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Es gibt 4 Nummer in «Christus begegnen » deren Stichwort lautet Natürlichkeit.

Laßt mich noch einmal auf das Ursprüngliche und Einfache im Leben Jesu zurückkommen, das wir so oft zusammen betrachtet haben. Diese verborgenen Jahre im Leben des Herrn sind weder bedeutungslos noch bloße Vorbereitung auf die Jahre danach, auf sein öffentliches Wirken. Seit 1928 sehe ich dies mit aller Klarheit: Gott will, daß wir Christen das ganze Leben des Herrn als Beispiel verstehen. Ich bin besonders seinem verborgenen Leben nachgegangen, seinem Leben der gewöhnlichen Arbeit unter den Menschen; der Herr will, daß viele Menschen den Weg gehen, den Er selbst in den Jahren seines stillen, unscheinbaren Lebens ging. Dem Willen Gottes gehorchen bedeutet deshalb immer, von unserer Selbstsucht loskommen: aber es bedeutet nicht, sich vom normalen Leben der Menschen entfernen, mit denen uns Stand, berufliche Arbeit und gesellschaftliche Situation verbinden.

Ich träume - und mein Traum ist Wirklichkeit geworden - von unzähligen Kindern Gottes, die ihr Leben als gewöhnliche Menschen heiligen und teilhaben an den Mühen, Hoffnungen und Anstrengungen ihrer Mitmenschen. Ihnen sei diese göttliche Wahrheit zugerufen: Wenn ihr inmitten der Welt bleibt, dann nicht, weil Gott euch vergessen oder nicht berufen hätte, nein, Er hat euch aufgefordert, in den irdischen Tätigkeiten und Sorgen zu bleiben, und euch kundgetan, daß eure menschliche Berufung, euer Beruf und eure Fähigkeiten, seinen göttlichen Plänen nicht nur nicht zuwiderlaufen, sondern die geheiligte Opfergabe sind, die Christus dem Vater dargebracht hat.

Erlaubt mir, daß ich noch einmal erwähne, wie natürlich und einfach der heilige Josef gelebt hat, auch wenn wir bei anderen Gelegenheiten schon oft genug darüber gesprochen haben. Er sonderte sich nicht von seinen Nachbarn ab, er richtete keine Schranken auf.

Deshalb spreche ich gewöhnlich nicht gern von katholischen Arbeitern, katholischen Ingenieuren oder katholischen Ärzten - mag dies auch in bestimmten Situationen angebracht sein -, so als ob es sich um eine bestimmte Art innerhalb einer Gattung handelte, als ob die Katholiken eine von den anderen getrennte Gruppe bildeten - als wären die Christen wie durch einen Graben von der übrigen Menschheit getrennt. Ich respektiere jene, die anders denken, halte es aber für richtiger, von Arbeitern zu sprechen, die katholisch sind, oder von Katholiken, die Arbeiter sind; von Ingenieuren, die katholisch sind, oder von Katholiken, die Ingenieure sind. Denn der Mensch, der glaubt und einen Beruf hat - sei er nun Intellektueller, Techniker oder Handwerker -, ist mit den anderen verbunden, und so versteht er sich: ihnen gleich in allem, in Rechten und Pflichten, im Wunsch, vorwärts zu kommen, oder im Eifer, die gemeinsamen Probleme in Angriff zu nehmen und zu lösen.

Ein Katholik mit dieser Einstellung wird imstande sein, durch sein tägliches Leben ein Zeugnis des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu geben; ein normales und einfaches Zeugnis, ohne Spektakel. So wird er mit der Echtheit seines Lebens von der steten Präsenz der Kirche in der Welt Zeugnis geben, denn alle Katholiken sind als vollberechtigte Glieder des einen Volkes Gottes Kirche.

Vielleicht fragt sich der eine oder der andere, wie er den Menschen diese Botschaft bringen kann. Und ich antworte euch: mit Natürlichkeit, mit Einfachheit, so wie ihr lebt inmitten der Welt, im Bemühen um eure berufliche Arbeit und um eure Familie, teilnehmend an allen echten Sorgen der Menschen, mit Achtung vor der legitimen Freiheit eines jeden.

Vor fast dreißig Jahren ließ Gott in meinem Herzen den Wunsch entstehen, Menschen jeden Standes, jeder gesellschaftlichen Schicht, jeden Berufes diese Lehre begreiflich zu machen: Das alltägliche Leben kann heilig, kann von Gott erfüllt sein; Gott ruft uns, die gewöhnliche Arbeit zu heiligen, denn darin besteht die Fülle des christlichen Lebens. Denken wir noch einmal darüber nach, während wir das Leben Mariens betrachten.

Vergessen wir nicht, daß fast alle Tage im irdischen Leben unserer Herrin so verliefen wie der Alltag von Millionen Frauen, die sich ihrer Familie widmen, ihre Kinder erziehen und den Haushalt besorgen. Maria heiligt das Allergewöhnlichste, sie heiligt, was viele irrtümlich für etwas ohne tieferen Sinn und Wert halten: die tägliche Arbeit, kleine Aufmerksamkeiten gegenüber den Menschen, die wir lieben, Gespräche und Besuche bei Verwandten und Freunden. Gesegneter Alltag, der erfüllt sein kann von so viel Liebe zu Gott!

