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Es gibt 6 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Sünde → Versklavung durch die Sünde.

Unsere Mutter, die Kirche, hat sich immer für die Freiheit ausgesprochen und sie hat alle Spielarten des Fatalismus - die alten wie die neuen - verworfen. Sie hat erklärt, daß jeder Mensch Herr seines Schicksals ist - zum Guten wie zum Bösen: Wer Gutes getan hat, wird eingehen zum ewigen Leben, wer aber Böses, ins ewige Feuer (Glaubensbekenntnis Quicumque). Diese ungeheuerliche Entscheidungsmacht, die in deiner, in meiner, in unser aller Hand liegt und die ein Zeichen unserer Würde ist, beeindruckt uns immer wieder von neuem. Die Sünde ist dermaßen ein willentliches Übel, daß sie in keiner Weise Sünde wäre, wenn sie nicht ihren Ausgangspunkt im Willen hätte. Diese Behauptung ist so einsichtig, daß sich darüber die wenigen Weisen und die vielen Unwissenden einig sind, die die Welt bevölkern (Augustinus, De vera religione, 14, 27 (PL 34, 133]).

Von neuem erhebe ich das Herz zu meinem Herrn und Gott, um Ihm dafür zu danken. Nichts hätte Ihn daran gehindert, uns unfähig für die Sünde zu erschaffen, mit einer unwiderstehlichen Neigung zum Guten, aber Er fand, daß seine Diener besser wären, wenn sie Ihm in Freiheit dienten (Augustinus, Ebd.). Wie groß ist die Liebe, wie groß die Barmherzigkeit unseres Vaters! Wenn ich auf solche Werke der Liebe Gottes gegenüber seinen Kindern blicke, auf Wohltaten, die geradezu von einem göttlichen Verrücktsein vor Liebe künden, dann möchte ich tausend Herzen und tausend Münder haben, um Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist ohne Ende zu preisen. Beherzigt es allezeit, daß Gott, der durch seine Vorsehung das All regiert, keine unfreien Knechte, sondern freie Söhne will. Auch wenn wir wegen des Falls unserer Stammeltern mit der Neigung zur Sünde, proni ad peccatum, geboren werden, hat Er doch der Seele eines jeden von uns einen Funken seines göttlichen Geistes geschenkt, die Sehnsucht nach dem Guten, das Verlangen nach nie mehr endendem Frieden. Und Er führt uns zu der Erkenntnis, daß die Wahrheit, das Glück und die Freiheit nur dann unser sind, wenn wir den Samen des ewigen Lebens in uns keimen lassen.

Das Geschöpf kann Gott zurückweisen und das Saatkorn der neuen und endgültigen Glückseligkeit verschmähen. Handelt es aber so, dann hört es auf, Kind zu sein, und wird zum Sklaven. Jedes Ding ist das, was ihm seiner Natur nach gebührt. Wenn es daher nach etwas Unpassendem strebt, bewegt es sich nicht seiner eigenen Seinsweise gemäß, sondern unter fremdem Antrieb; und das ist knechtisch. Der Mensch ist seiner Natur nach ein Vernunftwesen. Wenn er sich vernunftgemäß verhält, bewegt er sich selbst als das, was er ist; und das entspricht der Freiheit. Wenn er sündigt, handelt er außerhalb der Vernunft, und dann läßt er sich vom Antrieb eines anderen leiten und unterwirft sich fremden Schranken. Deshalb ist der, der die Sünde annimmt, Knecht der Sünde (Jo 8,34) (Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae, De malo, q. 6. a. 1).

