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Es gibt 3 Nummer in «Christus begegnen » deren Stichwort lautet Evangelien.

Gott auf Erden: diese Lehre begreifen

Jedesmal, wenn ich vor der Krippe spreche, versuche ich, auf Christus, unseren Herrn zu schauen, wie Er in Windeln gewickelt auf Stroh liegt: obwohl noch ein Kind, das nicht sprechen kann, sehe ich in Ihm schon den Lehrer und Meister. Ich muß Ihn so betrachten, denn ich soll von Ihm lernen. Und dazu ist es nötig, sein Leben zu kennen, das Evangelium zu lesen, sich in das Geschehen des Neuen Testamentes hineinzuversetzen, um den göttlichen Sinn des Erdenwandels Jesu zu erfassen.

Das Leben Jesu muß sich in unserem eigenen Leben wiederholen, indem wir Christus kennenlernen: durch Lesen und immer wieder Lesen, durch Meditieren und immer wieder Meditieren der Heiligen Schrift, durch Beten und wieder Beten wie jetzt hier vor der Krippe. Versuchen wir, die Lehre zu begreifen, die Jesus uns bereits jetzt gibt: als Kind, als Neugeborener, dessen Augen sich eben erst für diese unsere Erde geöffnet haben.

Indem Jesus wie einer von uns aufwächst und lebt, offenbart Er uns, daß das menschliche Dasein, das gewöhnliche und alltägliche Tun einen göttlichen Sinn hat. Sooft wir diese Wahrheit auch betrachtet haben mögen, immer wieder sollte uns der Gedanke an die dreißig Jahre seines verborgenen Lebens in Staunen versetzen, jene dreißig Jahre, die den größten Teil seines Wandels unter uns Menschen, seinen Brüdern, ausmachen. Jahre im Schatten, für uns aber klar wie Sonnenlicht. Oder vielmehr: strahlende Jahre, die unsere Tage erhellen und ihnen ihren wirklichen Sinn geben; denn wir sind gewöhnliche Christen, die ein normales Leben führen wie Millionen Menschen überall auf der Welt.

Dreißig Jahre lang lebte Jesus so: als fabri filius (Mt 13,55), als der Sohn des Zimmermanns. Dann erst folgen die drei Jahre seines öffentlichen Lebens inmitten der lärmenden Menge. Die Leute fragen sich verwundert: Wer ist dieser, woher weiß Er das alles? Denn Er war ja einer von ihnen, führte das Leben der Menschen seines Landes. Er war der faber, filius Mariae (Mk 6,3), der Zimmermann, der Sohn Mariens. Und Er war Gott, im Begriff, das Menschengeschlecht zu erlösen und alles an sich zu ziehen (Joh 12,32).

Christi Leben betrachten

Diese Liebe Christi ist es, um deren Verwirklichung jeder von uns in seinem eigenen Leben ringen muß. Aber um ipse Christus zu sein, müssen wir uns in Ihm sehen. Es genügt nicht, ein allgemeines Bild von Christus zu haben, wir müssen vielmehr aus seiner Haltung und seinen Reaktionen lernen. Und vor allem müssen wir seinen Erdenwandel betrachten und seinen Spuren nachgehen, um Kraft, Licht, Gelassenheit und Frieden daraus zu schöpfen.

Wenn man einen Menschen liebt, möchte man alles, selbst die kleinsten Details über ihn wissen, um sich mit ihm identifizieren zu können. Darum müssen wir die Lebensgeschichte Jesu betrachten, von der Geburt in einer Krippe bis zu seinem Tod und seiner Auferstehung. In den ersten Jahren meiner priesterlichen Arbeit verschenkte ich oft die Heilige Schrift oder Bücher, die das Leben Christi nacherzählen. Denn wir müssen sein Leben gut kennen, es ganz im Kopf und im Herzen tragen, damit wir es in jedem Augenblick ohne Hilfe eines Buches mit geschlossenen Augen vor unserem inneren Blick wie einen Film vorbeiziehen lassen können. Die Worte und Taten des Herrn werden uns auf diese Weise in den verschiedenen Situationen unseres Lebens begleiten.

So werden wir sein Leben mitleben. Denn es geht nicht nur darum, an Jesus zu denken, uns diese oder jene Szene zu vergegenwärtigen. Wir müssen uns vielmehr in sie hineinversetzen, und als Teilnehmer des Geschehens werden wir dann Christus so nahe folgen wie Maria, seine Mutter, wie die ersten Zwölf, wie die frommen Frauen und die Menge, die Ihn umdrängte. Wenn wir so handeln und Christus keine Hindernisse in den Weg legen, werden uns seine Worte bis ins Innerste durchdringen und umwandeln. Denn Gottes Wort ist lebendig, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Es dringt durch, bis es Seele und Geist, Mark und Bein voneinander scheidet. Es ist ein Richter über die Gedanken und Gesinnungen des Herzens (Hebr 4,12).

