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Es gibt 3 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Glaube → Freiheit der Gewissen.

Die Freiheit der Gewissen

Im Laufe meiner langen priesterlichen Arbeit, in der ich die Liebe zur persönlichen Freiheit nicht nur gepredigt, sondern geradezu hinausgeschrien habe, traf ich gelegentlich auf ein gewisses Mißtrauen, so als befürchte man, die Betonung der Freiheit könnte den Glauben gefährden. Nun, die Kleinmütigen mögen sich beruhigen: nur eine irrige Freiheitsauffassung verstößt gegen den Glauben: eine Freiheit, die ohne Ziel, ohne Norm, ohne Gesetz, ohne Verantwortung ist; mit einem Wort - eine zügellose Freiheit. Leider wird die von manchen verfochten; und das stellt in der Tat einen Angriff auf den Glauben dar.

Deshalb ist es unzutreffend, von Gewissensfreiheit zusprechen, wenn damit moralisch die Ablehnung Gottes gerechtfertigt werden soll. Wir sprachen ja schon davon, daß wir uns den heilbringenden Absichten Gottes zu widersetzen vermögen; wir können es, aber wir dürfen es nicht tun. Nähme jemand bewußt diese Haltung ein, dann wäre das Sünde, Übertretung des ersten und grundlegenden Gebotes: Du sollst Gott lieben mit deinem ganzen Herzen (Dtn 6,5).

Ich trete mit allem Nachdruck für die Freiheit der Gewissen (Leo XIII., Enz. Libertas praestantissimum, ASS 20 (1888. 606) ein, zu der auch wesentlich gehört, daß niemand einen Menschen daran hindern darf, Gott zu verehren. Das legitime Verlangen nach der Wahrheit muß respektiert werden: Zwar hat der Mensch die unerläßliche Pflicht, den Herrn zu suchen, Ihn zu erkennen und Ihn anzubeten, aber niemand auf Erden darf einem anderen die Ausübung eines Glaubens aufzwingen, den dieser nicht hat; und ebensowenig darf sich jemand das Recht herausnehmen, den zu behelligen, der diesen Glauben von Gott empfangen hat.

Verantwortlich vor Gott

Gott schuf im Anfang den Menschen und überließ ihnder eigenen Entscheidung (Sir 15,14). Dies wäre nicht der Fall, wenn er nicht Freiheit der Wahl besäße (Thomas von Aquin, Ebd.). Wir sind vor Gott für unser gesamtes Handeln verantwortlich, das wir frei verwirklichen. Hier gibt es keinen Raum für Anonymität. Der Mensch steht vor seinem Herrn und kann frei darüber entscheiden, ob er als sein Freund oder sein Feind leben will. So beginnt der Weg des inneren Kampfes, der uns unser ganzes Leben hindurch begleitet; denn niemand erreicht schon auf Erden die Fülle der Freiheit.

Unser christlicher Glaube bringt uns außerdem dazu, in allem eine Atmosphäre der Freiheit zu verbreiten, angefangen bei der Darlegung des Glaubens, die jeden mehr oder minder versteckten Zwang ausschalten muß. Wenn wir zu Christus hingeschleppt werden, glauben wir, ohne es von innen heraus zu wollen; das wäre eine Frucht der Gewalt, nicht der Freiheit. Wohl kann jemand wider seinen Willen in die Kirche eintreten, sich dem Altar nähern; ja, die Sakramente empfangen - aber glauben kann nur, wer glauben will (Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus, 26, 2 (PL 35, 1607]). Es ist offensichtlich, daß ein Mensch, der zum Gebrauch der Vernunft gelangt ist, nur in persönlicher Freiheit Glied der Kirche sein und den ständigen Aufforderungen des Herrn an uns entsprechen kann.

Ich wiederhole es: Ich erkenne keine andere Knechtschaft an als die der Liebe zu Gott. Und zwar deshalb, weil die Religion, wie ich euch bei anderen Gelegenheiten schon gesagt habe, die größte Rebellion des Menschen ist, der nicht wie ein Tier leben will und der sich deshalb nicht zufrieden gibt, der keine Ruhe findet, bis er seinem Schöpfer begegnet und Ihn kennt. Ich möchte, daß ihr solche Rebellen seid, frei von Fesseln, denn ich möchte - mehr: Christus will es -, daß ihr Kinder Gottes seid. Sklaverei oder Gotteskindschaft - das ist die Alternative unseres Lebens. Entweder Kinder Gottes oder Sklaven des Stolzes, der Sinnlichkeit, des angsterfüllten Egoismus, in dem sich offenbar so viele Seelen verfangen haben.

Die Liebe Gottes weist den Weg der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Guten. Wenn wir uns dazu entschließen, dem Herrn zu antworten: Meine Freiheit für Dich! dann sind wir von allen Ketten befreit, die uns an bedeutungslose Dinge gefesselt hielten, an lächerliche Sorgen, an niedrige Ambitionen. Und die Freiheit - ein unermeßlicher Schatz, eine kostbare Perle, die man nicht den Säuen vorwerfen soll (Vgl. Mt 7,6) - dient allein dazu, das Gute zu tun (Vgl. Is 1,17).

Das ist die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Christen, die beim Anblick der Zügellosigkeit der Gottesverächter sich ängstlich oder neidvoll zurückziehen, haben einen erbärmlichen Begriff von unserem Glauben. Wenn wir wirklich das Gesetz Christi erfüllen - wenn wir uns darum bemühen, es zu erfüllen, denn nicht immer wird es uns gelingen -, werden wir in uns eine solche Sicherheit des Geistes entdecken, daß wir es nicht nötig haben, woanders nach dem Sinn der vollen Würde des Menschen zu suchen.

Unser Glaube ist weder Last noch Enge. Welch armselige Auffassung von der christlichen Wahrheit hätte der, wer ihn so empfände! Wenn wir uns für Gott entscheiden, verlieren wir nichts und gewinnen alles. Wer um den Preis seiner Seele sein Leben bewahrt, wird es verlieren; und wer sein Leben um meiner Liebe willen verliert, wird es finden (Mt 10,39).

Wir haben das große Los gezogen, den ersten Preis gewonnen. Sollten wir diese Klarheit jemals verlieren, dann müßten wir uns im Innern unserer Seele prüfen. Vielleicht stoßen wir dann auf schwächlichen Glauben, auf zu wenig persönlichen Umgang mit Gott, auf zu wenig Gebetsleben. Wir müssen den Herrn bitten - durch seine und unsere Mutter -, Er möge unsere Liebe vermehren, Er möge uns seine beseligende Gegenwart erfahren lassen; denn nur wenn man liebt, gelangt man zur vollen Freiheit - zu einer Freiheit, die niemals, in alle Ewigkeit nicht, den Gegenstand ihrer Liebe verlassen will.