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Die Kraft Gottes und die Not des Menschen

Non est abbreviata manus Domini, der Arm Gottes ist nicht kürzer geworden (Jes 59,1): Gott hat heute nicht weniger Macht als in früheren Zeiten, Er liebt die Menschen nicht weniger als damals. Unser Glaube lehrt uns, daß die ganze Schöpfung, das Kreisen der Erde und der Gestirne, das gute Streben des Menschen und der Fortschritt in der Geschichte, daß alles von Gott kommt und auf Ihn hinzielt.

Es ist möglich, daß das Wirken des Heiligen Geistes von uns unbemerkt bleibt, da Gott uns seine Pläne nicht eröffnet und die Sünde im Menschen die Gaben Gottes trübt und verdunkelt. Aber der Glaube erinnert uns daran, daß der Herr ständig wirkt: Er hat uns erschaffen und erhält uns im Sein, und mit seiner Gnade führt Er die ganze Schöpfung zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes (Vgl. Röm 8,21).

Deshalb faßt die christliche Überlieferung die geschuldete Haltung des Menschen gegenüber dem Heiligen Geist mit einem einzigen Ausdruck zusammen: Fügsamkeit. Dies bedeutet Empfänglichsein für alles, was der Geist Gottes in und um uns anregt: für die Gaben, die Er austeilt, für die Bewegungen und Zusammenschlüsse von Menschen, die Er entstehen läßt, für die Regungen und Entscheidungen, die Er uns gibt. Der Heilige Geist wirkt in der Welt die Werke Gottes; Er ist, wie uns die Liturgie sagt, Spender der Gaben, Licht der Herzen und Gast der Seele, Ruhe für den Ermüdeten und Trost für den Weinenden. Ohne seinen Beistand gibt es nichts, was lauter und wertvoll wäre im Menschen, denn Er reinigt, was befleckt ist, heilt, was verwundet ist, entzündet, was erkaltet ist, lenkt, was da irregeht. Er führt die Menschen zum Hafen des Heiles und der ewigen Seligkeit (Aus der Sequenz Veni Sancte Spiritus der Pfingstmesse).

Unser Glaube an den Heiligen Geist muß aber ganz sein; ein diffuses Gefühl seiner Gegenwart in der Welt genügt nicht, vielmehr ist die dankbare Bejahung jener Zeichen und Wirklichkeiten nötig, mit denen Er seine Kraft in besonderer Weise hat verbinden wollen. Wenn der Geist der Wahrheit kommt, sagte der Herr, wird Er mich verherrlichen, weil Er von dem Meinigen nehmen und euch verkünden wird (Joh 16,14). Der Heilige Geist ist der Geist, den Christus sandte, auf daß Er in uns das Heil wirke, das uns Christus auf Erden verdient hat.

Es kann daher keinen Glauben an den Heiligen Geist geben, wo nicht Glaube an Christus ist, Glaube an die Lehre Christi, die Sakramente Christi, die Kirche Christi. Es fehlt der Zusammenhalt des christlichen Glaubens, und es gibt keinen wahren Glauben an den Heiligen Geist, wenn einer die Kirche nicht liebt, kein Vertrauen in sie hat, sich nur darin gefällt, auf die Fehler und Mängel ihrer Repräsentanten hinzuweisen, und wenn er als Außenstehender ein Urteil über sie fällt, ohne imstande zu sein, sich als Kind der Kirche zu fühlen.

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