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Es gibt 12 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Neues Testament  → Lehrstücke, Gleichnisse und bildhafte Ausdrücke.

Wenn wir das Wort des Herrn betrachten: ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt seien (Joh 17,19), wird uns deutlich, worin unser einziges Ziel besteht: darin, uns zu heiligen; heilig zu werden, um andere zu heiligen. Hier mag sich die Versuchung eines leisen Zweifels melden: Wir, die wir zur Befolgung der göttlichen Aufforderung fest entschlossen sind, seien gar nicht so zahlreich, und außerdem als Werkzeuge gar nicht so wertvoll. Ja, im Vergleich zu der Gesamtheit der Menschen sind wir nur wenige, und als einzelne taugen wir nicht viel. Aber unser Meister sagt uns mit aller Bestimmtheit, daß der Christ Licht, Salz, Sauerteig der Welt ist, und schon ein wenig Sauerteig durchsetzt den ganzen Teig (Gal 5,9). Gerade deshalb habe ich immer wieder gesagt, daß uns alle Menschen interessieren, von Hundert alle Hundert, und keinen einzigen nehmen wir aus, denn wir wissen, daß Christus alle erlöst hat und einige wenige in seinen Dienst nehmen will, damit sie, die selbst nichts sind, sein Heil ausbreiten helfen.

Ein Jünger Christi wird niemals einen Mitmenschen geringschätzig behandeln; er wird den Irrtum beim Namen nennen, aber den Irrenden in Liebe zurechtweisen, sonst könnte er ihm nicht helfen, ihn nicht heiligen. Was not tut, ist Wohlwollen, Verstehen, Entschuldigen, brüderliches Begegnen, und in allem den Rat des heiligen Johannes vom Kreuz beherzigen: Lege Liebe dort hinein, wo es keine Liebe gibt, und du wirst Liebe finden (Vgl. Johannes vom Kreuz, Brief an Maria von der Menschwerdung, 6. 7. 1591). Auch für Dinge, die scheinbar nicht von Belang sind in der beruflichen Arbeit, im Familienleben oder im Umgang mit Bekannten, gilt dies. Uns muß also daran liegen, jede Gelegenheit, sei sie auch noch so alltäglich, wahrzunehmen: und indem wir sie heiligen, heiligen wir uns und heiligen wir jene Menschen, die mit uns die Sorgen des Alltags teilen. So werden wir in unserem Leben die milde, liebenswerte Last eines Miterlösers verspüren.

Ein Eselchen war sein Thron

Greifen wir wieder zum Evangelium und schauen wir auf unser Vorbild, auf Jesus Christus.

Jakobus und Johannes haben durch ihre Mutter den Herrn um einen Platz zu seiner Rechten und zu seiner Linken gebeten. Die anderen Jünger ärgern sich über sie. Und der Herr - was antwortet Er? Wer unter euch groß sein will, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der erste sein will, der sei aller Knecht. Der Menschensohn ist auch nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für viele (Mk 10,43-45).

Bei einer anderen Gelegenheit sind sie unterwegs nach Kapharnaum, der Herr geht ihnen voran, wie so oft. Zuhause angelangt, fragte Er sie: "Wovon habt ihr unterwegs gesprochen?" Sie schwiegen; denn sie hatten unterwegs - wieder einmal! - darüber gestritten, wer unter ihnen der Größte sei. Da setzte Er sich nieder, rief die Zwölf zu sich und sprach zu ihnen: "Wer der Erste sein will, der sei der Letzte und aller Knecht". Dann nahm Er ein Kind, stellte es mitten unter sie, schloß es in seine Arme und sprach zu ihnen: "Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt,der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat" (Mk 9,32-36).

Ist sie nicht liebenswert, diese Handlungsweise Jesu? Er unterweist die Jünger, und damit sie die Lehre erfassen, stellt Er sie vor ein lebendiges Beispiel. Er ruft eins von den Kindern, die sicherlich in jenem Hause selbst wohnten, und umarmt es, schweigend, mit einer eindrucksvollen Geste, die alles besagt: ja, Er liebt die, die wie die Kinder werden. Und dann erklärt Er, wohin solche Einfachheit und geistige Demut führen: daß man Ihn und den Vater im Himmel umarmen kann.

