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Es gibt 3 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Frömmigkeit.

Ein Teil der heutigen Jugend hat fast gänzlich den Sinn für die christliche Frömmigkeit verloren und tut sie als "Frömmelei" ab. Das scheint eine Reaktion gegen eine aufgezwungene religiöse Erziehung zu sein, die sich häufig darauf beschränkt, einige routinehafte, sentimentale Frömmigkeitsübungen zu vermitteln. Welche Lösung bietet sich Ihrer Meinung nach für dieses Problem an?

Die Frage selbst bringt bereits indirekt zum Ausdruck, was zu tun ist: Man muß - zuerst durch das eigene Beispiel und dann durch das Wort - zeigen, was wahre Frömmigkeit ist. Die Frömmelei ist nichts als eine traurige, pseudo-spirituelle Karikatur, die im allgemeinen aus einem mangelnden Glaubensverständnis und einer gewissen charakterlichen Verbildung erwächst.

Mit Freude habe ich festgestellt, daß junge Menschen heute genau wie vor vierzig Jahren von der christlichen Frömmigkeit gepackt werden, wenn sie sehen, daß man sie aufrichtig lebt, wenn sie begreifen lernen, daß Beten nichts anderes heißt, als mit Gott sprechen, so wie man mit einem Vater oder einem Freund spricht, eine ganz persönliche Aussprache fern aller Anonymität; wenn sie im Herzen jene Worte Christi vernehmen, die wie eine Aufforderung zu vertrauensvoller Begegnung sind: vos autem dixi amicos (Joh 15,15), ich habe euch Freunde genannt, und wenn sie schließlich ihren Glauben herausgefordert sehen und begreifen, daß Christus derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit (Hebr 13,8).

Andererseits müssen die jungen Menschen begreifen, daß diese schlichte, von Herzen kommende Frömmigkeit auch den Einsatz der menschlichen Tugenden verlangt. Sie läßt sich nicht darauf beschränken, wöchentlich oder täglich ein paar fromme Übungen zu verrichten, sondern muß das ganze Leben durchdringen und Arbeit, Erholung, Freundschaft und Vergnügen, mit einem Wort: alles, mit einem neuen Sinn erfüllen. Wir sind nicht nur zeitweise Kinder Gottes, wenngleich es Zeiten gibt, die wir besonders diesem Gedanken widmen, um uns von dem Bewußtsein unserer Gotteskindschaft, die das Mark unserer Frömmigkeit ist, durchdringen zu lassen.

Vorhin sagte ich, daß junge Menschen diese Dinge gut verstehen; andererseits wird man sich, solange man sie im eigenen Leben zu verwirklichen sucht, immer jung fühlen. Der Christ, der in der Vereinigung mit Christus lebt, kann auch als Greis noch mit vollem Recht die Worte des Stufengebetes sprechen: Zum Altare Gottes will ich treten, zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf (Ps 42,4).

Erscheint es Ihnen demnach wichtig, die Kinder von klein auf zur Frömmigkeit zu erziehen? Sind Sie der Ansicht, daß man in der Familie einige Frömmigkeitsübungen pflegen sollte?

Mir scheint, daß gerade dies der beste Weg ist, um den Kindern eine echt christliche Erziehung mitzugeben. Die Heilige Schrift berichtet uns von den Familien der ersten Christen - Hausgemeinden (1 Kor 16,19) nennt sie der heilige Paulus -, denen das Licht des Evangeliums neuen Auftrieb und neues Leben verlieh.

In jedem christlichen Milieu hat man mit dieser natürlichen und übernatürlichen Einführung in das Leben der Frömmigkeit innerhalb der Familie ausgezeichnete Erfahrungen gemacht. Das Kind lernt, seine erste tiefe Zuneigung Christus zu schenken, es lernt, Gott wie einen Vater und Maria wie eine Mutter zu behandeln; mit einem Wort: es lernt beten, indem es einfach dem Beispiel seiner Eltern folgt. Wenn man das sieht, begreift man, wie wichtig die apostolische Aufgabe der Eltern ist, und wie sehr sie verpflichtet sind, selbst aufrichtig fromm zu sein, damit sie ihren Kindern diese Frömmigkeit nicht nur erklären, sondern vorleben können.

Sie fragen nach den Mitteln? Es gibt einige wenige, wie mir scheint ausgezeichnete, kurze und althergebrachte Frömmigkeitsübungen, die in den christlichen Familien immer gelebt worden sind: das Tischgebet, der gemeinsame Rosenkranz - obgleich heutzutage manche diese bewährte Form der Marienverehrung angreifen -, die persönlichen Morgen- und Abendgebete. Je nach der Gegend werden die Gewohnheiten verschieden sein, aber ich denke, daß die eine oder andere einfach, schlicht und ohne Frömmelei gemeinsam verrichtete Frömmigkeitsübung in jeder Familie ihren Platz haben sollte.

