauens geweckt werden.

Vielleicht stellt gerade eine solche Einfachheit im Wesen und Handeln des Opus Dei eine Schwierigkeit für jene verschrobenen Leute dar, die offenbar unfähig sind, etwas Geradliniges und Ursprüngliches zu begreifen.

Natürlich wird es immer Leute geben, die das Wesen des Opus Dei nicht verstehen. Das wundert uns nicht. Schon der Herr warnte seine Jünger vor diesen Schwierigkeiten, als er ihnen sagte: non est discipulus super magistrum (Mt 10,24), der Jünger steht nicht über dem Meister. Niemand kann verlangen, daß er von allen Menschen geschätzt wird, aber jeder hat das Recht, als Mensch und als Kind Gottes geachtet zu werden. Leider gibt es Fanatiker, die ihre Ideen den anderen diktatorisch aufzuzwingen suchen. Diese werden nie die Liebe verstehen, die die Mitglieder des Opus Dei für die persönliche Freiheit aller anderen empfinden und natürlich auch für die eigene persönliche Freiheit, die immer mit persönlicher Verantwortung verbunden ist.

Ich erinnere mich an eine dafür bezeichnende Begebenheit. In einer Stadt, deren Namen ich aus Gründen des Taktes nicht nennen möchte, berieten die Stadtväter über die finanzielle Unterstützung einer Bildungsstätte, die von Mitgliedern des Opus Dei geleitet wird. Sie ist, wie alle körperschaftlichen Einrichtungen des Werkes, von offensichtlichem gesellschaftlichem Nutzen. Die Mehrzahl der Ratsmitglieder war für die Unterstützung. Einer von ihnen, ein Sozialist, erwähnte bei der Begründung des Antrages, daß er die Arbeit dieser Einrichtungen aus eigener Anschauung kenne. Er fuhr wörtlich fort: "Die Arbeit dieses Studentenheimes zeichnet sich deshalb besonders aus, weil seine Leiter die persönliche Freiheit des einzelnen hoch schätzen. Es leben dort Studenten aller Religionen und Weltanschauungen zusammen." Die kommunistischen Ratsmitglieder stimmten gegen den Antrag. Einer von ihnen erklärte dem sozialistischen Kollegen seine Entscheidung: "Ich habe dagegen gestimmt, denn wenn Sie recht haben, dann ist dieses Haus eine wirksame Reklame für den Katholizismus."

Wer die Freiheit der anderen nicht achtet oder der Kirche entgegensteht, kann apostolische Arbeit nicht schätzen. Aber selbst in solchen Fällen bin ich als Mensch verpflichtet, jenen anderen zu achten und zu versuchen, ihn zur Wahrheit zu führen; und als Christ bin ich verpflichtet, ihn zu lieben und für ihn zu beten.

Gerade habt ihr die feierliche Lesung von zwei Stellen aus der Heiligen Schrift vernommen, die zum Meßformular des 21. Sonntags nach Pfingsten gehören. Durch das Hören des Wortes Gottes habt ihr euch bereits in den Bereich hineinversetzt, in dem sich meine Worte an euch bewegen möchten. Es sind Worte eines Priesters an eine große Familie von Kindern Gottes in der heiligen Kirche, Worte also, die übernatürlich sein sollen, die von der Größe Gottes und der Größe seines Erbarmens zu den Menschen sprechen und euch auf die eindrucksvolle Eucharistiefeier vorbereiten sollen, die wir heute auf dem Campus der Universität begehen.

Betrachtet einen Augenblick diese Tatsache, die ich gerade erwähnt habe. Wir feiern jetzt die heilige Eucharistie, das sakramentale Opfer des Leibes und Blutes des Herrn, jenes Geheimnis des Glaubens, das alle Geheimnisse des Christentums in sich vereint. Wir feiern die heiligste und erhabenste Handlung, die wir Menschen - dank der Gnade Gottes - in diesem Leben zu vollziehen vermögen. Denn wenn wir den Leib und das Blut des Herrn empfangen, dann entledigen wir uns dadurch in gewisser Weise bereits der Fesseln von Raum und Zeit und vereinigen uns mit Gott im Himmel, wo Christus selbst jede Träne unserer Augen trocknen wird, wo der Tod nicht mehr sein wird, noch Trauer, noch Klagen, denn die alte Welt ist ja vergangen (Offb. 21,4).

Diese tiefe und so tröstliche Wahrheit, der eschatologische Sinn der Eucharistie, wie die Theologen zu sagen pflegen, kann jedoch auch mißverstanden werden. Und in der Tat geschieht das immer dann, wenn man versucht, das christliche Leben rein geistig oder, besser gesagt, rein spiritualistisch aufzufassen; als ein Leben, das nur für jene makellosen, außergewöhnlichen Menschen bestimmt ist, die sich nicht mit den niedrigen Dingen dieser Welt einlassen oder sie allenfalls dulden als jenen Gegensatz zum Leben des Geistes, der nun einmal unvermeidlich ist, solange wir noch auf Erden weilen.