Für das Leben Mariens gibt es nur eine Erklärung: ihre Liebe. Eine Liebe bis zum Letzten, bis zum völligen Sich-selbst-vergessen; zufrieden dort, wo Gott sie haben wollte, erfüllte sie feinfühlig seinen Willen. So kommt es, daß selbst unscheinbare Gesten bei ihr niemals leer, sondern stets voll Inhalt sind. Maria, unsere Mutter, ist für uns Beispiel und Weg. Wir müssen versuchen, so zu sein wie sie, in den konkreten Umständen, die nach dem Willen Gottes unser Leben ausmachen.

Wenn wir auf diese Weise handeln, werden wir unseren Mitmenschen das Zeugnis eines normalen und einfachen Lebens bieten, mit den Unzulänglichkeiten und Fehlern, die uns als Menschen anhaften, aber wie aus einem Guß. Und wenn die anderen sehen, daß wir ihnen in allem gleichen, werden sie sich gedrängt fühlen zu fragen: Woher kommt eure Freude? Woher nehmt ihr die Kraft, den Egoismus und die Bequemlichkeit zu überwinden? Wer lehrt euch, dieses Verständnis aufzubringen, wer lehrt euch dieses selbstlose Zusammenleben, diese Hingabe, diese Dienstbereitschaft gegenüber den anderen?

Dann ist der Augenblick gekommen, ihnen das göttliche Geheimnis des christlichen Lebens aufzudecken, mit ihnen über Gott zu sprechen, über Christus, den Heiligen Geist, über Maria; dann ist der Augenblick gekommen, mit unseren armseligen Worten die Torheit der Liebe Gottes weiterzugeben, die der Heilige Geist in unsere Herzen ausgegossen hat.

Unsere Liebe Frau nachahmen

Unsere Mutter ist darin Vorbild, wie sie der Gnade entspricht. Wenn wir ihr Leben betrachten, wird uns der Herr Klarheit schenken, damit wir unser gewöhnliches Dasein vergöttlichen können. Wir Christen denken oft an die Mutter Gottes: im Laufe des Jahres, wenn wir die Marienfeste feiern, wie auch oft mitten im gewöhnlichen Alltag. Wenn wir diese Gelegenheiten nutzen und uns dabei vorstellen, wie Maria den Aufgaben, die uns beschäftigen, nachgehen würde, so werden wir ständig hinzulernen: und schließlich werden wir ihr ähnlich sein wie Kinder ihrer Mutter.

An erster Stelle ist ihre Liebe nachahmenswert. Die Liebe darf es nicht bei Gefühlen bewenden lassen: Sie soll in Worten bestehen, vor allem aber in Werken. Die Mutter Gottes sagte ihr fiat nicht nur, sondern sie verwirklichte diesen festen, unwiderruflichen Entschluß in jedem Augenblick ihres Lebens. So auch wir: wenn die Gottesliebe unser Herz unruhig macht und wir den göttlichen Willen erkannt haben, dann müssen wir uns auch entschließen, treu und loyal zu sein, und diesen Entschluß wirksam werden lassen. Denn nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Himmelreich eingehen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist (Mt 7,21).

Auch ihre vollendete Art im Natürlichen und Übernatürlichen sollen wir nachahmen. Maria ist in der Heilsgeschichte ein bevorzugtes Geschöpf, denn in ihr ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt (Joh 1,14). Sie war feinfühlender Zeuge und blieb unauffällig; es mißfiel ihr, Lob zu empfangen, denn ihr Trachten ging nicht auf eigene Ehre. Maria ist zugegen in den Geheimnissen der Kindheit ihres Sohnes - vielleicht dürfen wir sie normale Geheimnisse nennen -, aber zur Stunde der großen Wunder und der begeisterten Menge ist sie nicht da. Maria ist nicht da, als Christus in Jerusalem - auf einem Esel reitend - als König umjubelt wird. Aber sie erscheint wieder unter dem Kreuz, als alle fliehen. Ihr unauffälliges Verhalten zeigt die Größe, Tiefe und Heiligkeit ihrer Seele.

Versuchen wir von ihr zu lernen, folgen wir ihrem Beispiel im Gehorsam gegenüber Gott, in dieser unauffälligen Verbindung von Dienen und Herrschen. In Maria ist nichts von jener Haltung der törichten Jungfrauen, die zwar gehorchen, aber ohne zu überlegen. Unsere Liebe Frau hört aufmerksam auf das, was Gott will, erwägt, was sie nicht versteht, fragt, was sie nicht weiß. Dann liefert sie sich ganz dem göttlichen Willen aus: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort (Lk 1,38). Seht ihr das Wunderbare? Maria, die Lehrmeisterin unseres Lebens, zeigt uns hier, daß der Gehorsam gegenüber Gott nicht Unterwürfigkeit ist und das Gewissen nicht unterjocht, sondern er bringt uns in unserem Inneren dazu, die Freiheit der Kinder Gottes (Vgl. Röm 8,21) zu entdecken.