Vorwort

Versetze dich in die Wunden des gekreuzigten Herrn. (Der Weg, Punkt 288) Als Msgr. Josemaría Escrivá de Balaguer den Ratsuchenden, die ihr inneres Leben vertiefen wollten, diesen Weg wies, teilte er ihnen nur seine eigene Erfahrung mit. Er zeigte ihnen den geraden Weg, den er sein ganzes Leben lang gegangen war und der ihn zu den höchsten Gipfeln der Spiritualität geführt hatte. Immer ist bei ihm die Liebe zu Jesus eine greifbare Wirklichkeit gewesen: kraftvoll und zart, kindhaft und zu Herzen gehend.

Eindringlich und überzeugend pflegte der Gründer des Opus Dei zu versichern, daß das christliche Leben letztlich in nichts anderem bestehe als Christus nachzufolgen: das ist das ganze Geheimnis. Es gilt, Ihn so sehr aus der Nähe zu begleiten, daß wir mit Ihm zusammen leben wie die ersten Zwölf; so nahe, daß wir mit Ihm eins werden, so fügte er hinzu (Freunde Gottes, Nr. 299). Deshalb empfahl er, immer wieder das Evangelium zu meditieren. Diejenigen, denen es vergönnt war, seine Betrachtungen zu Ereignissen aus dem Leben Christi zu hören, haben sie als etwas Lebendiges und Aktuelles erfahren, weil sie dazu gebracht wurden, sich als Teilnehmer am Geschehen zu fühlen.

Unter allen Evangelienberichten verweilte Msgr. Escrivá de Balaguer besonders gern und eingehend bei denen über den Tod und die Auferstehung Jesu. Sein Blick richtete sich hierbei vor allem auf die Heiligste Menschheit unseres Herrn: wie Christus sich, von seinem Wunsch nach Nähe zu jedem einzelnen gedrängt, in der Schwachheit des Menschen und im Glanz Gottes offenbart. Deswegen, so sagte er, rate ich immer die Lektüre von Büchern über die Leidensgeschichte des Herrn an. Diese Schriften, die echt fromm sind; vergegenwärtigen uns den Sohn Gottes, der Mensch wie wir und zugleich wahrer Gott ist und der im Fleische um der Erlösung der Welt willen liebt und leidet (Ibid).. Und es ist wahr: ein Christ reift und wird stark, wenn er nahe dem Kreuze steht - dort, wo er auch Maria, seine Mutter, findet. Und dort entdeckt er in der Kraft des Heiligen Geistes, daß er selbst dazu berufen ist, sich der Großtat der Erlösung anzuschließen, indem er inmitten der Mühen des Alltags am Leiden Christi teilnimmt (Vgl KoI 1, 24). So lesen wir in der Konstitution Gaudium et spes: "Ja wir halten fest: Durch seine Gott dargebrachte Arbeit verbindet der Mensch sich mit dem Erlösungswerk Jesu Christi selbst, der, indem Er in Nazareth mit eigenen Händen arbeitete, der Arbeit eine einzigartige Würde verliehen hat.“ (Freunde Gottes, Nr. 67) Jeder Mensch, der zur Einswerdung mit Christus am Kreuz berufen ist, hat durch eine solche Verbindung Anteil an den Gnaden des Erlösungsgeheimnisses, er wird zum Miterlöser - ein kraftvoller Ausdruck, den Msgr. Escrivá gern im Einklang mit der Erlösungslehre der Kirche benutzte. Das neue Leben in Christus erlangt so eine ungeahnte Dimension des Dienstes an Gott und den Menschen.

Der Gründer des Opus Dei hat den hier vorgelegten Kreuzweg als Frucht seines kontemplativen Gebetes über das Leidensgeschehen auf GoIgotha verfaßt. Er wollte damit zur Betrachtung des Leidens Christi anregen, lehnte es aber immer ab, bei dieser so tief im Christlichen verwurzelten Gebetsübung seinem Text einen Charakter von Verbindlichkeit zu geben. Seine Liebe zur Freiheit der Gewissen und seine Ehrfurcht vor dem inneren Leben eines jeden einzelnen waren so tief, daß er nicht einmal seine Kinder im Opus Dei auf bestimmte Frömmigkeitsübungen verpflichtet hat, abgesehen natürlich von denen, die zum Wesen der von Gott für das Opus Dei gewollten Spiritualität gehören.

Dieses neue Werk von Msgr. Escrivá de Balaguer, das nach seinem Tode erscheint, wird wie alle bisher veröffentlichten mit dem Wunsch herausgegeben, es möge zum Beten verhelfen und dazu, daß mit Gottes Gnade der Geist der Reue - Schmerz aus Liebe - und der Dankbarkeit gegenüber dem Herrn wachse, der uns um den Preis seines Blutes losgekauft hat (Vgl. 1 Petr.,18-19). Zu diesem Zweck wurden als Anregungen für die Betrachtung Worte hinzugefügt, die aus der Verkündigung von Msgr. Escrivá de Balaguer oder aus Gesprächen mit ihm stammen und die seinen Drang bezeugen, nur von Gott und von nichts anderem als von Gott zu sprechen.

Der Kreuzweg ist keine trübselige Übung. Msgr. Escrivá de Balaguer hat oft betont, daß die Wurzel der christlichen Freude die Form des Kreuzes hat. Das Leiden Christi ist der Weg des Schmerzes, zugleich aber auch der Weg der Hoffnung und des unverlierbaren Sieges. In einer seiner Homilien sagt er dazu: Bedenke, daß Gott deine Freude will: Wenn du im Rahmen deiner Möglichkeiten dein Bestes tust, dann wirst du glücklich, sehr, sehr glücklich sein, auch wenn dir das Kreuz niemals fehlen wird. Aber das Kreuz ist dann kein Schafott mehr, sondern der Herrscherthron Jesu Christi. Neben unserem Herrn steht Maria, seine Mutter, die auch unsere Mutter ist. Sie möge dir die Kraft erwirken, die du brauchst, um entschlossen den Schritten ihres Sohnes zu folgen. (Freunde Gottes, Nr. 141)

Alvaro deI Portillo

Rom, am Fest Kreuzerhöhung, 14. September 1980

Vorwort des Autors

Mein Herr und mein Gott,
unter dem liebenden Blick unserer Mutter
wollen wir Dich auf dem Leidensweg begleiten,
der das Lösegeld für unseren Loskauf gewesen ist.
Alles, was Du erlitten hast, wollen wir mitleiden.
Wir wollen Dir unser armes Herz darbringen,
ein zerknirschtes Herz,
denn Du, der Unschuldige,
wirst für uns, die allein Schuldigen, sterben.
Maria, meine Mutter, schmerzensreiche Jungfrau,
hilf mir, jene bitteren Stunden aufs neue zu durchleben,
die dein Sohn hier auf Erden hat erdulden wollen,
damit wir, armselige Geschöpfe aus einer Handvoll Lehm,
zu einem Leben
in libertatem gloriae filiorum Dei,
in der Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes gelangen können.

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