Verantwortung

Wenn wir Christen wirklich nach unserem Glauben lebten, käme es zu der umwälzendsten Revolution aller Zeiten… Jeder einzelne von uns hat am Werk der Erlösung mitzuwirken.

Denke darüber nach.

Was Verantwortung wirklich bedeutet, wird dir erst aufgehen, wenn du begreifst, daß du vor Gottes Angesicht nur Pflichten hast. Der Herr sorgt schon dafür, daß du auch Rechte bekommst!

Würde es dir doch zur zweiten Natur, dich jeden Tag mit einer solchen Hingabe um die anderen zu kümmern, daß du darüber deine eigene Existenz vergißt!

In schwierigen Situationen kann dir folgender Gedanke helfen: Je mehr meine Treue wächst, desto mehr trage ich dazu bei, daß auch andere in ihrer Treue wachsen.

Wie wohltuend ist es zu spüren, daß wir uns gegenseitig stützen!

Bleib mir nicht bei der "Theorie" stehen! Unser tägliches Leben muß die herrlichen Ideale, die uns erfüllen, umsetzen in mutig gestaltete und fruchtbare Alltagsrealität.

In der Tat: das Alte verdient unseren Respekt, das Überkommene unsere Dankbarkeit. Wir haben daraus zu lernen und müssen die Erfahrungen beherzigen. Aber wir dürfen nicht übertreiben, alles zu seiner Zeit. Kleiden wir uns etwa noch wie unsere Großeltern? Tragen wir noch die gepuderte Perücke vergangener Jahrhunderte?

Sei nicht ungehalten wegen dieser oder jener Dummheit eines anderen. Denn oft rührt ein Mangel an verantwortlichem Verhalten nicht so sehr aus einem Mangel an gutem Geist her, als vielmehr aus Gedankenlosigkeit und noch ungenügender Bildung.

Solche Mängel müssen nach und nach behoben werden. Das erlegt den Lehrern und Leitern eine nur um so größere Verantwortung auf!

Wenn du eine solche Aufgabe hast, wirst du dich daher immer wieder prüfen müssen.

Du läufst große Gefahr, dich mit der Einstellung eines "braven Jungen" zufriedenzugeben oder mit dem Ziel, ein ordentliches, problemloses Zuhause zu haben, in dem nur die "Gemütlichkeit" regiert…

Diese Vorstellung aber ist ein Zerrbild vom Leben im Haus zu Nazareth. Christus, der das Glück und die innere Ordnung in sich trug, zog aus, um die Menschen aller Zeiten an seinem Reichtum teilhaben zu lassen.

Dein sehnlicher Wunsch, die ganze Menschheit möge Christus wirklich erkennen, scheint mir nur natürlich. Fang du selbst aber damit an, deine Verantwortung zu spüren für das Heil der Menschen, mit denen du zusammenlebst, für die Heiligung deiner Berufskollegen oder deiner Kommilitonen…

Das ist der allem anderen vorausgehende Auftrag, den der Herr dir anvertraut hat.

Benimm dich so, als ob die Atmosphäre an deinem Arbeitsplatz von dir allein abhinge. Es soll eine Atmosphäre der Arbeitsamkeit und der Freude sein, geprägt vom Bewußtsein der Gegenwart Gottes und von der Sicht des Glaubens.

Ich verstehe deine Schlaffheit nicht. Da stößt du auf eine Gruppe von Kameraden, die im Umgang etwas schwieriger sind - vielleicht kommt es auch daher, daß du dich längere Zeit nicht um sie gekümmert hast -, gleich gehst du ihnen aus dem Weg, drückst dich und hältst sie für nichts weiter als Ballast; sie scheinen deinem Apostolat hinderlich, weil unfähig, dich zu verstehen.

Aber wie sollen sie auf dich hören, wenn du für sie weder betest noch Opfer bringst, ja nicht einmal das Gespräch mit ihnen suchst?

Wie viele Überraschungen wirst du erleben, wenn du dich einmal dazu entschließt, mit dem - und dem - und diesem dritten ernsthaft Kontakt zu pflegen! Außerdem: Wenn du deine gegenwärtige Einstellung nicht änderst, werden sie allen Grund haben, einst mit dem Finger auf dich zu weisen und zu sagen: "Hominem non habeo!" - ich finde keinen Menschen, der mir hilft!

Hör gut zu: Heilige Dinge, die man jeden Tag heiligmäßig erfüllt, werden nicht zu "alltäglichen und gewöhnlichen" Angelegenheiten. Das ganze Tun Jesu Christi auf Erden war menschlich-alltäglich - und gleichzeitig göttlich!