Laßt mich noch einmal darauf zurückkommen: Jeder Mensch ist irgendeiner Art von Knechtschaft unterworfen; das ist eine offenkundige Erfahrung, die wir in oder um uns machen. Die einen beten das Geld an, die anderen die Macht; wieder andere verschreiben sich einem halbwegs beruhigenden Skeptizismus oder sie liegen vor dem goldenen Kalb der Sinnlichkeit auf den Knien. Eine ganz entsprechende Erfahrung wird uns aber auch im Umgang mit den erhabeneren Dingen zuteil. Wir gehen in einer Arbeit auf, widmen uns einem mehr oder weniger wichtigen Vorhaben, wir engagieren uns für eine wissenschaftliche, künstlerische, literarische oder religiöse Aufgabe. So läßt auch jeder leidenschaftliche Einsatz eine "Knechtschaft" entstehen, aber eine, der man sich freudig um der angestrebten Ziele willen hingibt.

Als der Hausvater in jenem Gleichnis vom Gastmahl erfährt, daß einige, die zum Fest hätten kommen sollen, sich mit Ausreden entschuldigt haben, befiehlt er seinem Knecht: Geh hinaus an die Wege und Zäune und nötige hereinzukommen - compelle intrare -, die du findest (Lk 14,23). Also doch Zwang? Wird hier nicht der legitimen Freiheit der Gewissen Gewalt angetan?

Wenn wir das Evangelium betrachten und uns in die Lehre Jesu vertiefen, wird uns aufgehen, daß diese Anordnung nicht mit Zwang verwechselt werden darf. Denn Christus deutet immer nur an: Wenn du vollkommen sein willst…, wenn einer mir nachfolgen will… Dieses compelle intrare, dränge hereinzukommen, meint nicht physischen oder moralischen Zwang, sondern den mitreißenden Schwung des christlichen Beispiels, das wirksam ist wie die Kraft Gottes: Seht, wie der Vater an sich zieht: Er erfreut durch seine Lehre, Er auferlegt keine Notwendigkeit. So zieht Er an sich (Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus, 26, 7 (PL 35, 1610]).

In einem solchen Klima der Freiheit versteht man, daß schlechtes Handeln nicht befreit, sondern versklavt. Wer gegen Gott sündigt, bewahrt die Freiheit, insofern sie Freisein von Zwang bedeutet, aber er hat sie verloren, insoweit sie Freiheit ist von Schuld (Thomas von Aquin, Ebd.). Er wird vielleicht sagen können, er sei seinen Neigungen gefolgt, doch von wahrer Freiheit kann nicht die Rede sein. Denn er ist zum Sklaven seiner Entscheidung geworden, der schlimmsten aller Entscheidungen: sich von Gott zu entfernen; doch das ist keine Freiheit.

Ich wiederhole es: Ich erkenne keine andere Knechtschaft an als die der Liebe zu Gott. Und zwar deshalb, weil die Religion, wie ich euch bei anderen Gelegenheiten schon gesagt habe, die größte Rebellion des Menschen ist, der nicht wie ein Tier leben will und der sich deshalb nicht zufrieden gibt, der keine Ruhe findet, bis er seinem Schöpfer begegnet und Ihn kennt. Ich möchte, daß ihr solche Rebellen seid, frei von Fesseln, denn ich möchte - mehr: Christus will es -, daß ihr Kinder Gottes seid. Sklaverei oder Gotteskindschaft - das ist die Alternative unseres Lebens. Entweder Kinder Gottes oder Sklaven des Stolzes, der Sinnlichkeit, des angsterfüllten Egoismus, in dem sich offenbar so viele Seelen verfangen haben.

Die Liebe Gottes weist den Weg der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Guten. Wenn wir uns dazu entschließen, dem Herrn zu antworten: Meine Freiheit für Dich! dann sind wir von allen Ketten befreit, die uns an bedeutungslose Dinge gefesselt hielten, an lächerliche Sorgen, an niedrige Ambitionen. Und die Freiheit - ein unermeßlicher Schatz, eine kostbare Perle, die man nicht den Säuen vorwerfen soll (Vgl. Mt 7,6) - dient allein dazu, das Gute zu tun (Vgl. Is 1,17).

