Nur diese Aphorismen anzeigen

Es gibt 4 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Achtung der Person → und ihrer Freiheit.

Die Freiheit der Gewissen

Im Laufe meiner langen priesterlichen Arbeit, in der ich die Liebe zur persönlichen Freiheit nicht nur gepredigt, sondern geradezu hinausgeschrien habe, traf ich gelegentlich auf ein gewisses Mißtrauen, so als befürchte man, die Betonung der Freiheit könnte den Glauben gefährden. Nun, die Kleinmütigen mögen sich beruhigen: nur eine irrige Freiheitsauffassung verstößt gegen den Glauben: eine Freiheit, die ohne Ziel, ohne Norm, ohne Gesetz, ohne Verantwortung ist; mit einem Wort - eine zügellose Freiheit. Leider wird die von manchen verfochten; und das stellt in der Tat einen Angriff auf den Glauben dar.

Deshalb ist es unzutreffend, von Gewissensfreiheit zusprechen, wenn damit moralisch die Ablehnung Gottes gerechtfertigt werden soll. Wir sprachen ja schon davon, daß wir uns den heilbringenden Absichten Gottes zu widersetzen vermögen; wir können es, aber wir dürfen es nicht tun. Nähme jemand bewußt diese Haltung ein, dann wäre das Sünde, Übertretung des ersten und grundlegenden Gebotes: Du sollst Gott lieben mit deinem ganzen Herzen (Dtn 6,5).

Ich trete mit allem Nachdruck für die Freiheit der Gewissen (Leo XIII., Enz. Libertas praestantissimum, ASS 20 (1888. 606) ein, zu der auch wesentlich gehört, daß niemand einen Menschen daran hindern darf, Gott zu verehren. Das legitime Verlangen nach der Wahrheit muß respektiert werden: Zwar hat der Mensch die unerläßliche Pflicht, den Herrn zu suchen, Ihn zu erkennen und Ihn anzubeten, aber niemand auf Erden darf einem anderen die Ausübung eines Glaubens aufzwingen, den dieser nicht hat; und ebensowenig darf sich jemand das Recht herausnehmen, den zu behelligen, der diesen Glauben von Gott empfangen hat.

Unsere Mutter, die Kirche, hat sich immer für die Freiheit ausgesprochen und sie hat alle Spielarten des Fatalismus - die alten wie die neuen - verworfen. Sie hat erklärt, daß jeder Mensch Herr seines Schicksals ist - zum Guten wie zum Bösen: Wer Gutes getan hat, wird eingehen zum ewigen Leben, wer aber Böses, ins ewige Feuer (Glaubensbekenntnis Quicumque). Diese ungeheuerliche Entscheidungsmacht, die in deiner, in meiner, in unser aller Hand liegt und die ein Zeichen unserer Würde ist, beeindruckt uns immer wieder von neuem. Die Sünde ist dermaßen ein willentliches Übel, daß sie in keiner Weise Sünde wäre, wenn sie nicht ihren Ausgangspunkt im Willen hätte. Diese Behauptung ist so einsichtig, daß sich darüber die wenigen Weisen und die vielen Unwissenden einig sind, die die Welt bevölkern (Augustinus, De vera religione, 14, 27 (PL 34, 133]).

Von neuem erhebe ich das Herz zu meinem Herrn und Gott, um Ihm dafür zu danken. Nichts hätte Ihn daran gehindert, uns unfähig für die Sünde zu erschaffen, mit einer unwiderstehlichen Neigung zum Guten, aber Er fand, daß seine Diener besser wären, wenn sie Ihm in Freiheit dienten (Augustinus, Ebd.). Wie groß ist die Liebe, wie groß die Barmherzigkeit unseres Vaters! Wenn ich auf solche Werke der Liebe Gottes gegenüber seinen Kindern blicke, auf Wohltaten, die geradezu von einem göttlichen Verrücktsein vor Liebe künden, dann möchte ich tausend Herzen und tausend Münder haben, um Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist ohne Ende zu preisen. Beherzigt es allezeit, daß Gott, der durch seine Vorsehung das All regiert, keine unfreien Knechte, sondern freie Söhne will. Auch wenn wir wegen des Falls unserer Stammeltern mit der Neigung zur Sünde, proni ad peccatum, geboren werden, hat Er doch der Seele eines jeden von uns einen Funken seines göttlichen Geistes geschenkt, die Sehnsucht nach dem Guten, das Verlangen nach nie mehr endendem Frieden. Und Er führt uns zu der Erkenntnis, daß die Wahrheit, das Glück und die Freiheit nur dann unser sind, wenn wir den Samen des ewigen Lebens in uns keimen lassen.