Aus dieser Sicht muß in euch die Überzeugung erwachsen, daß der aufrichtige Wunsch, dem Herrn von nahem zu folgen und Gott und allen Menschen wirklich zu dienen, die ungeschmälerte Loslösung vom eigenen Ich erfordert: von den Gaben des Intellekts, von der Gesundheit, der Ehre, von noblen Ambitionen, von Erfolgen und Triumphen.

Ja, auch jene guten Anliegen schließe ich hier ein - denn so weit muß deine Entschlossenheit reichen -, die aus dem Wunsch hervorgehen, nur die Ehre Gottes zu suchen und Ihn in allem zu preisen. Bei solchen Anliegen soll unser Wille klar und bestimmt reagieren: Herr, ich möchte dies oder jenes, aber nur, wenn es Dir gefällt, wozu sonst nützte es mir? Wir versetzen so dem Egoismus und der Eitelkeit, die sich in unser aller Herz einschleichen, den Todesstoß und gewinnen auf diesem Weg den wahren Frieden der Seele; denn in dem Maße, da sie sich loslöst, birgt sie sich immer inniger und stärker in Gottes Armen.

Um Christus ähnlich zu werden, muß das Herz ganz frei von Anhänglichkeiten sein. Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und so folge er mir. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Denn was nutzt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber dabei seine Seele verliert? (Mt 16,24-26)Dazu sagt der heilige Gregor: Es genügt nicht, von den Dingen losgelöst zu leben, wenn wir uns außerdem nicht von uns selbst loslösten. Aber () wohin werden wir uns dann außerhalb von uns wenden? Und wer wird verzichten, wenn dies bedeutet, zu entsagen?

Wisset aber: Eine ist unsere Lage als wegen der Sünde Gefallene, und eine andere als von Gott Gebildete. Nach einer bestimmten Verfassung sind wir erschaffen worden, in einer anderen Verfassung befinden wir uns, durch uns selbst verursacht. Entsagen wir also dem, was wir durch unsere Sünden geworden sind, und verbleiben wir so, wie wir durch die Gnade verfaßt sind. Jener, der als Hochmütiger geboren, zu einem Demütigen wird, indem er sich zu Christus bekehrt, hat sich bereits selbst überwunden; jener, der ein Wollüstiger war und sich zu einem Leben der Enthaltsamkeit bekehrt, hat dem entsagt, was er früher war; jener, der geizig war und nicht mehr begehrt, sondern beginnt, mit seinem Eigenen freigebig zu sein, statt daß er sich fremdes Eigentum aneignet, hat sich gewiß selbst überwunden (Gregor der Große, Homiliae in Evangelia, 32, 2 (PL 76, 1233]).

Man kann sagen: Unser Herr lebt immer ganz dem jeweiligen Tage und erfüllt hier und heute den Auftrag des Vaters. Er verhält sich gemäß seinen eigenen göttlichen Worten, die uns eine so besonders plastisch-bildhafte Lehre geben: Seid nicht ängstlich besorgt für das Leben, was ihr essen, noch für den Leib, was ihr anziehen sollt. Denn das Leben ist mehr als die Nahrung, und der Leib mehr als die Kleidung. Betrachtet die Raben! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie haben nicht Vorratskammer noch Scheune: Doch Gott ernährt sie. Wieviel mehr wert seid ihr als die Vögel! (…) Betrachtet die Lilien! Wie sie wachsen! Sie spinnen nicht und weben nicht. Ich sage euch aber: Selbst Salomon in all seiner Pracht war nicht so gekleidet wie eine einzige von ihnen. Wenn nun Gott das Gras, das heute auf dem Felde steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, wieviel mehr euch, ihr Kleingläubigen! (Lk 12,22-24; 27-28)