Wenn wir die übrigen Menschen zum Herrn führen wollen, müssen wir das Evangelium nehmen und die Liebe Christi betrachten. Wir könnten uns etwa die entscheidenden Szenen seines Leidens vor Augen führen, denn, wie Er selbst sagte: Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde (Joh 15,13). Aber wir können auch sein übriges Leben, seinen täglichen Umgang mit jenen betrachten, die Ihm begegneten.

Um die Heilsbotschaft zu den Menschen gelangen zu lassen und ihnen die Liebe Gottes zu offenbaren, hat Christus - vollkommener Gott und vollkommener Mensch - menschlich und göttlich zugleich gehandelt. Gott kommt den Menschen entgegen. Er nimmt unsere Natur ohne Vorbehalte an, mit Ausnahme der Sünde.

Ich empfinde eine tiefe Freude bei dem Gedanken, daß Christus voll und ganz Mensch sein wollte, aus Fleisch wie wir. Mich bewegt das Wunder, daß ein Gott mit dem Herzen eines Menschen liebt.

Wir haben uns jene Begegnung in Naim vergegenwärtigt. Wir hätten uns auch viele ähnliche Szenen ins Gedächtnis rufen können, denn das Evangelium bietet sie in Fülle. Diese Berichte haben schon immer die Herzen der Menschen bewegt, früher wie heute, denn hier zeigt sich nicht nur die aufrichtige Geste eines Menschen, der mit seinesgleichen Mitleid empfindet, sondern vor allem die Offenbarung der unauslotbaren Liebe Gottes. Das Herz Jesu ist das Herz des menschgewordenen Gottes, das Herz des Emmanuel, Gott mit uns.

Die Kirche, mit Christus vereint, wird aus einem durchbohrten Herzen geboren (Aus dem Hymnus der Vesper vom Fest). Aus diesem weit geöffneten Herzen empfangen wir das Leben. Wie sollten wir nicht hier, wenn auch nur kurz, die Sakramente erwähnen, durch welche Gott in uns wirkt und uns der erlösenden Kraft Christi teilhaftig macht? Wie sollten wir nicht mit besonderer Dankbarkeit das allerheiligste Sakrament der Eucharistie, das heilige Opfer auf GoIgotha und seine ständige unblutige Erneuerung in der heiligen Messe erwähnen? Es ist Jesus, der sich uns zur Speise gibt. Weil Christus zu uns kommt, wird alles anders: Eine Kraft - der Beistand des Heiligen Geistes - wirkt in uns, erfüllt die Seele und prägt Handeln, Denken und Fühlen. Christi Herz ist Frieden für den Christen.

Der tragende Grund der Hingabe, die der Herr von uns erwartet, ist nicht der eigene Wunsch oder die eigene Kraft, die oft hilf- und machtlos sind; diese Hingabe stützt sich vielmehr zuerst auf die Gnade, welche die Liebe aus dem Herzen des menschgewordenen Gottes für uns erlangt hat. Daher können und müssen wir in unserem inneren Leben als Kinder unseres Vaters im Himmel ausharren, ohne mutlos zu werden oder zu ermüden. Ich verweise gern darauf, daß der Christ gerade in seinem Alltagsleben, in den einfachen Dingen, in den ganz gewöhnlichen Situationen Glaube, Hoffnung und Liebe lebt, denn darin äußert sich wesenhaft das Verhalten eines auf die göttliche Hilfe vertrauenden Menschen; und es ist hier, in der Ausübung dieser göttlichen Tugenden, wo er Freude, Kraft und Ruhe findet.

Das sind die Früchte des Friedens Christi, des Friedens, den uns sein allerheiligstes Herz bringt. Denn die Liebe Jesu zu den Menschen - es ist gut, wieder einmal daran zu erinnern - ist ein unergründlicher Teil des göttlichen Geheimnisses, der Liebe des Sohnes zum Vater und zum Heiligen Geist. Der Heilige Geist, das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn, findet im göttlichen Wort ein menschliches Herz.

Es ist nicht möglich, über diese zentralen Geheimnisse unseres Glaubens zu sprechen, ohne die Begrenztheit unseres Verstandes und den Reichtum der Offenbarung gewahr zu werden. Aber fest und demütig glauben wir diese Wahrheiten, auch wenn sie für die staunende Vernunft unfaßbar sind: Gestützt auf das Zeugnis Christi wissen wir, daß es so ist; daß die Liebe im Schoß der Dreifaltigkeit sich ausgießt über alle Menschen durch die Liebe des Herzens Jesu.