225

Göttliche Pädagogik

Den Feind nicht hassen, Böses nicht mit Bösem vergelten, auf Rache verzichten, verzeihen und nicht nachtragen: damals, aber auch - täuschen wir uns nicht - heute, sah man darin ein ungewohntes, allzu heroisches und beinahe unnormales Verhalten. Soweit reicht die Mittelmäßigkeit der Geschöpfe. Jesus Christus, der zum Heil aller gekommen ist und die Christen an seinem Erlösungswerk teilhaben lassen möchte, wollte seine Jünger - dich und mich - eine große und aufrichtige, weit edlere und stärkere Liebe lehren: Wir müssen einander lieben, wie Christus jeden von uns geliebt hat. Nur auf diese Weise, indem wir - unbeholfen, wie wir sind - die göttliche Liebe nachahmen, wird es uns gelingen, unser Herz allen Menschen zu öffnen und sie auf eine ganz neue, höhere Weise zu lieben.

Wie sehr haben die ersten Christen diese brennende Liebe verwirklicht, die so weit über bloße menschliche Solidarität oder Gutmütigkeit hinausragt. Sie liebten einander, zärtlich und stark, mit der Liebe, die aus dem Herzen Christi kommt. Tertullian, ein Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts, überliefert uns die Reaktion der Heiden, die, bewegt durch die übernatürlich und menschlich so anziehende Art der Gläubigen jener Zeit, zueinander sagten: Seht, wie sie einander lieben (Tertulian, Apologeticus, 39 (PL 1, 471]).

Wenn du merkst, daß du jetzt oder sonst so oft in deinem Alltag dieses Lob nicht verdienst und daß dein Herz nur schwerfällig auf die göttlichen Anregungen eingeht, dann erkenne auch, daß jetzt die Zeit gekommen ist, den Kurs zu begradigen. Beherzige die Aufforderung des heiligen Paulus: Laßt uns denn allen Gutes tun, besonders jenen, die durch den Glauben derselben Familie wie wir angehören (Gal 6,10), dem mystischen Leib Christi.

Verzeichnis der Schriftstellen
Diesen Punkt in einer anderen Sprache