Wieviele Sorgen, wieviel Kummer blieben uns erspart, wenn wir - stark im Glauben! - mehr Vertrauen auf die göttliche Vorsehung und eine tiefere Gewißheit des göttlichen Beistandes hätten, der uns niemals fehlen wird. Uns bedrängten dann viele Sorgen nicht mehr, die nach einem Wort des Herrn den Menschen der Welt (Lk 12,30)eigen sind, denen also, die keinen Sinn für das Übernatürliche haben. Mit dem Vertrauen eines Freundes, eines Priesters, eines Vaters möchte ich euch für jede Lebenssituation ins Gedächtnis rufen, daß wir durch die Barmherzigkeit Gottes Kinder dieses unseres Vaters sind, der allmächtig ist und im Himmel ebenso wie in der Tiefe unseres Herzens wohnt; gleichsam mit Feuer möchte ich euch einprägen, daß wir auf unserem irdischen Weg - innerlich losgelöst von so vielen, angeblich unentbehrlichen Dingen - nur Gründe zum Optimismus haben; denn euer Vater weiß ja, daß ihr dies nötig habt (Ebd.), und Er wird für alles sorgen. Glaubt mir: Nur so leben wir wirklich als Herren der Schöpfung (Vgl. Gen 1,26-31) und verfallen nicht jener unheimlichen Sklaverei wie die vielen, die vergessen, daß sie Kinder Gottes sind und für ein Morgen oder für ein Später eifrig planen, das sie vielleicht nicht mehr erleben werden.

Darum mein Rat: Wollt ihr stets Herr über euch selbst bleiben, dann strebt nach einer vollkommenen Loslösung, ohne Angst, ohne Bedenken, ohne Argwohn. Ihr werdet beim Erfüllen eurer persönlichen und familiären Pflichten alle unbedenklichen irdischen Mittel mit lauterer Absicht einsetzen und dabei daran denken, daß ihr Gott, der Kirche, eurer Familie, eurer eigenen beruflichen Arbeit, eurem Land und der ganzen Menschheit dient. Haltet euch immer wieder vor Augen, daß es ja nicht darum geht, ob einer dies hat oder jenes nicht hat, sondern darum, daß wir uns gemäß der Wahrheit unseres christlichen Glaubens verhalten, der uns lehrt, daß die geschaffenen Dinge nur Mittel sind. Wehrt euch also gegen die trügerische Illusion, in ihnen etwas Endgültiges zu sehen: Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie vernichten und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost sie vernichten, wo keine Diebe einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz (Mt 6,19-21).

Wenn ein Mensch sein Glück ausschließlich in den Dingen dieser Welt sucht, vergewaltigt er den vernunftgemäßen Umgang mit ihnen und zerstört die von der Weisheit des Schöpfers gewollte Ordnung. Ich bin hier Zeuge von wahren Tragödien geworden. Das Herz, traurig und unbefriedigt, wandelt dann die Wege eines nie endenden Verdrusses und wird schon auf Erden zum Sklaven, zum Opfer gerade jener Güter, die man mit unzähligen Mühen und Entbehrungen hat ansammeln können. Vor allem aber bitte ich euch: vergeßt niemals, daß Gott in keinem Menschenherzen wohnen kann, das im Schlamm einer ungeordneten, niedrigen, sinnlosen Liebe steckt. Niemandkann zwei Herren dienen. Entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon (Mt 6,24). Dafür müssen wir uns einer anderen Liebe zuwenden, die uns selig macht (…), nämlich unser Verlangen auf die Schätze dort oben richten (Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, 63, 3 (PG 58, 607]).

Mit diesen Worten möchte ich bei dir nicht bewirken, daß du nunmehr darauf verzichtest, deine Pflichten zu erfüllen und deine Rechte zu vertreten. Im Gegenteil: Für uns bedeutete ein Zurückweichen an dieser Front meistens nur, daß wir dem Kampf um die Heiligkeit, zu dem Gott uns gerufen hat, feig aus dem Wege gehen. Deshalb bist du im Gewissen verpflichtet, besonders bei deiner Arbeit alles daranzusetzen, daß dir und den Deinen nichts von dem fehlt, was für ein Leben in christlicher Würde angemessen ist. Werde nicht traurig und bäume dich nicht auf, wenn du einmal am eigenen Leibe die Last der Not spüren mußt; aber - ich wiederhole es - setze alle rechtschaffenen Mittel ein, um eine solche Notlage zu überwinden, denn alles andere hieße Gott versuchen. Und während du kämpfst, vergiß nicht: omnia in bonum! - denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten (Vgl. Röm 8,28), auch die Not, auch die Armut. Von nun an gewöhne dich daran, die kleinen Beeinträchtigungen mit Freude hinzunehmen: Unannehmlichkeiten, Kälte, Hitze, den Verzicht auf etwas, das dir notwendig erscheint, die Unmöglichkeit, dich wie und wann es dir lieb wäre zu erholen, den Hunger, die Einsamkeit, den Undank, das Unverständnis, die Ehrabschneidung…

