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Es gibt 3 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Berufung → Hingabe.

Im Laufe dieses Interviews haben Sie zu wichtigen Aspekten des menschlichen Lebens und besonders zur Rolle der Frau Stellung genommen und dabei klargestellt, wie sie im Geist des Opus Dei gewertet werden. Könnten Sie uns zum Abschluß sagen, wie man sich eine Mitwirkung der Frau im Leben der Kirche zu denken hat?

Bei der Beantwortung dieser Frage fühle ich mich - entgegen meiner sonstigen Gewohnheit - versucht, polemisch zu werden. Das Wort "Kirche" wird nämlich in diesem Zusammenhang nicht selten mit einem klerikalen Akzent versehen und als Synonym für etwas gebraucht, das dem Klerus und der kirchlichen Hierarchie zugeordnet ist. Und so versteht man unter Teilnahme am Leben der Kirche ausschließlich oder zumindest in erster Linie die Mitarbeit in der Pfarrei, in Vereinigungen, die von der Hierarchie ins Leben gerufen wurden, im aktiven Mitwirken bei liturgischen Feiern und dergleichen.

Wer so denkt, vergißt in der Praxis, auch wenn er es theoretisch noch so laut verkündet, daß Kirche die Ganzheit des Volkes Gottes, die Gemeinschaft aller Christen meint, und daß Kirche deshalb überall dort gegenwärtig ist, wo ein Christ sich darum bemüht, dem Namen Jesu Christi entsprechend zu leben.

Damit möchte ich keinesfalls den Wert der Arbeit herabmindern, die die Frau im Leben kirchlicher Organisationen zu leisten vermag; ich halte ihre Mitwirkung im Gegenteil für unentbehrlich. Schließlich habe ich mein ganzes Leben dafür eingesetzt, die christliche Berufung des Laien, die Berufung jener Männer und Frauen, die ein gewöhnliches Leben mitten in der Welt führen, in ihrer ganzen Fülle und Weite zu verteidigen und die theologische und juristische Anerkennung ihres Auftrages in der Kirche zu erreichen.

Ich möchte hier nur darauf aufmerksam machen, daß es Leute gibt, die das Feld dieses Mitwirkens im Leben der Kirche in ungerechtfertigter Weise einschränken; und ebenso möchte ich daran erinnern, daß der gewöhnliche Christ, Mann oder Frau, seine spezifische Aufgabe - auch diejenige, die ihm innerhalb des ekklesialen Ordnungsgefüges zukommt - nur dann zu erfüllen vermag, wenn er sich nicht klerikalisiert, sondern wirklich säkular, welthaft bleibt und als gewöhnlicher Mensch mitten in der Welt lebt und sich den Aufgaben der Welt stellt.

Die Aufgabe der Millionen Christen in der ganzen Welt besteht darin, Christus in alle menschlichen Tätigkeiten hineinzutragen, indem sie mit ihrem Leben davon Zeugnis geben, daß Gott alle Menschen liebt und das Heil aller will. Die beste und die wichtigste Art, am Leben der Kirche Anteil zu nehmen, ist daher, dort ganz Christ zu sein, wo das Leben uns hingestellt hat; das ist zugleich die Vorbedingung für jede andere Form der Mitarbeit.

Mich begeistert der Gedanke an so viele Christen, Männer und Frauen, die in aller Schlichtheit ihr alltägliches Leben führen, und dort - vielleicht sogar, ohne es sich besonders vorgenommen zu haben - mit allen Kräften danach streben, den Willen Gottes zu erfüllen. In diesen Christen das Bewußtsein für die Erhabenheit ihres Lebens zu wecken, ihnen zu zeigen, daß das scheinbar Bedeutungslose einen Wert für die Ewigkeit besitzt, und sie zu lehren, aufmerksamer auf die Stimme Gottes zu horchen, die aus den konkreten Umständen und Ereignissen des Lebens zu ihnen spricht, das ist es, was der Kirche heute dringend nottut, das ist es, wozu Gott sie drängt.