Du magst dich nicht damit abfinden, sagst du, einen konventionellen Allerweltsglauben wie so viele andere Menschen zu haben…

In der Tat: Dein Glaube muß ein persönlicher Glaube sein. Und das bedeutet: ein verantwortungsbewußter Glaube!

Die Allerheiligste Dreifaltigkeit gewährt dir Ihre Gnade, damit du sie im Bewußtsein und in Ausübung deiner Verantwortung fruchtbar werden läßt: Das Geschenk ist so groß, daß du nicht - weil auf deine Bequemlichkeit bedacht - gemächlich und faul dahertrotten kannst… Und außerdem: viele Seelen warten auf dich!

Da dich jetzt diese große Sorge beschäftigt, ein Fingerzeig: Wenn die Fragestellung in sich richtig ist, das heißt, wenn sie ruhig und verantwortungsvoll aufgeworfen und im Angesicht Gottes erwogen wird, dann findet sich immer auch die Lösung.

Wenn eine zärtliche Mutter ihr Kind in die Arme nimmt, legt sie vorher alles weg, was es verletzen könnte, etwa eine Stecknadel. In der Zuwendung zu einer Seele müssen wir genauso zart sein…, nötigenfalls freilich auch sehr entschieden.

"Custos, quid de nocte!" - Wächter, wie lange noch dauert die Nacht…: Wache halten!

Es wäre gut, wenn du dich daran gewöhntest, im Verlauf der Woche auch eine Art "Wachetag" zu halten: einen Tag, an dem du dir deiner Hingabe an Gott bewußter wirst, aufmerksamer kleine Erweise der Liebe übst, das Gebet und das Opfer ein wenig verstärkst.

Halte dir vor Augen, daß die Heilige Kirche einem großen Heer gleicht, welches in Schlachtordnung aufgestellt ist. Und du gehörst zu ihm, und in deinem "Frontabschnitt" toben Angriffsschlachten und Abwehrkämpfe. Verstehst du?

Dieses Bereitsein wird dich Gott immer näher bringen und deinen Willen stärken, jeden Tag in einen wirklichen "Wachetag" zu verwandeln.

Sozusagen als die "Kehrseite" einer verlorengegangenen Berufung oder einer Ablehnung der ständig erneuerten, gnadenhaften Einladung des Herrn müssen wir seinen heiligen Willen sehen, der all dies zuläßt. - Gewiß. Doch wenn wir aufrichtig sind, erkennen wir, daß uns das weder von der eigenen Verantwortung befreit noch einen "mildernden Umstand" darstellt; denn auf der "Vorderseite" des Geschehens gewahren wir die persönliche Nichterfüllung des göttlichen Willens, der uns hat in Dienst nehmen wollen und dem wir nicht entsprochen haben.

Wenn du dein Vaterland liebst - und ich bin sicher, daß du es liebst -, wirst du nicht zögern, dich bei drohender Gefahr als Freiwilliger zu seiner Verteidigung zu melden. In der Stunde der Not - schon einmal sagte ich es - werden alle gebraucht: Männer und Frauen, hochbetagte, solche in den besten Jahren, junge, sogar jugendliche. Nur die durch Krankheit oder Gebrechen Untauglichen und die Kinder sind ausgenommen.

Was jeden Tag geschieht, ist weit mehr als nur ein Aufruf an einige Freiwillige, es ist eine Generalmobilmachung, um das Königreich Jesu Christi zu verteidigen. Jesus selbst, der König, hat dich ausdrücklich beim Namen gerufen. Er erbittet von dir, daß du die Schlachten Gottes kämpfst und dabei deine ganze Seele - Herz, Wille, Verstand -, dein ganzes Sein einbringst.

Hör nun gut zu: Wenn du ein reines Leben führst und dich unter den besonderen Schutz der Muttergottes stellst, ist die Versuchung des Fleisches kein Problem. - Oder möchtest du wirklich eine Art Krankheit simulieren - mit den Symptomen Herz-, Willens- oder Geistesschwäche -, um dich feige jener Mobilmachung zu entziehen? Ziehst du es wirklich vor, dich "krankschreiben" zu lassen, um dich dann mit irgendwelchen Hilfsdiensten zu begnügen?

Der Herr will dich als seinen Kämpfer in der vordersten Linie! Und du bist es ja schon! Wenn du dich jetzt davonmachst - als ein Verräter! - wie trostlos…

Ja, wenn deine Zeit, wie die Redensart sagt, nur "Geld" wäre, dann mag es ja noch angehen, sie zu vergeuden. - Aber die Zeit ist mehr, sie ist Leben! Und du weißt nicht, wieviel dir noch davon verbleibt.