Der Weg des Christen

Wie durchsichtig ist doch die Lehre Jesu Christi! Wir wollen unserer Gewohnheit folgen und das Neue Testament aufschlagen, diesmal das elfte Kapitel des Matthäus-Evangeliums: Lernet von mir, denn ich bin sanft und demütig von Herzen (Mt 11,29). Begreifst du? Wir müssen von Ihm, von Jesus, lernen. Er ist das einzige Vorbild. Wenn du ohne zu stolpern und ohne vom Pfade abzuirren voranschreiten willst, genügt es, daß du den Weg gehst, den Er ging, daß du deine Füße in seine Fußstapfen setzt, dich in sein demütiges, geduldiges Herz hineintraust, daß du aus der Quelle seiner Gebote und seiner anziehenden Worte trinkst. Kurz, du mußt dich darum bemühen, mit Christus gleichförmig zu werden und unter den Menschen, deinen Brüdern, selbst ein anderer Christus zu sein.

Damit niemand sich etwas vormacht, wollen wir eine andere Stelle aus dem Matthäus-Evangelium betrachten: Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und so folge er mir (Mt 16,24). Der Weg Gottes ist ein Weg des Verzichtes, der Abtötung, der Hingabe, nicht aber ein Weg der Traurigkeit oder der Verzagtheit.

Blicke auf das Beispiel Christi, das Er uns gegeben hat, von der Krippe im Stall zu Bethlehem bis hin zu seinem Thron auf Golgotha. Sieh, wie selbstlos Er Entbehrungen auf sich nimmt: Hunger, Durst, Erschöpfung, Hitze, Müdigkeit, Mißhandlungen, Unverständnis, Tränen… (Vgl. Mt 4,1-11; Mt 8,20; Mt 8,24; Mt 12,1; Mt 21,18-19; Lk 2,6-7; Lk 4,15-30; Lk 11,53-54; Joh 4,6; Joh 11,33-35) - doch auch die Freude ist da, weil Er allen Menschen das Heil bringt. Ich wünschte sehr, du prägtest dir in Verstand und Herz die Aufforderung des heiligen Paulus an die Epheser ein, unverzagt den Schritten Christi zu folgen; ich möchte, daß du das oft betrachtest, um praktische Konsequenzen daraus zu ziehen. Paulus schreibt: Nehmt Gott zum Vorbild als seine geliebten Kinder. Wandelt in der Liebe, wie auch Christus euch geliebt und sich für uns als Opfergabe hingegeben hat, Gott zum lieblichen Wohlgeruch (Eph 5,1-2).

Wir wollen wieder unsere Aufmerksamkeit dem Meister zuwenden. Vielleicht vernimmst auch du in diesem Augenblick den Tadel, den Christus an Thomas richtete: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände. Reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite und sei nicht mehr ungläubig, sondern gläubig (Joh 20,27). Ebenso wie Thomas rufe auch du in aufrichtiger Reue: Mein Herr und mein Gott! (Joh 20,28) - Ich erkenne Dich an für immer als meinen Meister, und für immer will ich, mit Deiner Hilfe, Deine Lehren wie einen Schatz hüten und in Treue zu befolgen suchen.

Wenn wir im Evangelium ein paar Seiten zurückblättern, stoßen wir auf jene Stelle, da Jesus sich zum Gebet zurückgezogen hat und die Jünger, die in seiner Nähe sind, Ihn vermutlich beobachten. Nachdem der Herr sein Gebet beendet hat, faßt sich einer ein Herz und bittet Ihn: "Herr,lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat". Da sagte Er zu Ihnen: "Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name" (Lk 11,1-2).

Seht, wie überraschend diese Antwort ist. Die Jünger sind ständig mit Jesus zusammen, und der Herr sagt ihnen, mitten in einem Gespräch, wie sie beten sollen. Er offenbart ihnen das große Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit: daß wir Kinder Gottes sind und daß wir uns vertrauensvoll mit Ihm unterhalten dürfen, so wie der Sohn mit seinem Vater spricht.

