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Es gibt 5 Nummer in «Christus begegnen » deren Stichwort lautet Gerechtigkeit → die natürliche Tugend der Gerechtigkeit.

Die Gestalt des heiligen Josef im Evangelium

Matthäus und Lukas berichten uns, daß der heilige Josef aus einem hervorragenden Geschlecht stammte: dem königlichen Geschlecht Davids und Salomons. Die geschichtlichen Einzelheiten sind unklar. Wir wissen nicht, welche der beiden Ahnenreihen, die uns die Evangelisten überliefern, Maria, der leiblichen Mutter Jesu, und welche Josef, dem Vater Jesu nach jüdischem Gesetz, zuzuordnen ist. Wir wissen auch nicht, ob er in Bethlehem, wohin er sich zur Volkszählung begab, oder in Nazareth, wo er gelebt und gearbeitet hat, geboren wurde.

Aber wir wissen, daß er kein reicher Mann war; er war ein Arbeiter wie Millionen Menschen auf der ganzen Welt; er hatte den bescheidenen und anstrengenden Beruf, den auch Gott sich wählte, als Er unser Fleisch annahm und dreißig Jahre wie einer von uns leben wollte.

Die Heilige Schrift nennt Josef einen Handwerker. Einige Kirchenväter fügen noch hinzu, er sei Zimmermann gewesen. Der heilige Justinus sagt an einer Stelle über das Arbeitsleben Jesu, er habe Pflüge und Joche hergestellt (Justinus, Dialogus cum Tryphone, 88, 2, 8 [PG 6, 687]). Wahrscheinlich dachte der heilige Isidor von Sevilla an diese Worte, als er schrieb, Josef sei Schmied gewesen. Jedenfalls war er ein Arbeiter, der sein handwerkliches Können, das er mühsam und im Schweiß vieler Jahre erworben hat, in den Dienst seiner Mitmenschen stellte.

In den Berichten des Evangeliums läßt sich die starke Persönlichkeit Josefs erkennen. Er erscheint nie verzagt oder ängstlich; im Gegenteil, er weiß, Probleme anzupacken, schwierige Situationen zu meistern und Aufgaben, die ihm anvertraut werden, mit Verantwortung und Initiative zu übernehmen.

Den heiligen Josef, wie es üblich ist, als greisen Mann darzustellen - mag man damit auch in bester Absicht die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens hervorheben wollen -, finde ich unglücklich. Ich stelle ihn mir so vor: jung und stark, vielleicht etwas älter als Unsere Liebe Frau, aber doch im besten Mannesalter und voller Lebenskraft.

Um die Tugend der Keuschheit zu leben, braucht man nicht zu warten, bis man alt geworden ist oder die Kräfte geschwunden sind. Die Reinheit wächst aus der Liebe, und für eine reine Liebe sind die Kraft und die Freude der Jugend kein Hindernis. Jung war Josef an Herz und Leib, als er Maria zur Frau nahm, als er vom Geheimnis ihrer Gottesmutterschaft erfuhr, als er an ihrer Seite lebte und ihre Unversehrtheit achtete, die Gott der Welt als ein weiteres Zeichen seines Kommens geben wollte. Wer eine solche Liebe nicht zu begreifen vermag, weiß sehr wenig von wahrer Liebe und gar nichts vom christlichen Sinn der Keuschheit.

Ein Handwerker aus Galiläa, ein Mensch wie viele andere: das also war Josef, wie wir sagten. Was kann schon ein Mensch aus einem so winzigen Dorf wie Nazareth vom Leben erwarten? Arbeit und immer wieder Arbeit, Tag für Tag, immer die gleiche Mühsal; eine Behausung, ärmlich und klein, wo man nach der Mühe des Tages neue Kräfte sammelt für den nächsten Tag.