Das ist die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Christen, die beim Anblick der Zügellosigkeit der Gottesverächter sich ängstlich oder neidvoll zurückziehen, haben einen erbärmlichen Begriff von unserem Glauben. Wenn wir wirklich das Gesetz Christi erfüllen - wenn wir uns darum bemühen, es zu erfüllen, denn nicht immer wird es uns gelingen -, werden wir in uns eine solche Sicherheit des Geistes entdecken, daß wir es nicht nötig haben, woanders nach dem Sinn der vollen Würde des Menschen zu suchen.

Unser Glaube ist weder Last noch Enge. Welch armselige Auffassung von der christlichen Wahrheit hätte der, wer ihn so empfände! Wenn wir uns für Gott entscheiden, verlieren wir nichts und gewinnen alles. Wer um den Preis seiner Seele sein Leben bewahrt, wird es verlieren; und wer sein Leben um meiner Liebe willen verliert, wird es finden (Mt 10,39).

Wir haben das große Los gezogen, den ersten Preis gewonnen. Sollten wir diese Klarheit jemals verlieren, dann müßten wir uns im Innern unserer Seele prüfen. Vielleicht stoßen wir dann auf schwächlichen Glauben, auf zu wenig persönlichen Umgang mit Gott, auf zu wenig Gebetsleben. Wir müssen den Herrn bitten - durch seine und unsere Mutter -, Er möge unsere Liebe vermehren, Er möge uns seine beseligende Gegenwart erfahren lassen; denn nur wenn man liebt, gelangt man zur vollen Freiheit - zu einer Freiheit, die niemals, in alle Ewigkeit nicht, den Gegenstand ihrer Liebe verlassen will.

Die Arbeit, Teilhabe an Gottes Macht

Vom Augenblick seiner Erschaffung an hat der Mensch arbeiten sollen. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Man braucht bloß die ersten Seiten der Heiligen Schrift aufzuschlagen. Dort lesen wir, daß - bevor die Sünde in die Welt eindrang und bevor Tod, Leid und Elend als Folgen der Sünde über die Menschheit kamen (Vgl. Röm 5,12) - Gott Adam aus dem Lehm der Erde gebildet und für ihn und seine Nachkommen eine herrliche Welt erschaffen hatte: ut operaretur et custodiret illum (Gen 2,15), damit er sie bearbeite und behüte.

Es muß uns deshalb klar sein, daß die Arbeit eine großartige Wirklichkeit und zugleich ein unausweichliches Gesetz ist, dem alle Menschen, mögen sich auch manche für nicht betroffen halten, auf die ein oder andere Weise unterworfen sind. Prägt es euch gut ein: Die Pflicht zu arbeiten ist weder eine Folge der Erbsünde noch eine Erfindung der Neuzeit. Die Arbeit ist vielmehr das notwendige Existenz-Mittel, das Gott uns auf Erden anvertraut; Er gibt uns die Tage und läßt uns an seiner Schöpfermacht teilhaben, damit wir uns unseren Lebensunterhalt verdienen und gleichzeitig Frucht für das ewige Leben sammeln (Joh 4,36): Der Mensch wird geboren zur Arbeit, die Vögel zum Fluge (Ijob 5,7).

Vielleicht möchte jemand einwenden, daß inzwischen viele Jahrhunderte vergangen sind und heute recht wenige Menschen so denken; ja, daß die meisten aus anderen Gründen arbeiten: die einen um des Geldes willen, die anderen, um die eigene Familie zu unterhalten, wieder andere, um ihren sozialen Status zu verbessern, um ihre Fähigkeiten zu entfalten, um ihre ungeordneten Leidenschaften zu befriedigen oder um zum sozialen Fortschritt beizutragen. Und schließlich: daß sie alle diese ihre Arbeit als eine Plage ansehen, vor der es kein Entrinnen gibt.