Manche haben eine Vorstellung vom Frömmigkeitsleben und von der Art, wie ein Christ mit seinem Herrn Umgang pflegen muß, die unangenehm, theoretisch, formell ist, zu seelenlosem Hersagen entartet. Derlei führt nicht zum persönlichen Gespräch von Du zu Du mit unserem Vater Gott, sondern nur in die Anonymität; und dabei müßte doch klar sein, daß ein echtes mündliches Gebet niemals anonym ist. Eine solche Auffassung erinnert mich an den Rat des Herrn: Wenn ihr betet, so plappert nicht wie die Heiden. Die meinen, sie fänden Erhörung, wenn sie viele Worte machen. Macht es ihnen nicht nach, Euer Vater weißja,was euch not tut, ehe ihr ihn bittet (Mt 6,7-8). Ein Kirchenvater erläutert es so: Damit scheint mir Christus sagen zu wollen, man solle die Gebete nicht lang machen, das heißt lang nicht der Zeit nach, sondern durch die Menge und Länge der Worte. () Der Herr selbst führte jenes Gleichnis mit der Witwe an, die den unbarmherzigen, grausamen Richter durch beharrliches Bitten umstimmte, sowie das andere Beispiel mit dem Freunde, der zu unzeitiger Nachtstunde daherkommt und den Schläfer von seinem Lager aufscheucht, nicht wegen seiner Freundschaft, sondern durch seine Beharrlichkeit (vgl. Lk 11,5-8; 18,1-8). Mit beiden Gleichnissen wollte Er uns aber keine andere Lehre geben als die, daß wir uns alle mit Beharrlichkeit an Ihn wenden sollen. Dagegen will Er ganz und gar nicht, daß wir mit meilenlangen Gebeten zu Ihm kommen, sondern daß wir unsere Anliegen mit aller Einfachheit vorbringen (Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, 19, 4 (PG 57, 278]).

Jedenfalls aber: Wenn es euch zu Beginn eurer Betrachtung nicht gelingt, die Aufmerksamkeit auf Gott zu konzentrieren, wenn ihr nur Trockenheit empfindet und der Verstand unfähig zu sein scheint, auch nur einen einzigen Gedanken hervorzubringen, wenn sich im Gemüt nichts regt, dann rate ich euch, das zu tun, was ich immer in einer solchen Lage getan habe: Versetzt euch in die Gegenwart eures Vaters und sagt Ihm zumindest: Herr, ich kann nicht beten, mir fällt überhaupt nichts ein, was ich Dir erzählen könnte!… Seid versichert, daß ihr in diesem Augenblick angefangen habt zu beten.

Mischt euch oft unter die Gestalten des Neuen Testaments. Nehmt voller Glück jene ergreifenden Episoden vom göttlichen und menschlichen Handeln und Sprechen des Meisters in euch auf, wenn Er die wunderbaren Parabeln von der Vergebung und von der ständig bleibenden Liebe zu seinen Kindern erzählt. Auch heute ahnen wir in der ständigen Aktualität des Evangeliums etwas vom Himmel: Es wird vernehmbar, spürbar, ja mit Händen greifbar, daß Gott uns beschützt; und dieser göttliche Schutz wird immer deutlicher, je mehr wir trotz unseres Stolperns voranschreiten, beginnen und immer wieder beginnen - denn darin besteht das innere Leben, das sich aus der Hoffnung auf Gott nährt.

Ohne den echten Eifer, die inneren und äußeren Hindernisse überwinden zu wollen, wird uns der Siegeskranz nicht zuteil. Wer im Ringkampf auftritt, erhält nur dann den Siegeskranz, wenn er ordnungsgemäß kämpft (2 Tim 2,5). Der Kampf wäre nicht ordnungsgemäß, wenn es keinen Gegner gäbe, gegen den man antritt. Wenn es daher keinen Gegner gibt, gibt es keinen Kranz, denn wo kein Besiegter ist, kann es keinen Sieger geben (Gregor von Nyssa, De perfecta christiani forma, (PG 46, 286]).

