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Es gibt 4 Nummer in «Christus begegnen » deren Stichwort lautet Welt → die Menschheitsgeschichte.

Der Christ und die Geschichte der Menschheit

Christsein bedeutet nicht Anspruch auf rein persönliche Befriedigung: Name und Inhalt zielen auf eine Sendung. Wir haben schon gesehen, daß der Herr alle Christen auffordert, Salz und Licht der Welt zu sein. Der heilige Petrus wiederholt diesen Auftrag und beschreibt ihn sehr klar mit Worten aus dem Alten Testament: Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein gotthöriges Volk. Ihr sollt die herrlichen Taten dessen verkünden, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat (1 Petr 2,9).

Christsein ist keine Nebensache, sondern eine gottgewollte Wirklichkeit, die unser Innerstes erfaßt und uns den klaren Blick und den entschiedenen Willen gibt, so zu handeln, wie Gott es will. So lernen wir, daß die Pilgerschaft des Christen in der Welt sich in einen ständigen Dienst verwandeln muß, der zwar verschieden geartet ist, je nach den persönlichen Umständen, aber immer aus Liebe zu Gott und zum Nächsten geleistet wird. Christsein ist ein Tun, das nicht an kleinliche, von Ansehen und Ehrgeiz diktierte Ziele denkt, oder an solche, die als höher gelten können, wie etwa die Philanthropie oder das Mitleid mit der Not der anderen; es ist das Vordringen bis zum Äußersten einer radikalen Liebe, die Christus bezeugte, als Er für uns starb.

Manche Lebenshaltungen verraten ein Unvermögen, in dieses Geheimnis Christi einzudringen. So ist es zum Beispiel bei jenen, die im Christsein nur ein Bündel von Andachten oder Frömmigkeitsübungen sehen, ohne zu begreifen, daß es die Situationen des täglichen Lebens, ein Gespür für die Not der anderen und die Beseitigung der Ungerechtigkeit einschließt.

Mir scheint, daß Menschen mit dieser Mentalität noch nicht begriffen haben, was es bedeutet, daß der Sohn Gottes Mensch geworden ist, daß Er Leib, Seele und Stimme des Menschen angenommen und unser Los bis zur letzten Zerreißprobe des Todes geteilt hat. Vielleicht betrachten manche unbewußt Christus als einen Fremdling unter den Menschen.

Andere wiederum neigen zu der Meinung, das christliche Dogma müsse, um für die Menschen akzeptabel zu sein, in einigen wesentlichen Aussagen abgeschwächt werden; sie tun so, als ob das Gebetsleben und der ständige Umgang mit Gott eine Flucht vor der Verantwortung und ein Verlassen der Welt seien. Sie vergessen, daß es gerade Jesus war, der uns zeigte, bis zu welchem Grad Lieben und Dienen gehen müssen. Nur wenn wir versuchen, das Geheimnis der Liebe Gottes zu verstehen - einer Liebe bis zum Tode -, werden wir fähig, ganz für die anderen da zu sein, ohne daß Schwierigkeiten oder Gleichgültigkeit uns etwas anhaben können.

Es ist der Glaube an den gestorbenen und auferstandenen Christus, immer und in jedem Augenblick unseres Lebens gegenwärtig, der unser Gewissen erleuchtet und uns antreibt, an den Aufgaben und Problemen der Menschheitsgeschichte teilzunehmen. In dieser Geschichte, die mit der Erschaffung der Welt ihren Anfang nahm und mit der Vollendung der Zeiten enden wird, ist der Christ kein Heimatloser; er ist Bürger der irdischen Stadt, seine Seele ist erfüllt von dem Verlangen nach Gott, dessen Liebe er schon jetzt zu ahnen beginnt und in dem er das Ziel erkennt, zu dem alle Menschen berufen sind.

Was mein persönliches Zeugnis anbelangt, möchte ich sagen, daß ich meine Arbeit als Priester und Seelsorger immer als die Aufgabe verstanden habe, jeden einzelnen uneingeschränkt mit den Forderungen seines Lebens zu konfrontieren, ihm zu helfen, herauszufinden, was Gott konkret von ihm verlangt, ohne die Unabhängigkeit und Eigenverantwortung, die ein christliches Gewissen charakterisieren, in irgendeiner Weise anzutasten. Diese Einstellung gründet auf dem Respekt vor der Tragweite der geoffenbarten Wahrheit und auf der Liebe zur Freiheit des Menschen. Es ließe sich hinzufügen, daß sie auch auf der Gewißheit beruht, daß die Geschichte nicht determiniert, sondern offen ist für vielfältige Möglichkeiten, die Gott nicht einengen will.

Christus nachfolgen bedeutet nicht, sich in den Tempel flüchten und angesichts der Entwicklung der Gesellschaft, der Ruhmes- oder Greueltaten der Menschen und Völker die Achseln zucken. Nein, der christliche Glaube führt uns dazu, die Welt als Schöpfung des Herrn zu sehen und deshalb alles Edle und Schöne zu schätzen, die Würde eines jeden Menschen - als Ebenbild Gottes - anzuerkennen und die Freiheit als das ganz besondere Geschenk zu bewundern, das uns zum Herrn unseres HandeIns macht und uns - mit der Gnade Gottes - unser ewiges Los bestimmen läßt.

Es hieße den Glauben verstümmeln, wollte man ihn auf eine diesseitige Ideologie beschränken, wollte man ihn zum Wahrzeichen eines politisch-religiösen Programms machen und in seinem Namen, aufgrund einer unerfindlichen göttlichen Bevollmächtigung, andere verurteilen, und dies nur, weil sie anders in Fragen denken, die ihrem Wesen nach vielfältige Lösungen erlauben.