Bei einer solchen Sicht der Dinge wird das Gotteshaus zum einzig wahren Standort des christlichen Lebens. Christsein bedeutet dann, zur Kirche zu gehen, an sakralen Zeremonien teilzunehmen und sich in einer kirchlich geprägten Umgebung abzukapseln, in einer isolierten Welt, die sich als Vorhalle des Himmels darstellt, während die gewöhnliche Welt draußen ihre eigenen Wege geht. Die Lehre des Christentums und das Leben der Gnade würden so den mühsamen Gang der menschlichen Geschichte allenfalls streifen, ihm jedoch niemals wirklich begegnen.

Während wir uns an diesem Oktobermorgen darauf vorbereiten, das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung des Herrn zu feiern, wollen wir dieser verfälschten Form des Christentums ein klares Nein entgegensetzen. Achtet für einen Augenblick auf den äußeren Rahmen unserer Eucharistie, unserer Danksagung: Wir befinden uns in einem einzigartigen Gotteshaus: Das Kirchenschiff ist der Campus der Universität, das Altarbild die Universitätsbibliothek, dort stehen die Maschinen zur Errichtung neuer Gebäude, und über uns wölbt sich der Himmel von Navarra…

Bestätigt euch dieses Bild nicht in klarer und unvergeßlicher Weise, daß das alltägliche Leben der wahre Ort eurer christlichen Existenz ist? Dort, unter euren Mitmenschen, in euren Mühen, eurer Arbeit und eurer Liebe, dort ist der eigentliche Ort eurer tagtäglichen Begegnung mit Christus. Dort, inmitten der durch und durch materiellen irdischen Dinge müssen wir uns bemühen, heilig zu werden, indem wir Gott und allen Menschen dienen.

Ich werde nicht müde, diese Lehre der Heiligen Schrift zu wiederholen: Die Welt ist nicht schlecht, denn sie ist aus den Händen Gottes hervorgegangen. Sie ist Gottes Werk, und Gott betrachtete sie und sah, daß sie gut war (Gen 1,7ff. ). Wir Menschen mit unseren Sünden und Treulosigkeiten sind es, die sie schlecht und häßlich machen. Zweifelt nicht daran: Für euch, Männer und Frauen der Welt, steht jede Flucht vor den ehrbaren Wirklichkeiten des alltäglichen Lebens im Gegensatz zum Willen Gottes.

Macht euch in dieser Stunde mit neuer Klarheit bewußt, daß Gott euch aufruft, ihm gerade in den materiellen, weltlichen Aufgaben des menschlichen Lebens und aus ihnen heraus zu dienen. Im Labor, im Operationssaal eines Krankenhauses, in der Kaserne, auf dem Lehrstuhl einer Universität, in der Fabrik, in der Werkstatt, auf dem Acker, im Haushalt, in diesem ganzen, unendlichen Feld der menschlichen Arbeit wartet Gott Tag für Tag auf uns. Seid davon überzeugt: Jede noch so alltägliche Situation birgt etwas Heiliges, etwas Göttliches in sich, und euch ist aufgegeben, das zu entdecken.

Den Studenten und Arbeitern, die ich in den dreißiger Jahren um mich sammelte, pflegte ich zu sagen, sie müßten lernen, das geistliche Leben zu materialisieren. Ich wollte sie damit vor der damals wie heute so häufigen Versuchung bewahren, eine Art Doppelleben zu führen: auf der einen Seite das Innenleben, der Umgang mit Gott, und auf der anderen Seite, säuberlich getrennt davon, das familiäre, berufliche und soziale Leben, ein Leben voll irdischer Kleinigkeiten.

Nein! Es darf kein Doppelleben geben. Wenn wir Christen sein wollen, können wir diese Art von Bewußtseinsspaltung nicht mitmachen; denn es gibt nur ein einziges Leben, welches aus Fleisch und Geist besteht, und dieses einzige Leben muß an Leib und Seele geheiligt und von Gott erfüllt werden, dem unsichtbaren Gott, dem wir in ganz sichtbaren und materiellen Dingen begegnen.

Es gibt keinen anderen Weg. Entweder lernen wir, den Herrn in unserem alltäglichen Leben zu entdecken, oder wir werden ihn niemals finden. Es tut unserer Zeit not, der Materie und den ganz gewöhnlich erscheinenden Situationen ihren edlen, ursprünglichen Sinn zurückzugeben, sie in den Dienst des Reiches Gottes zu stellen und sie dadurch, daß sie zum Mittel und zur Gelegenheit unserer ständigen Begegnung mit Jesus Christus werden, zu vergeistigen.