Die Widerwärtigkeiten nehmen uns also nicht den Mut, sondern sie spornen uns an, als Christen zu wachsen: Der Kampf heiligt uns und macht unsere apostolische Arbeit wirksamer. Wenn wir betrachten, wie Jesus Christus, zuerst im Ölgarten und dann in der schmachvollen Verlassenheit des Kreuzes, den Willen des Vaters annimmt und liebt, während das ungeheuerliche Gewicht der Passion auf Ihm lastet, dann wird uns deutlich, daß Ihm nachzufolgen, für einen guten Jünger auch einschließt, den Rat des Herrn ernstzunehmen: Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und so folge er mir (Mt 16,24). Darum halte ich die Bitte Herr, kein Tag ohne Kreuz! für sehr gut. Mit Hilfe der Gnade wird sich so unser Charakter festigen, und Gott wird uns gebrauchen können, trotz unseres Elends.

Verstehst du? Wenn du einen Nagel in die Wand schlägst und auf keinen Widerstand stößt, wie kannst du an ihm etwas aufhängen? Wenn wir nicht mit Gottes Beistand, durch das Opfer stärker werden, können wir niemals taugliche Werkzeuge des Herrn sein. Wenn wir uns dagegen entschließen, die Widerwärtigkeiten aus Liebe zu Gott freudig zu nutzen, wird es uns nicht schwer fallen, das Mühsame und Unangenehme, das Harte und Unbequeme mit dem Ausruf der Apostel Jakobus und Johannes hinzunehmen: Wir können es! (Mk 10,39)

*Homilie, gehalten am 6. April 1967

Aus der Menge heraus hat ein Schriftgelehrter dem Herrn eine Frage gestellt; er gehört zu denen, die im Gestrüpp einer selbstentwickelten, sterilen Kasuistik die Moses geoffenbarte Lehre nicht mehr wahrzunehmen vermochten. Die göttliche Antwort Jesu an ihn, gemessen und von der sicheren Überzeugungskraft eines zutiefst Wissenden getragen, lautet: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben, mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Gemüt. Dies ist das erste und größte Gebot. Das zweite aber ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten (Mt 22,37-40).

Vergegenwärtigt euch jetzt den Meister, mit seinen Jüngern versammelt in der vertrauten Gemeinschaft des Abendmahlsaales. Die Stunde seines Leidens naht, der Herr ist umgeben von den Menschen, die Er liebt, und sein Herz ist ein einziger Feuerbrand. Er sagt zu seinen Jüngern: Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe. So sollt auch ihr einander lieben. Daran sollen alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt (Joh 13,34-35).

Um den Herrn durch die Lektüre des heiligen Evangeliums näher zu kommen, habe ich euch immer empfohlen, euch in die jeweilige Szene so hineinzuversetzen, als ob ihr eine der anwesenden Personen wäret. Dann werdet ihr wie Maria - und ich kenne viele ganz normale Menschen, die so leben - nur für Ihn da sein und an seinen Lippen hängen, oder wie Martha wagen, Ihm aufrichtig all eure Sorgen, auch die unbedeutendsten, anzuvertrauen (Vgl. Lk 10,39-40).

Wie sich die Liebe ausdrückt

Mir gefällt das Wort, das der Heilige Geist durch den Propheten Isaias spricht: Discite benefacere (Jes 1,17), lernt Gutes tun. Ich pflege diesen Rat auf die verschiedenen Aspekte unseres inneren Kampfes zu beziehen, denn niemals kann man das christliche Leben als vollendet betrachten: das Wachsen in den Tugenden ist ja Frucht einer wirklichen Arbeit an sich selbst, Tag für Tag.

Im täglichen Leben, wie lernen wir da eigentlich, eine Arbeit zu verrichten? Zuerst fragen wir uns nach dem Ziel, das wir erreichen wollen, und nach den dazu erforderlichen Mittel; dann setzen wir diese Mittel ein, immer wieder, solange, bis wir jene aus eingefleischter Übung resultierende Leichtigkeit in unserem Tun erreichen. Und kaum sind wir soweit, entdecken wir auch schon andere, bis dahin uns unbekannte Aspekte; sie spornen uns an, weiter zu arbeiten und niemals aufzuhören.