Auf diese Weise werden wir erreichen, Gott nicht als einen Fremden zu betrachten, den man einmal in der Woche, am Sonntag, in der Kirche aufsucht, sondern wir werden lernen, ihn so zu sehen und mit ihm umzugehen, wie es sein soll. Dann findet man ihn auch inmitten der Familie, denn schließlich hat er selbst gesagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18,20).

Mit Dankbarkeit und mit dem Stolz eines Kindes kann ich sagen, daß ich auch heute noch morgens und abends laut die Gebete verrichte, die ich als Kind von meiner Mutter lernte. Sie führen mich zu Gott und erinnern mich daran, mit wieviel Liebe man mir bei den ersten Schritten auf meinem Weg als Christ half. Und wenn ich Gott den beginnenden Tag aufopfere oder ihm für den vergangenen danke, bitte ich ihn um die ewige Herrlichkeit derer, die ich besonders liebe, und darum, daß er uns später für immer bei sich vereinen möge.

Bisher haben wir über die Zeit vor der Ehe gesprochen. Gehen wir nun auf einige Probleme der Ehe selbst ein. Welche Ratschläge würden Sie einer verheirateten Frau geben, damit ihre Ehe auch nach vielen Jahren noch glücklich bleibt und sich nicht die Eintönigkeit einschleicht? Vielleicht erscheint diese Frage auf den ersten Blick nicht so wichtig, aber unsere Zeitschrift erhält gerade diesbezüglich viele Zuschriften.

Ich halte diese Frage tatsächlich für sehr wichtig, und deshalb sollte man auch das, was sich als mögliche Lösung anbietet, ernst nehmen, selbst wenn es sich dem Anschein nach nur um Bagatellen handelt.

Damit die ursprüngliche eheliche Liebe erhalten bleibt, muß die Frau sich bemühen, ihren Mann Tag für Tag von neuem für sich zu gewinnen; und das gleiche gilt für den Ehemann gegenüber seiner Frau. Die Liebe muß jeden Tag neu erobert werden, und sie wird erobert mit Opfer, mit einem Lächeln und auch mit einer guten Dosis einfühlsamer Klugheit. Wen kann es wundern, daß der Ehemann am Ende die Geduld verliert, wenn er erschöpft von der Arbeit nach Hause kommt und die Frau pausenlos auf ihn einzureden beginnt, um ihm haarklein alles zu erzählen, was ihrer Meinung nach schiefgegangen ist. Die weniger angenehmen Dinge kann man auch für einen günstigeren Augenblick aufsparen, in dem der Ehemann ausgeruht und aufnahmebereiter ist.

Eine weitere Kleinigkeit ist die Pflege der äußeren Erscheinung. Sollte ein Geistlicher das Gegenteil behaupten, so würde ich ihn für einen schlechten Ratgeber halten. Je mehr die Frau, die in der Welt lebt, spürt, daß sie anfängt alt zu werden, um so wichtiger ist es für sie, nicht nur auf die Vertiefung des Gebetslebens zu achten, sondern sich auch - und gerade deswegen - um eine gepflegte äußere Erscheinung zu bemühen, selbstverständlich immer im Einklang mit dem Alter und den persönlichen Gegebenheiten. Je älter die Fassade wird, sage ich manchmal im Scherz, um so dringender bedarf sie des Anstrichs. Das ist ein priesterlicher Rat. Ein altes spanisches Sprichwort sagt: Eine gepflegte Frau hält ihren Mann von fremden Türen ab.

Ja ich wage zu behaupten, daß an einer möglichen Untreue des Ehemannes zu einem großen Teil die eigene Frau schuld ist, weil sie es nicht versteht, ihren Mann jeden Tag von neuem für sich zu gewinnen. Die Aufmerksamkeit der verheirateten Frau muß sich in erster Linie auf ihren Mann und ihre Kinder richten; so wie die des Mannes auf seine Frau und die Kinder. Und das erfordert Zeit und Mühe, damit es richtig angegangen wird und gelingen kann. Nichts, was dieser Aufgabe entgegensteht, kann gut sein.

Von dieser liebenswerten Pflicht entbindet keine Entschuldigung, weder die Arbeit außerhalb des Hauses noch die eigene Frömmigkeit; wenn diese sich nicht mit den Pflichten des Alltags vereinbaren läßt, taugt sie zu nichts und mißfällt Gott. Die Ehefrau muß sich an erster Stelle ihrem Haushalt und ihrer Familie widmen. Ich erinnere mich da an ein Volkslied meiner Heimat, in dem es heißt: Die Frau, der das Essen anbrennt, weil sie zur Kirche geht, ist zwar zur Hälfte ein Engel, doch Teufel zum anderen Teil. Mir scheint sie ganz "Teufel" zu sein.