Gegenüber dieser platten, egoistischen und schäbigen Sicht der Arbeit müssen wir uns selbst und unseren Mitmenschen ins Gedächtnis rufen, daß wir Kinder Gottes sind und daß unser Vater an uns dieselbe Aufforderung richtet, wie jener Gutsbesitzer im Gleichnis an seine beiden Söhne: Mein Sohn, geh und arbeite heute im Weinberg (Mt 21,28). Ich versichere euch: Wenn wir uns tagtäglich darum bemühen, unsere persönlichen Pflichten als eine göttliche Bitte an uns zu verstehen, dann werden wir lernen, unsere Aufgaben mit der größtmöglichen Vollkommenheit im Menschlichen wie im Übernatürlichen zu Ende zu führen. Vielleicht lehnen wir uns einmal dagegen auf - auch der ältere Sohn sagte ja: Ich will nicht (Mt 21,29)-, aber gleich meldet sich dann die Reue, und wir packen bei der Erfüllung unserer Pflichten noch herzhafter an.

Wo immer wir sind, fordert uns der Herr zur Wachsamkeit auf. Nähren wir in unserer Seele das hoffnungsfrohe Verlangen nach einer Heiligkeit mit Werken, weil der Herr uns darum bittet. Schenke mir, mein Sohn, dein Herz (Spr 23,26), sagt Er uns leise. Höre auf, mit deiner Phantasie Luftschlösser zu bauen, und entschließe dich, Gott deine Seele zu öffnen, denn einzig und allein in Ihm wirst du den tragfähigen Grund für deine Hoffnung und für dein Bemühen finden, den anderen Gutes zu tun. Wenn man nicht gegen sich selbst kämpft und die Feinde, die in die innere Festung eindringen, nicht entschieden verjagt - den Stolz, den Neid, die Begierlichkeit des Fleisches und der Augen, die Selbstgerechtigkeit und das törichte Verlangen nach zügelloser Freiheit -, wenn man also keine inneren Schlachten schlagen will, dann verwelken die edelsten Ideale gleich der Blume auf der Au. Die Sonne geht auf mit ihrer Glut und versengt das Gras. Seine Blüte verwelkt, und ihr schöner Anblick ist dahin (Jak 1,10-11). Aus kleinsten Ritzen sprießen dann wie alles überwucherndes Unkraut die Entmutigung und die Traurigkeit hervor.

Christus gibt sich nicht mit dem schwankenden Ja zufrieden. Er will - und Er hat ein Recht darauf -, daß wir entschlossen vorwärtsgehen und daß wir auch dann nicht nachgeben, wenn der Weg einmal schwer wird. Er verlangt feste konkrete Schritte. Allgemeine Vorsätze sind für gewöhnlich von geringem Nutzen, denn sie bleiben zu unbestimmt; ich halte sie deshalb für trügerische Illusionen, die den Ruf Gottes in der Seele ersticken möchten: Irrlichter, die weder zünden noch wärmen und genauso flüchtig, wie sie aufgeflammt sind, wieder verschwinden.

Erst dann bin ich von der Ernsthaftigkeit deiner Absicht, das Ziel zu erreichen, überzeugt, wenn ich sehe, daß du mit Entschiedenheit voranschreitest. Tu das Gute, indem du dich prüfst, wie deine Einstellung bei den gewöhnlichen Arbeiten ist; übe Gerechtigkeit, und zwar in den dir zugänglichen Bereichen, und auch dann, wenn dir die Müdigkeit zusetzt; mache deine Mitmenschen etwas glücklicher, indem du ihnen voller Freude dort dienst, wo du stehst; und erledige deine Arbeit so vollkommen wie nur möglich: mit Einfühlungsgabe, mit einem Lächeln, in christlicher Haltung. Und all das aus Liebe zu Gott und um Ihn zu ehren, den Blick auf Ihn gerichtet und mit der Sehnsucht nach der ewigen Heimat. Das ist das einzige Ziel, das sich wirklich lohnt.