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Die Liturgie der Fastenzeit hat manchmal etwas Tragisches, wenn sie uns zeigt, was die Trennung von Gott für den Menschen bedeutet. Aber dies ist nicht das letzte Wort. Das letzte Wort spricht Gott, und es ist das Wort seiner erlösenden und erbarmenden Liebe und deshalb das Wort unserer Gotteskindschaft. Deswegen wiederhole ich heute mit dem heiligen Johannes: Seht, welch eine Liebe uns der Vater erwiesen hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es (1 Joh 3,1). Kinder Gottes, Brüder des fleischgewordenen Wortes, von dem es heißt: In Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen (Joh 1,4). Wir sind Kinder des Lichtes, Brüder des Lichtes, Träger des einzigen Feuers, das ein menschliches Herz zu entzünden vermag.

Ich schließe jetzt und setze die heilige Messe fort; jeder von uns sollte aber überlegen, was der Herr von ihm erwartet, welche Vorsätze, welche Entschlüsse Er durch das Wirken der Gnade in ihm wecken möchte. Wenn ihr merkt, was alles an Übernatürlichem und an Menschlichem erforderlich ist für eure Hingabe und euren Kampf, dann erinnert euch daran, daß Jesus unser Vorbild ist. Obwohl Gott, ließ Er es zu, daß auch Er versucht wurde, damit wir den Mut nicht verlieren und uns des Sieges sicher sind. Denn Er verliert keine Schlachten, und wenn wir mit Ihm verbunden bleiben, werden wir nie unterliegen, sondern uns wirklich Sieger nennen können und Sieger sein: gute Kinder Gottes.

Wir sollen zufrieden sein. Ich bin es, obwohl ich nicht zufrieden sein dürfte, wenn ich mein Leben in der persönlichen Gewissenserforschung betrachte, die die Fastenzeit uns nahelegt. Ich bin es dennoch, weil ich sehe, daß der Herr mich von neuem aufsucht, daß Er mein Vater ist und bleibt. Ich bin überzeugt: Ihr und ich, wir werden mit dem Licht und dem Beistand der Gnade sehen, was alles verbrannt werden muß, und wir werden es verbrennen, was ausgerissen werden muß, und wir werden es ausreißen, was hingegeben werden muß, und wir werden es hingeben.

Leicht ist diese Aufgabe nicht. Aber uns leitet ein Motiv, auf das wir nicht verzichten dürfen und nicht verzichten können: Gott liebt uns. So wollen wir den Heiligen Geist in uns wirken lassen, damit Er uns reinige. Nur so können wir den Sohn Gottes am Kreuz umarmen und mit Ihm auferstehen. Denn die Freude der Auferstehung wurzelt im Kreuz.

Maria, unsere Mutter, auxilium christianorum, refugium peccatorum: tritt bei deinem Sohn dafür ein, daß Er uns den Heiligen Geist sende, in unseren Herzen den Entschluß wecke, unseren Weg sicher und entschlossen zu gehen, und daß Er in der Tiefe unserer Seele jenen Ruf erklingen lasse, der das Martyrium eines der ersten Christen mit Frieden erfüllte: veni ad Patrem (Ignatius von Antiochien, Epistola ad Romanos, 7, 2 [PG 5, 694]), komm, kehr heim zu deinem Vater, der auf dich wartet.

Verzeichnis der Schriftstellen
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