Aber der Name "Josef" bedeutet auf Hebräisch: Gott wird hinzufügen. Dem heiligmäßigen Leben jener, die seinen Willen erfüllen, verleiht Gott neue, ungeahnte Dimensionen: das Entscheidende, das, was allem anderen seinen Wert gibt, das Göttliche. Gott hat dem demütigen und heiligen Leben Josefs das Leben der Jungfrau Maria und das Leben Jesu Christi, unseres Herrn - wir wollen es so ausdrücken - hinzugefügt. Gott läßt sich an Großzügigkeit nicht übertreffen. Josef hätte die Worte Mariens, seiner Frau, selbst sprechen können: Quia fecit mihi magna qui potens est, Großes hat an mir getan, der mächtig ist, quia respexit humilitatem, denn Er hat herabgeschaut auf meine Niedrigkeit (Lk 1,48-49).

Josef war wirklich ein gewöhnlicher Mensch, auf den Gott vertraut hat, um Großes zu wirken. Er verstand es, sich in jeder Situation seines Lebens so zu verhalten, wie Gott es erwartete. Deshalb preist die Heilige Schrift Josef als einen Gerechten (Vgl. Mt 1,19). Und im hebräischen Sprachgebrauch bedeutet "gerecht" soviel wie fromm, untadelhafter Diener Gottes, Erfüller des göttlichen Willens (Vgl. Gen 7,1; 18,23-32; Ez 18, 5 ff); Spr 12,10), oder auch gut und hilfsbereit gegenüber dem Nächsten (Vgl. Tob 7,5; 9, 9). Mit einem Wort: gerecht ist jener, der Gott liebt und diese Liebe auch zeigt, indem er die Gebote erfüllt und sein ganzes Leben in den Dienst an den Mitmenschen, seinen Brüdern, stellt.

Manchmal hat Josef sicherlich nur einen kleinen Betrag in Rechnung gestellt, um Menschen, die ärmer waren als er, nicht die Befriedigung zu nehmen, bezahlt zu haben. Für gewöhnlich wird er aber einen angemessenen Lohn verlangt haben: nicht zuviel und nicht zuwenig. Er hat sicherlich das gefordert, was ihm gerechterweise zustand, denn Treue zu Gott heißt nicht, auf Rechte verzichten, die eigentlich Pflichten sind. Josef mußte einen gerechten Lohn verlangen, denn mit dem Ertrag seiner Arbeit hatte er die ihm von Gott anvertraute Familie zu unterhalten.

Das Pochen auf das eigene Recht darf nicht die Folge eines individualistischen Egoismus sein. Man liebt die Gerechtigkeit nicht, wenn man sie nicht im Hinblick auf die anderen lebt. Ebensowenig ist es erlaubt, sich auf Kosten der anderen hinter einer bequemen Frömmigkeit zu verstecken. Wer vor Gott gerecht sein will, kämpft auch um die Verwirklichung der Gerechtigkeit unter den Menschen; und er tut es nicht nur in der guten Absicht, daß der Name Gottes nicht beleidigt wird, sondern auch, weil Christsein bedeutet, alle echten menschlichen Anliegen zu den eigenen zu machen. In Abwandlung eines bekannten Textes des Apostels Johannes (Vgl. 1 Joh 4,20) können wir sagen, daß jener lügt, der behauptet, vor Gott gerecht zu sein, und zu seinen Mitmenschen ungerecht ist: Er lügt, und die Wahrheit ist nicht in ihm.

Wie alle Christen, die jenen Augenblick erlebten, habe auch ich voll Freude die Entscheidung begrüßt, das Fest Josefs des Arbeiters in die Liturgie aufzunehmen. Dieses Fest ist wie eine Heiligsprechung der Arbeit als gottgewollter Wert, und es zeigt, wie in der Gemeinschaft der Kirche jene Kernwahrheiten des Evangeliums widerhallen, die nach dem Willen Gottes in unserer Zeit besonders bedacht und beherzigt werden sollen.

Wie verständlich sind die Ungeduld, die Beklemmung und die ungestümen Wünsche jener, die mit einer natürlich christlichen Seele (VgI. Tertulian, Apologeticus, 17 [PL 1, 375]) nicht resignieren wollen angesichts der persönlichen und sozialen Ungerechtigkeit, die das menschliche Herz hervorbringen kann. So viele Jahrhunderte schon leben die Menschen zusammen, und noch immer gibt es so viel Haß, so viel Zerstörung, so viel Fanatismus in Augen, die nicht sehen, und in Herzen, die nicht lieben wollen.

