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*Homilie, gehalten am 4. April 1971, Palmsonntag

Wie jedes christliche Fest ist auch der heutige Tag in besonderer Weise ein Fest des Friedens. Mit ihrer uralten Symbolkraft rufen uns die Palmzweige jene Szene aus dem Buch der Genesis ins Gedächtnis: Dann wartete Noah sieben weitere Tage und sandte abermals die Taube von der Arche aus. Es stellte sich aber die Taube bei ihm zur Abendzeit ein, und siehe, sie hatte ein frisches Olivenblatt in ihrem Schnabel. Da erkannte Noah, daß die Wasser sich von der Erde verlaufen hatten (Gen 8,10-11). Und wir erinnern uns auch daran, daß der Bund zwischen Gott und seinem Volk in Christus geschlossen wurde, denn Er ist unser Frieden (Eph 2,14). Die Liturgie unserer heiligen katholischen Kirche läßt auf wunderbare Weise im Neuen das Alte wieder aufklingen; und so lesen wir heute voller Freude: Die Kinder der Hebräer trugen Olivenzweige in den Händen. Sie zogen dem Herrn entgegen und riefen: Ehre in der Höhe! (Antiphon zur Austeilung der Zweige)

Dieser Lobruf verbindet sich in unserer Seele mit jenem jubelnden Ruf bei seiner Geburt in Bethlehem. Während Jesus dahinzog, erzählt der heilige Lukas, breiteten sie ihre Kleider auf den Weg. Als Er sich bereits dem Abstieg des Ölbergs näherte, fing die ganze Schar der Jünger an, Gott mit lauter Stimme zu preisen ob all der Wundertaten, deren Zeugen sie gewesen waren: "Hochgelobt sei der König, der im Namen des Herrn kommt; Frieden im Himmel und Ehre in der Höhe" (Lk 19,36-38).

Frieden auf Erden

Pax in coelo, Frieden im Himmel. Doch behalten wir auch die Welt im Auge: Warum gibt es keinen Frieden auf Erden? In der Tat, es herrscht kein Frieden, nur einen scheinbaren Frieden gibt es, ein Gleichgewicht der Angst, notdürftige Kompromisse. Auch in der Kirche gibt es keinen Frieden. Sie ist von Spannungen gezeichnet, die das makellose Gewand der Braut Christi zu zerreißen drohen. Und ebenso gibt es keinen Frieden in vielen Herzen, die vergebens versuchen, die Unruhe der Seele durch beständige Betriebsamkeit zu überspielen, durch billigen Genuß von Dingen, die nicht sättigen, weil sie immer einen traurigen und bitteren Nachgeschmack hinterlassen.

Der heilige Augustinus schreibt: Die Palmzweige bedeuten Verehrung, weil sie Zeichen des Sieges sind. Der Herr stand kurz vor seinem Sieg durch seinen Tod am Kreuz. Im Zeichen des Kreuzes überwand Er den Teufel, den Fürsten des Todes (Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus, 51, 2, [PL 35, 1764]). Christus ist unser Frieden, weil Er gesiegt hat. Er siegte, weil Er gekämpft hat in einem unerbittlichen Kampf gegen alle Bosheit in den Herzen der Menschen.

Christus, unser Frieden, ist auch der Weg (Joh 14,6). Wenn wir den Frieden wollen, müssen wir seinen Schritten folgen. Der Frieden ist eine Folge des Krieges, des Kampfes, eines asketischen Kampfes, den jeder Christ in seinem Innern ausfechten muß gegen alles, was in seinem Leben nicht von Gott ist: gegen den Hochmut, gegen Sinnlichkeit, Egoismus, Oberflächlichkeit und Engherzigkeit. Vergeblich ruft man nach äußerer Ruhe, wenn im Gewissen, im Grunde der Seele, die Ruhe fehlt, denn aus dem Herzen kommen die bösen Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Gotteslästerung (Mt 15,19).

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