Die Aufgabe des Christen besteht darin, die ganze Welt von innen her zu verchristlichen und so zu zeigen, daß Jesus Christus die ganze Welt erlöst hat. Und an dieser Aufgabe nimmt die Frau sowohl in der Familie als auch in jeder anderen Tätigkeit, die sie ausübt, ihrer Wesensart entsprechend teil.

Das Entscheidende ist, daß die Frau auf Gott hin lebt und wie Maria, die Jungfrau und Mutter, das fiat mihi secundum verbum tuum (Lk 1,38) spricht - mir geschehe nach deinem Wort. Denn davon hängt die Treue zu unserer persönlichen Berufung ab, die uns auf eine einmalige und unverwechselbare Art zu Mitarbeitern des Heilswerkes macht, das Gott in uns und in der ganzen Welt verwirklicht.

Und jetzt erlaubt mir, daß ich mich einen Augenblick bei einem anderen Aspekt des alltäglichen Lebens aufhalte, der mir ganz besonders am Herzen liegt. Ich meine die menschliche Liebe, die lautere Liebe zwischen Mann und Frau in Brautstand und Ehe. Seit über vierzig Jahren werde ich nicht müde, in Wort und Schrift zu wiederholen, daß diese heilige menschliche Liebe keineswegs etwas nur Erlaubtes oder Geduldetes am Rande der wahren Werte des Geistes ist, wie der falsche Spiritualismus meinen könnte, den ich vorhin erwähnte. Heute beginnen das endlich auch diejenigen zu begreifen, die bisher kein Verständnis dafür aufbrachten.

Die Liebe, die zu Ehe und Familie führt, kann zugleich ein Weg Gottes, ein herrlicher Weg der Berufung und der rückhaltlosen Hingabe an den Herrn sein. Versucht, eure Arbeit so vollkommen wie möglich zu tun, sagte ich vorhin; erfüllt mit Liebe die kleinen Dinge des Alltags, entdeckt - ich wiederhole es - jenes göttliche Etwas, das im Kleinen verborgen liegt. Hier, in diesem so lebendigen Bereich der menschlichen Liebe, gewinnt diese Lehre eine ganz besondere Bedeutung.

Professoren, Studenten und die ihr sonst eure Arbeit der Universität von Navarra widmet: Ihr wißt, daß ich Maria, der "Mutter der schönen Liebe", eure Liebe anempfohlen habe. Dort steht jene kleine Kapelle, die wir zu ihrer Ehre auf dem Universitätsgelände errichtet haben, damit sie euer Gebet und die Darbringung eurer lauteren Liebe annehme und segne.

Wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott empfangen habt, und daß ihr nicht mehr euch selbst angehört? (1 Kor 6,19) Wie oft werdet ihr vor dieser Statue Mariens, der Mutter der schönen Liebe, mit einem freudigen Ja auf die Frage des Apostels antworten: Ja, wir wissen es, und mit deiner mächtigen Hilfe, Jungfrau und Mutter Gottes, wollen wir es so leben!

Und ihr werdet den Wunsch verspüren zu beten, jedesmal wenn ihr diese eindrucksvolle Wirklichkeit bedenkt: Etwas so Materielles wie meinen Leib hat sich der Heilige Geist erwählt, um darin Wohnung zu nehmen… ich gehöre nicht mehr mir selbst… mein Leib und meine Seele - mein ganzes Sein - ist Eigentum Gottes… Und dieses Gebet wird reich an praktischen Folgen sein, die sich alle aus dem ergeben, was Paulus sagt: Verherrlicht also Gott in eurem Leibe (1 Kor 6,20).

Außerdem müßt ihr euch dessen bewußt sein, daß nur unter denen, die die menschliche Liebe in dieser ihrer ganzen Tiefe begreifen und schätzen, auch ein Verständnis für jenes andere erhabene Gut aufkommen kann, von dem Jesus spricht (Vgl. Mt19,11); für jenes reine Gnadengeschenk Gottes, das dazu drängt, Leib und Seele dem Herrn hinzugeben und ihm ohne die Mittlerschaft irdischer Liebe ein ungeteiltes Herz darzubringen.