Die Reichtümer der Erde verteilt unter einige wenige, die Bildungsgüter einem kleinen Kreis vorbehalten und draußen Hunger nach Brot und Wissen. Draußen menschliches Leben, das heilig ist, weil es von Gott kommt, und das behandelt wird wie eine Sache, wie Zahlen in einer Statistik. Ich verstehe und teile diese Ungeduld, eine Ungeduld, die mich drängt, auf Christus zu schauen, der uns ständig auffordert, jenes neue Gebot der Liebe zu verwirklichen.

Alle Situationen unseres Lebens bergen eine göttliche Botschaft in sich und fordern von uns eine Antwort der Liebe und Hingabe an die anderen. Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit Ihm, dann wird Er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Alle Völker werden vor Ihm versammelt werden. Er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Die Schafe wird Er zu seiner Rechten stellen, die Böcke zu seiner Linken.

Alsdann wird der König zu denen auf der Rechten sprechen: Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters! Nehmt in Besitz das Reich, das seit der Weltschöpfung für euch bereitet ist. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben, durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war fremd, und ihr habt mich beherbergt, nackt, und ihr habt mich bekleidet. Ich war krank, und ihr habt mich besucht, gefangen, und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden die Gerechten Ihn fragen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremdling gesehen und haben dich beherbergt? Oder nackt und haben dich bekleidet? Wann haben wir dich krank gesehen oder im Gefängnis und sind zu dir gekommen? Der König wird ihnen antworten: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25, 31-40).

In unseren Brüdern, den Menschen, müssen wir Christus sehen, der uns in ihnen begegnet. Kein menschliches Leben ist isoliert, sondern jedes ist mit allen anderen verflochten. Keiner ist wie ein bezugloser Vers, alle sind wir Teil ein und derselben göttlichen Dichtung, die Gott unter Mitwirkung unserer Freiheit verfaßt.

Das künftige Leben

Die apostolische Aufgabe, die Christus allen seinen Jüngern anvertraut hat, zeitigt daher greifbare Ergebnisse in der Gesellschaft. Es ist falsch zu meinen, man müsse der Welt den Rücken kehren, man müsse die menschliche Natur vergewaltigen, um Christ zu sein. Alles, was gut ist, mag es auch noch so unbedeutend sein, birgt einen menschlichen und göttlichen Sinn. Christus, vollkommener Mensch, ist nicht gekommen, um das Menschliche zu zerstören, sondern um es zu adeln, indem Er unsere menschliche Natur, ausgenommen die Sünde, annahm; Er ist gekommen, alles Mühen der Menschen zu teilen, nur nicht den traurigen Irrweg des Bösen.

Der Christ muß immer bereit sein, die Gesellschaft von innen her zu heiligen, da er ja voll und ganz in der Welt ist, wenn auch nicht von der Welt - jener Welt, in der Gott geleugnet wird, in der man sich seinem liebenswerten Erlösungswillen widersetzt; nicht weil die Welt so geschaffen worden wäre, sondern weil sie durch die Sünde so geworden ist.

Der Frieden Christi

Noch etwas möchte ich euch zu bedenken geben: daß wir unverzagt kämpfen müssen, um das Gute zu tun, gerade weil wir wissen, wie schwer es uns Menschen fällt, mit allem Ernst Gerechtigkeit zu üben. Wir sind sehr weit entfernt von einem menschlichen Zusammenleben, das von der Liebe bestimmt ist und nicht von Haß oder Gleichgültigkeit. Aber auch wenn es uns gelingen sollte, eine gerechtere Verteilung der Güter und eine bessere Gesellschaft zu erreichen, würde das Leiden nicht aufgehoben sein, das der Schmerz und die Krankheit, das Unverständnis und die Einsamkeit, der Tod geliebter Menschen und die Erfahrung der eigenen Begrenztheit erzeugen.