Diese Lehre der Heiligen Schrift, die, wie ihr wißt, zum Kern der Spiritualität des Opus Dei gehört, muß euch dazu führen, eure Arbeit so vollkommen wie möglich zu verrichten, Gott und eure Mitmenschen gerade dadurch zu lieben, daß ihr in die Kleinigkeiten des Alltags Liebe hineinlegt. So werdet ihr die Spur des Göttlichen entdecken, die in den kleinen Dingen verborgen liegt. Wie treffend sind jene Verse des Dichters: Despacito, y buena letra: / el hacer las cosas bien / importa más que el hacerlas (Wohlgesetzt und ohne Hast; es geht ums Tun, gut getan. A. Machado, "Poesias completas" CL VI. -Proverbios y cantares XXIV. Espasa-Calpe, Madrid 1940).

Ich versichere euch, wenn ein Christ die unbedeutendste Kleinigkeit des Alltags mit Liebe verrichtet, dann erfüllt sich diese Kleinigkeit mit der Größe Gottes. Das ist der Grund, warum ich immer und immer wieder betone, daß die christliche Berufung darin besteht, aus der Prosa des Alltags epische Dichtung zu machen. Himmel und Erde scheinen sich am Horizont zu vereinigen; aber nein, in euren Herzen ist es, wo sie eins werden, wenn ihr heiligmäßig euren Alltag lebt…

Heiligmäßig euren Alltag leben - mit diesen Worten meine ich die ganze Breite eures christlichen Schaffens. Laßt falschen Idealismus, Träume und Phantastereien beiseite, laßt beiseite alles, was ich Blechmystik (S. Anm.) zu nennen pflege: wenn ich doch ledig geblieben wäre, wenn ich doch einen anderen Beruf gewählt hätte, wenn ich doch eine bessere Gesundheit besäße, wenn ich noch jung wäre, wenn ich doch schon alt wäre…! Haltet euch vielmehr nüchtern an die ganz materielle und unmittelbare Wirklichkeit, denn dort ist der Herr: Seht meine Hände und meine Füße; ich bin es, sagt Jesus nach seiner Auferstehung. Rührt mich an und überzeugt euch: Ein Geist hat ja nicht Fleisch und Bein, wie ihr es an mir seht (Lk 24,39).

Wie viele Bereiche eures Lebens werden durch diese Wahrheit erhellt. Denkt zum Beispiel an euer Verhalten als Staatsbürger im öffentlichen Leben. Wer davon überzeugt ist, daß die Welt - und nicht nur das Gotteshaus - der Ort seiner Begegnung mit Christus ist, der liebt diese Welt wirklich; er bemüht sich um eine gute wissenschaftliche und berufliche Ausbildung, bildet sich in voller Freiheit seine eigene Meinung über die Probleme, die ihm begegnen, und trifft dementsprechend auch seine persönlichen Entscheidungen. Als Christ wird er seinen Entscheidungen eine persönliche Besinnung vorausgehen lassen, in der er sich demütig darum bemüht, den Willen Gottes in den kleinen und großen Ereignissen seines Lebens zu erkennen.

Ich weiß, daß es eigentlich überflüssig ist, an all diese Dinge zu erinnern, die ich seit so vielen Jahren immer von neuem wiederhole; die Hochschätzung der persönlichen Freiheit, des friedlichen Zusammenlebens und gegenseitigen Verständnisses ist ja ein wesentlicher Bestandteil der Botschaft, die das Opus Dei verbreitet. So brauche ich wohl auch nicht ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, daß die Männer und Frauen, die sich entschlossen haben, Christus im Opus Dei zu dienen, ganz normale Staatsbürger sind, die sich bemühen, ihre christliche Berufung in ernster Verantwortung und mit all ihren Konsequenzen zu leben.

Nichts unterscheidet die Mitglieder des Opus Dei von ihren Mitbürgern; andererseits aber haben sie - abgesehen vom Glauben - nichts mit den Ordensleuten gemein. Ich liebe die Ordensleute, ich schätze und bewundere ihr klösterliches Leben, ihr Apostolat und ihre Lostrennung von der Welt, den contemptus mundi. Sie sind andere Zeichen der Heiligkeit in der Kirche. Aber mir hat der Herr nicht die Berufung eines Ordensmannes gegeben, und sie für mich zu wollen wäre verkehrt. Genauso wie keine Autorität auf Erden mich zwingen kann zu heiraten, so kann auch niemand mich verpflichten, Ordensmann zu werden. Ich bin Weltpriester, ein Priester Jesu Christi, der die Welt leidenschaftlich liebt.