Der Herr bekehrt Petrus, der ihn dreimal verleugnet hatte: kein tadelndes Wort, nur ein Blick der Liebe…

Diesen selben Blick richtet Christus auch auf uns, wenn wir einmal zu Fall gekommen sind. Hoffentlich können auch wir dann wie Petrus sagen: "Herr, du weißt alles, du weißt auch, daß ich dich liebe…" - und unser Leben ändern.

Man müsse, so wird bisweilen argumentiert, im Namen der Nächstenliebe Wohlwollen und Verständnis gegenüber Menschen zeigen, die ihre Mitmenschen rücksichtslos mißhandeln.

Ich bitte Gott, daß sich hinter solchem Wohlwollen und Verständnis nicht Menschenfurcht, Bequemlichkeit und Indifferenz gegenüber dem Bösen, das andere tun, verstecken. Denn dann wäre dieses Wohlwollen, dieses Verständnis nichts weiter als Komplizenschaft bei der Beleidigung Gottes.

Es geht nicht an, einer Seele den Weg zur Bekehrung zu ebnen, indem man vielen anderen Seelen den Weg zur Verderbnis öffnet.

Läßt jemand zu, daß unter seinen Schafen auch Wölfe aufwachsen - dann kann er unschwer das Schicksal der Schafe erraten.

Wenn Menschen, die nach Intelligenz und christlichem Format nur Mittelmaß darstellen, ein hohes Amt übernehmen, umgeben sie sich mit Unfähigen. Ihre blinde Eitelkeit verleitet sie zu der falschen Annahme, auf diese Art könnten sie nie ihren Posten verlieren.

Im Gegensatz dazu rufen wirkliche Persönlichkeiten erstklassige Mitarbeiter in ihre Umgebung, welche nicht nur fachlich kompetent sind, sondern auch ein sauberes Leben führen. Sie bilden sie aus für künftige Leitungsaufgaben. Klugheit erliegt nicht - wie die Mittelmäßigkeit - selbstgefälliger Täuschung; in Demut erkennt sie, daß selber wächst, wer anderen zu wachsen hilft.

Es ist unklug, einen Menschen, dessen Fähigkeiten man nicht kennt, mit einer wichtigen leitenden Aufgabe zu betrauen, etwa nach dem Prinzip: Mal sehen, wie er das macht.

Entscheidungen, die das Gemeinwohl betreffen, kann man nicht so treffen, wie man in eine Wundertüte hineingreift…

Du stehst in der Verantwortung eines Amtes und orientierst dein Handeln allein an dem, was die Leute sagen? Das ist Dummheit! - An erster Stelle muß dir wichtig sein, was Gott zu deinem Handeln sagen wird, erst danach - und manchmal überhaupt nicht - bleibt die Meinung der anderen zu erwägen. Denn so spricht der Herr: "Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen."

Du bekleidest ein verantwortungsvolles Amt. Bei seiner Ausübung bedenke folgendes: Wenn deine Arbeitsweise allzu stark auf deine eigene Persönlichkeit zugeschnitten ist, machst du dich unentbehrlich. Fällt die Person einmal aus, so ist die Kontinuität der Arbeit dahin.

Ein wichtiger Grundsatz, um bei Leitungsaufgaben gute Arbeit zu leisten, besteht darin, daß man Verantwortung weit verteilt. Ich meine damit nicht, daß der Verantwortliche es sich bequem machen oder anonym bleiben soll, sondern daß er von jedem einzelnen Rechenschaft über dessen Auftrag verlangt und auf diese Weise selbst "Rechenschaft ablegen" kann - vor Gott und, wo angebracht, auch vor den Menschen.

Bei deiner Amtsführung achte darauf, niemals die Gerechtigkeit so sehr zu übertreiben, daß darüber die Nächstenliebe in Vergessenheit gerät.

Eine Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied.

Sage von einem Untergebenen nie: "Er taugt nicht."

Du bist es, der nicht taugt; denn du verstehst es nicht, ihn an den Platz zu stellen, wo er etwas zu leisten vermag.

Bekämpfe in dir das ehrgeizige Streben nach Ehren und Würden. Mach dir stattdessen die Möglichkeiten klar, die du hast, um gut zu arbeiten, ferner deine Verpflichtungen, und denke auch darüber nach, wie es um deine Wirksamkeit steht… Dann wirst du kein Verlangen nach Ämtern empfinden. Wird dir aber einmal ein Amt übertragen, so weißt du die Würde richtig einzuschätzen: als eine Bürde, die du im Dienst an den Menschen trägst.

In der Stunde der Schmach, unter dem Kreuz, ist Maria zur Stelle, ihrem Sohn nahe…, bereit, sein Los zu teilen.

Überwinden wir die Angst davor, uns da, wo wir hingestellt sind, als verantwortliche Christen zu bekennen. Das mag unbequem sein - aber die Gottesmutter wird uns helfen.

Verzeichnis der Schriftstellen
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