Vor diesem bedrückenden Bild findet der Christ nur eine einzige, aber entscheidende Antwort: Christus am Kreuz, Gott, der leidet und stirbt; Gott, der sein Herz hingibt für uns, aus Liebe zu allen Menschen von der Lanze durchbohrt. Der Herr verabscheut die Ungerechtigkeit und verurteilt den, der sie tut; aber Er läßt sie zu, weil Er die Freiheit jedes einzelnen achtet. Gott verursacht nicht das Leid der Geschöpfe, aber Er duldet es, weil es nach der Erbsünde zum menschlichen Dasein gehört. Ihm hat es aber gefallen, auf Antrieb seines liebenden Herzens mit dem Kreuz auch unsere Leiden, unsere Trübsal und Angst, unseren Hunger und Durst nach Gerechtigkeit auf sich zu nehmen.

Die christliche Lehre über den Schmerz ist kein billiger Trost. Zuallererst fordert sie die Annahme des Leidens, das tatsächlich vom menschlichen Leben nicht zu trennen ist. Aber dort, wo das Kreuz ist, da ist auch Christus, die Liebe; da ich mich bemüht habe, danach zu leben, sage ich euch jetzt nicht ohne Freude, daß der Schmerz auch in meinem Leben nicht gefehlt hat, und daß ich mehr als einmal nahe daran war zu weinen. Manchmal habe auch ich die wachsende Abscheu vor der Ungerechtigkeit und dem Bösen auskosten müssen sowie das Unbehagen, trotz allen guten Wollens und aller Anstrengungen machtlos dazustehen und nicht helfen zu können.

Wenn ich vom Schmerz spreche, so rede ich nicht von einer Theorie. Ich gebe nicht eine fremde Erfahrung weiter, wenn ich euch jetzt einschärfen möchte, daß ihr, wenn ihr die Härte des Leidens und die Erschütterung der Seele spürt, auf Christus schauen sollt. Das ist das Heilmittel, denn das Bild des GoIgotha verkündet allen Menschen, daß Sorgen und Kummer geheiligt werden müssen, wenn wir eins mit dem Kreuz leben wollen.

Unsere Bedrängnis wird, christlich gelebt, zur Sühne und Wiedergutmachung, zur Teilnahme am Schicksal und am Leben Jesu, denn Er hat freiwillig und aus Liebe zu den Menschen alle nur denkbaren Schmerzen, alle Art von Qualen erfahren wollen. Er wurde arm geboren, Er lebte und starb arm; Er wurde angefeindet, verhöhnt, verschmäht, verleumdet und ungerecht verurteilt; Er wurde verraten und von seinen Jüngern im Stich gelassen; Er bekam die Einsamkeit, die Bitternis der Strafe und des Todes zu spüren. Jetzt noch leidet Christus immerfort in seinen Gliedern, in der ganzen Menschheit, die die Erde bevölkert, und deren Haupt, Erstgeborener und Erlöser Er ist.

Der Schmerz hat einen Platz in den Plänen Gottes: auch wenn es uns schwerfällt, dies zu begreifen, so wie es Christus als Mensch schwerfiel: Vater, wenn du willst, laß diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch nicht mein Wille geschehe, sondern der deine (Lk 22,42). In dieser Spannung zwischen Pein und Hinnahme des Willens des Vaters geht Jesus dem Tod entgegen, gelassen und denen verzeihend, die Ihn kreuzigen.

Gerade diese übernatürliche Annahme des Leidens ist wahrhaft eine Eroberung. Christus besiegt den Tod, indem Er am Kreuze stirbt, Gott läßt aus dem Tod Leben erstehen. Die Haltung eines Kindes Gottes ist nicht die des Sichabfindens mit einem tragischen Geschick, sondern die Freude eines Menschen, der sich des Sieges gewiß ist. Im Namen der siegreichen Liebe Christi müssen wir Christen überall auf der Erde mit unserem Wort und unserem Tun Frieden und Freude säen. Wir müssen kämpfen - den Kampf des Friedens - gegen das Böse, gegen die Ungerechtigkeit, gegen die Sünde, und auf diese Weise verkünden, daß der gegenwärtige Stand des Menschen nicht der endgültige ist, daß die Liebe Gottes, die sich im Herzen Christi zeigt, auch unter den Menschen einen herrlichen geistigen Triumph davontragen wird.