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Christus, der Herr der Welt

Laßt uns jetzt betrachten, wie derselbe Christus, den wir in Bethlehem als neugeborenes, liebenswertes Kind gesehen haben, zugleich der Herr der Welt ist. Denn durch Ihn wurde alles im Himmel und auf Erden erschaffen; Er hat alles mit dem Vater versöhnt und den Frieden zwischen Himmel und Erde wiederhergestellt durch das Blut, das Er am Kreuz vergossen hat (Vgl. Kol 1,11-16). Jetzt herrscht Christus zur Rechten des Vaters. Zwei Engel in weißen Gewändern offenbaren es den Jüngern, die nach der Himmelfahrt des Herrn verwundert zu den Wolken aufblicken: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel hinauf? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen ist, wird ebenso wiederkommen, wie ihr Ihn habt zum Himmel auffahren sehen (Apg 1,11).

Durch Ihn herrschen die Könige (Spr 8,15), nur daß Könige und menschliche Autoritäten vergehen, während das Reich Christi auf immer und ewig (Ex 15,18) bleibt. Sein Reich ist ewig und währt von Geschlecht zu Geschlecht (Dtn 3,100).

Das Reich Christi: das ist mehr als eine Redewendung oder Floskel. Christus lebt, auch als Mensch, mit demselben Leib, den Er bei der Menschwerdung angenommen hat, der nach dem Tod am Kreuz auferstand, und der nun, mit der menschlichen Seele vereint, in der Person des göttlichen Wortes verherrlicht ist. Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, lebt und herrscht und ist der Herr der Welt. Nur durch Ihn wird alles Lebendige am Leben erhalten.

Warum aber erscheint Er jetzt nicht in seiner Herrlichkeit? Sein Reich ist nicht von dieser Welt (Joh 18,36), obwohl es in dieser Welt ist. Jesus hatte Pilatus erwidert: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Jeder, der aus der Wahrheit kommt, hört auf meine Stimme (Joh 18,37). Alle, die vom Messias eine sichtbare, zeitliche Macht erwarteten, haben sich geirrt: Das Reich Gottes besteht ja nicht in Speise und Trank, sondern in Gerechtigkeit, Frieden und Freude im Heiligen Geist (Röm 14,17).

Wahrheit und Gerechtigkeit, Frieden und Freude im Heiligen Geist, das ist das Reich Christi: das göttliche Handeln, das die Menschen erlöst und das sich vollenden wird am Ende der Zeiten. Dann wird der Herr, der im Paradies herrscht, wiederkommen, um endgültig die Menschen zu richten.

Christus beginnt seine Predigt auf Erden nicht mit einem politischen Programm, sondern mit der Aufforderung: Kehret um! Denn das Himmelreich ist nahe (Mt 3,2; 4,17). Er beauftragt seine Jünger, diese frohe Botschaft zu verkünden (Vgl. Lk 10,9), und Er lehrt uns, im Gebet die Ankunft des Reiches zu erbitten (Vgl. Mt 6,10). Ein heiliges Leben, das ist das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; das ist es, was wir zuerst suchen sollen (Vgl. Mt 6,33), das ist das einzig wirklich Notwendige (Vgl. Lk 10,42).

Die Erlösung, die Christus verkündet, ist eine Einladung, die Er an alle richtet: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der seinem Sohn die Hochzeit bereitete. Und er sandte seine Knechte aus, die Eingeladenen zur Hochzeit zu rufen (Mt 22,2-3). Deswegen offenbart uns der Herr: Das Reich Gottes ist mitten unter euch (Lk 17,21).

Keiner bleibt von der Erlösung ausgeschlossen, wenn er sich frei den liebevollen Forderungen Christi fügt: von neuem geboren zu werden (Vgl. Joh 3,5), wie die Kinder einfach im Geiste zu werden (Vgl. Mk 10,15; Mt 18,3; 5,3), aus dem Herzen alles zu verbannen, was uns von Gott trennt (Wahrlich, ich sage euch, ein Reicher wird schwer in das Himmelreich hineingelangen [Mt 19,23]). Jesus erwartet Taten, nicht nur Worte (Vgl. Mt 7,21). Er verlangt einen entschlossenen Einsatz, denn nur jene, die kämpfen, werden das ewige Erbe erlangen (Das Himmelreich leidet Gewalt, und Gewalttätige reißen es an sich [Mt 11, 12]).

Die Vollendung des Reiches, das endgültige Urteil über Rettung oder Verdammnis, geschieht nicht auf dieser Erde. Jetzt ist das Reich wie ein Samen (VgI. Mt 13,24), wie das Wachsen eines Senfkornes (Vgl. Mt 13,31-32; seine Vollendung wird wie ein Fischfang sein: das Netz wird ans Land gezogen, und die Guten wie die Bösen werden ihrer Bestimmung übergeben (Vgl. Mt 13,47-48. Solange wir aber auf Erden leben, gleicht das Reich dem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis das Ganze durchsäuert war (Vgl. Mt 13,33).

Wer begreift, was das für ein Reich ist, von dem Christus spricht, der versteht auch, daß es sich lohnt, alles aufs Spiel zu setzen, um es zu erlangen; es ist die Perle, die der Kaufmann erwirbt, nachdem er seinen ganzen Besitz verkauft hat, der Schatz, der im Acker entdeckt wird (Vgl. Mt 13,44-46). Das Himmelreich ist schwer zu erobern; und keiner kann sich seiner sicher sein (Vgl. Mt 21,43; 8,12); aber das demütige Rufen eines reumütigen Menschen öffnet weit seine Tore. Einer der Schächer, die mit Christus gekreuzigt wurden, fleht Ihn an: Herr, gedenke meiner, wenn Du in Dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: "Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein." (Lk 23,42-43)

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