Das Geschöpf kann Gott zurückweisen und das Saatkorn der neuen und endgültigen Glückseligkeit verschmähen. Handelt es aber so, dann hört es auf, Kind zu sein, und wird zum Sklaven. Jedes Ding ist das, was ihm seiner Natur nach gebührt. Wenn es daher nach etwas Unpassendem strebt, bewegt es sich nicht seiner eigenen Seinsweise gemäß, sondern unter fremdem Antrieb; und das ist knechtisch. Der Mensch ist seiner Natur nach ein Vernunftwesen. Wenn er sich vernunftgemäß verhält, bewegt er sich selbst als das, was er ist; und das entspricht der Freiheit. Wenn er sündigt, handelt er außerhalb der Vernunft, und dann läßt er sich vom Antrieb eines anderen leiten und unterwirft sich fremden Schranken. Deshalb ist der, der die Sünde annimmt, Knecht der Sünde (Jo 8,34) (Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae, De malo, q. 6. a. 1).

Laßt mich noch einmal darauf zurückkommen: Jeder Mensch ist irgendeiner Art von Knechtschaft unterworfen; das ist eine offenkundige Erfahrung, die wir in oder um uns machen. Die einen beten das Geld an, die anderen die Macht; wieder andere verschreiben sich einem halbwegs beruhigenden Skeptizismus oder sie liegen vor dem goldenen Kalb der Sinnlichkeit auf den Knien. Eine ganz entsprechende Erfahrung wird uns aber auch im Umgang mit den erhabeneren Dingen zuteil. Wir gehen in einer Arbeit auf, widmen uns einem mehr oder weniger wichtigen Vorhaben, wir engagieren uns für eine wissenschaftliche, künstlerische, literarische oder religiöse Aufgabe. So läßt auch jeder leidenschaftliche Einsatz eine "Knechtschaft" entstehen, aber eine, der man sich freudig um der angestrebten Ziele willen hingibt.

Wenn aber Knechtschaft gegen Knechtschaft steht - denn Dienen, ob wir es wollen oder nicht, gehört zur Eigenart des Menschen -, dann gibt es keine bessere Wahl, als sich aus Liebe in die göttliche Knechtschaft zu geben. In demselben Augenblick, da wir das tun, ändert sich unsere Stellung, und wir werden aus Sklaven zu Freunden und Kindern. Hier liegt der Unterschied: Wir widmen uns allen guten weltlichen Anliegen mit dem gleichen Einsatz und Eifer wie die anderen, aber die Seele ist dabei erfüllt von tiefem Frieden, von Freude und Gelassenheit - auch inmitten der Widerwärtigkeiten; denn nicht das Vergängliche, sondern das Ewig-Bleibende trägt uns: Wir sind nicht Kinder der Magd, sondern der Freien (Gal 4,31).

Woher kommt diese Freiheit? Von Christus, unserem Herrn. Es ist die Freiheit, mit der Er uns erlöst hat (Vgl. Gal 4,31). Deshalb lehrt Er: Wenn euch der Sohn frei macht, werdet ihr wahrhaft frei sein (Joh 8,36). Wir Christen brauchen nicht nach Erklärungen für den wahren Sinn dieses Geschenkes zu suchen, denn die einzige Freiheit, die den Menschen erlöst, ist die von Christus uns erworbene.

Ich pflege gern vom Abenteuer unserer Freiheit zu sprechen, denn genau das ist euer und mein Leben. In Freiheit - als Kinder, ich wiederhole es, nicht als Sklaven - folgen wir dem Weg, den der Herr einem jeden von uns gezeigt hat. Wir gehen ihn froh und gelassen und genießen ihn als Geschenk Gottes.

In Freiheit, ohne Zwang, entscheide ich mich für Gott: weil ich es so will, und ich entscheide mich dafür, zu dienen und mein Dasein in Hingabe an die anderen zu verwandeln - aus Liebe zu meinem Herrn, zu Jesus Christus. Dann darf ich kraft dieser Freiheit behaupten, daß nichts auf dieser Erde mich trennen wird von der Liebe Christi (Vgl. Röm 8,39).