Die Liebe zum Nächsten ist Ausdruck der Liebe zu Gott. Wenn wir uns daher bemühen, in dieser Tugend zu wachsen, dürfen wir uns keine Grenzen setzen: Ihn ohne Maß lieben ist das einzige Maß, das dem Herrn gegenüber gilt. Denn einerseits werden wir nie genug für alles danken können, was Er für uns getan hat; und andererseits offenbart sich seine Liebe zu den Geschöpfen eben als ein Übermaß, jenseits aller Berechnungen und Grenzen.

Uns alle, die wir bereit sind, die Seele seinem Wort zu öffnen, lehrt der Herr in der Bergpredigt das göttliche Gebot der Liebe. Gleichsam zusammenfassend, sagt Er am Schluß: Liebet eure Feinde, tut Gutes und leiht, ohne etwas zurückzuerwarten. Dann wird euer Lohn groß sein; denn auch Er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid also barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist (Lk 6,35-36).

Barmherzigkeit ist mehr als bloßes Mitleid: Sie ist Überfluß der Liebe und bringt Überfluß an Gerechtigkeit hervor. Der Barmherzige hat ein Herz, das feinfühlig empfindet und mit einer starken, opferbereiten, großzügigen Liebe antwortet. Paulus preist diese Liebe hoch: Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, die Liebe ist nicht eifersüchtig. Sie prahlt nicht, überhebt sich nicht, sie handelt nicht unschicklich, sucht nicht das Ihre, kennt keine Erbitterung, trägt das Böse nicht nach. Am Unrecht hat sie keinen Gefallen, mit der Wahrheit freut sie sich. Alles erträgt sie, alles glaubt sie, alles hofft sie, alles duldet sie (1 Kor 13,4-7).

Um dem Gebet den Weg zu ebnen, pflege ich - und das mag einigen von euch ebenfalls hilfreich sein - auch rein geistige Wirklichkeiten gleichsam greifbar zu machen. Hat es doch unser Herr ebenso gehalten. Er lehrte gerne in Gleichnissen und Bildern, die Er aus der normalen Umwelt seiner Zuhörer nahm: Er spricht vom Hirten und von den Schafen, vom Weinstock und den Reben, von Booten und Netzen, von dem Samen, den der Sämann sät…

Das Wort Gottes ist in unsere Seele gefallen. Wie ist der Erdboden, den wir diesem Samen bieten? Ist er sehr steinig? Mit Dornen überwachsen? Oder vielleicht durch zuviel rein irdische, kleinliche, schwerfällige Schritte festgetreten? Herr, gib, daß ich gutes Erdreich sei, gute, fruchtbare Erde, dem Regen und der Sonne offen; gib, daß Deine Saat aufgeht und volle Ähren, guten Weizen hervorbringt.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige (Joh 15,5). Die Zeit der Weinlese naht. An den Weinstöcken hängen lange, dünne, biegsame, knotige Zweige voller Trauben, reif für die Ernte. Betrachtet die Rebzweige: Sie haben den Saft des Weinstocks empfangen und jetzt tragen sie reiche Frucht. Noch vor ein paar Monaten ganz junge Triebe, sind sie jetzt reifes und süßes Fruchtfleisch, das Auge und Herz vieler Menschen erfreuen wird (Vgl. Ps 103,15). Halb von der Erde bedeckt, liegen einige Zweige am Boden, die sich vom Stock losgelöst haben. Auch sie waren Reben, nun aber verdorrt und ausgetrocknet; das anschauliche Sinnbild der Unfruchtbarkeit. Denn ohne mich könnt ihr nichts tun (Joh 15,5).

Das Gleichnis vom verborgenen Schatz. Stellt euch die Freude des glücklichen Finders vor. Für ihn sind Kummer und Not vorüber. Er verkauft alles, was er hat, um den Acker zu kaufen. Sein Herz ist, wo sich sein Schatz verbirgt (Vgl. Mt 6,21). Unser Schatz ist Christus. Es soll uns nichts ausmachen, allen hinderlichen Ballast über Bord zu werfen, um Ihm folgen zu können. Ohne diese unnütze Last wird unser Boot geradewegs zum sicheren Hafen der Liebe Gottes gelangen.

Verzeichnis der Schriftstellen
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