*Homilie, gehalten am 28. Mai 1964, Fronleichnam

Heute, am Fronleichnamsfest, betrachten wir gemeinsam die Tiefe der Liebe, die Christus dazu führte, unter den sakramentalen Gestalten verborgen zu bleiben; es ist, als würden wir mit unseren eigenen Ohren hören, wie der Herr die Volksmenge lehrt: Ein Sämann ging aus zu säen. Beim Säen fiel einiges auf den Weg, und die Vögel kamen und pickten es auf. Anderes fiel auf steinigen Grund, wo es nicht viel Erde hatte. Es schoß schnell auf, weil es nicht tief in der Erde lag. Als aber die Sonne heraufstieg, wurde es versengt, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. Wieder anderes fiel unter die Dornen. Die Dornen wuchsen mit auf und erstickten es. Anderes fiel auf gutes Erdreich und brachte hundertfältige, sechzigfältige, dreißigfältige Frucht (Mt 13,3-8).

Heute ist es nicht anders. Auch heute wirft der göttliche Sämann den Samen aus. Das Werk der Erlösung setzt sich fort, und der Herr will sich dabei unser bedienen: Er will, daß wir Christen alle Wege der Erde seiner Liebe erschließen; Er fordert uns auf, die göttliche Botschaft durch Lehre und Beispiel bis in die letzten Winkel der Erde zu tragen. Er bittet uns, daß wir, als Glieder der Kirche und des Staates, unseren Aufgaben treu nachkommen, daß jeder von uns ein zweiter Christus wird durch die Heiligung seiner beruflichen Arbeit und der Pflichten des eigenen Standes.

Wenn wir um uns schauen in dieser Welt, die wir lieben, weil sie ein Werk Gottes ist, stellen wir fest, wie sich das Gleichnis erfüllt: Das Wort Jesu Christi ist fruchtbar, es ruft in vielen Seelen den Wunsch nach Hingabe und Treue wach. Das Leben und Verhalten derer, die Gott dienen, hat die Geschichte verändert. Selbst viele, die den Herrn nicht kennen, richten sich - ohne es vielleicht zu wissen - nach Idealen, die dem Christentum entstammen.

Wir sehen aber auch, daß ein Teil des Samens auf unfruchtbares Erdreich oder unter Dornen und Disteln fällt, daß es Herzen gibt, die sich dem Licht des Glaubens verschließen. Die Ideale des Friedens, der Versöhnung, der Brüderlichkeit werden wohl akzeptiert und verkündet, aber nicht selten durch die Tat verleugnet. Einige Menschen setzen vergeblich alles daran, die Stimme Gottes zum Schweigen zu bringen, und sie versuchen, ihre Resonanz gewaltsam oder durch eine Waffe, die weniger vernehmbar, aber grausamer ist, weil sie den Geist einschläfert, zu unterbinden: durch die Gleichgültigkeit.

Aber die vielen, die im Unrecht verharren, möchtest du einwenden. Ja, doch der Herr ermuntert uns ausdrücklich: Begehre von mir, so will ich dir geben die Heiden zu deinem Erbe, und zu deinem Eigentume die Enden der Erde. Du wirst sie beherrschen mit eisernem Zepter und wie Töpfergefäß sie zertrümmern (Ps 2,8-9). Es sind harte Verheißungen, und sie kommen von Gott: Wir können sie nicht überhören. Nicht umsonst ist Christus der Erlöser der Welt, und Er herrscht erhaben zur Rechten des Vaters. Diese Worte sind eine furchtbare Ankündigung dessen, was einen jeden erwartet, wenn sein Leben vorüber ist - und es geht vorüber -, was uns alle am Ende der Geschichte erwartet, falls das Herz sich im Bösen und in der Verzweiflung verhärtet.

Gott, der immer Sieger sein könnte, zieht es vor zu überzeugen: Und nun, ihr Könige, versteht; laßt euch weisen, die ihr Richter seid auf Erden! Dienet dem Herrn in Furcht und frohlocket Ihm mit Zittern! Ergreifet die Zucht, daß nicht etwa zürne der Herr, und ihr zum Untergange gehet vom rechten Wege (Ps 2,10-13). Christus ist der Herr, der König: Und so bringen wir euch die frohe Botschaft: Die Verheißung, die an die Väter erging, diese hat Gott uns, ihren Kindern, erfüllt, indem Er Jesus auferweckte. So heißt es im zweiten Psalm: Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt…

Darum sei euch, Brüder, kundgetan, daß durch Jesus euch Vergebung der Sünden verkündet wird. Durch Ihn wird jeder, der glaubt, von allem gerechtfertigt, wovon ihr im Gesetze Moses nicht gerechtfertigt werden konntet. Gebt darum acht, daß auf euch das Prophetenwort nicht zutreffe: Seht, ihr Verächter, staunt und vergeht! Ich vollbringe in euren Tagen ein Werk, das ihr nicht glaubt, wenn man es euch erzählt (Apg 13,32-33; 38-41).

Das ist das Werk der Erlösung, das Reich Christi in den Seelen, der Ausdruck des göttlichen Erbarmens. Selig alle, die vertrauen auf Ihn! (Ps 2,13) Wir Christen haben das Recht, die Königswürde Christi zu lobpreisen; denn obwohl gewaltige Ungerechtigkeit herrscht und viele dieses Reich der Liebe nicht wollen, schreitet das Werk der göttlichen Erlösung in der menschlichen Geschichte, dem Schauplatz des Bösen, voran.