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Es gibt 6 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Apostolat → daheim.

Wenn ich bei dem gleichen Thema bleiben darf: Aus Zuschriften an die Redaktion wissen wir von Müttern kinderreicher Familien, die sich darüber beklagen, daß ihre einzige Aufgabe im Leben darin zu bestehen scheint, Kinder zur Welt zu bringen. Sie fühlen sich unausgefüllt, weil sie sich darüber hinaus weder kulturellen Interessen noch beruflichen oder sozialen Tätigkeiten widmen können. Welchen Rat würden Sie in diesen Fällen geben?

Nun, was bedeutet "soziale Tätigkeit" denn anderes, als mit Hingabe und Dienstbereitschaft für andere dazusein und wirksam zum Wohle aller beizutragen? Das Wirken der Frau in ihrer Familie hat nicht nur in sich eine soziale Bedeutung, es kann ohne weiteres zu der Aufgabe werden, die die bedeutendste soziale Ausstrahlung überhaupt hat.

Stellen Sie sich eine kinderreiche Familie vor: Die Arbeit der Mutter ist durchaus vergleichbar mit der Arbeit berufsmäßiger Erzieher und Lehrer und übertrifft nicht selten deren Wirksamkeit. Ein Lehrer vermag vielleicht im Laufe seines ganzen Lebens eine gewisse Anzahl von Jungen und Mädchen mehr oder weniger gut auszubilden. Aber eine Mutter ist in der Lage, ihren Kindern in den wesentlichen Dingen des Lebens eine tiefgreifende Formung mitzugeben und sie selbst wiederum zu Erziehern zu machen, so daß sich eine ununterbrochene Kette von Verantwortlichkeit und Tugend ergibt.

Es besteht manchmal die Gefahr, sich bei solchen Überlegungen von rein quantitativen Gesichtspunkten verleiten zu lassen und die Arbeit eines Lehrers, der Tausende von Personen an sich vorbeiziehen sieht, oder eines Schriftstellers, der sich an viele tausend Leser richtet, für bedeutender zu halten. Nun, aber wie viele Personen formt dieser Lehrer oder Schriftsteller denn in Wirklichkeit? Eine Mutter trägt für drei, fünf, zehn oder mehr Kinder Sorge; aber aus ihnen kann sie ein wahres Meisterwerk machen, ein Wunderwerk der Erziehung, der Ausgeglichenheit, des mitmenschlichen Verstehens und der christlichen Lebensauffassung, so daß sie selbst glücklich werden und in der Lage sind, ihren Mitmenschen wirksam zu helfen.

Andererseits ist es selbstverständlich, daß die Kinder bei der Hausarbeit mithelfen. Eine Mutter, die ihre Kinder gut zu erziehen weiß, wird das ohne weiteres erreichen können, und auf diese Weise kann sie selbst über etwas Zeit verfügen, die es ihr, gut ausgenützt, erlaubt, sich auch ihren persönlichen Interessen zu widmen und ihre Fähigkeit und ihre Bildung zu erweitern. Zudem fehlen heute glücklicherweise nicht die technischen Mittel, die bekanntlich viel Arbeit ersparen, wenn man sie zweckmäßig anwendet und sie gut auszunutzen versteht. Wie in allem, so ist auch hier die persönliche Einstellung ausschlaggebend. Es gibt Frauen, die mit einer Waschmaschine neuesten Modells mehr Zeit zum Waschen benötigen und darüber hinaus noch schlechter waschen als mit der Hand. Ein Werkzeug ist eben nur dann nützlich, wenn man es auch richtig zu gebrauchen weiß.

Ich kenne viele verheiratete Frauen mit einer ansehnlichen Kinderzahl, die ihren Haushalt vorbildlich führen und darüber hinaus noch Zeit für die Mitarbeit in apostolischen Tätigkeiten finden; genau wie Aquilla und Priscilla, jenes Ehepaar der urchristlichen Gemeinde, die in ihrem Haus und ihrem Beruf arbeiteten und zugleich ausgezeichnete Mitarbeiter des heiligen Paulus waren. Mit ihrem Wort und ihrem Beispiel führten sie Apollo, der später ein großer Prediger der jungen Kirche wurde, zum Glauben an Christus. Wie gesagt, bei gutem Willen läßt sich zumindest ein Teil der von Ihnen angeführten Schwierigkeiten überwinden; denn in Wirklichkeit kann man, ohne irgendwelche Pflichten zu vernachlässigen, für vieles Zeit finden: Zeit, um den Haushalt mit berufsmäßiger Sorgfalt zu führen, um ständig für die Mitmenschen da zu sein, um die eigene Bildung und die Bildung anderer zu erweitern; mit einem Wort: Zeit, um die vielfältigsten Aufgaben wirksam zu erfüllen.

Während der Messe, die Sie im vergangenen Oktober aus Anlaß der Versammlung der Freunde der Universität von Navarra in Pamplona feierten, sprachen Sie in eindrucksvollen Worten von der menschlichen Liebe. Könnten Sie uns sagen, worin Sie die wichtigsten Werte der christlichen Ehe erblicken?

Hier kommen wir auf ein Thema zu sprechen, das mir aus der langjährigen priesterlichen Arbeit in vielen Ländern wohlvertraut ist. Der größte Teil der Mitglieder des Opus Dei ist verheiratet, und für sie bilden die menschliche Liebe und die Pflichten der Ehe einen Bestandteil ihrer göttlichen Berufung. Im Opus Dei ist die Ehe zu einem göttlichen Weg, zu einer Berufung geworden, und daraus erwachsen zahllose Folgen für die persönliche Heiligung und das apostolische Wirken. Seit fast vierzig Jahren spreche ich nun vom Sinn der Ehe als Berufung; und wie oft habe ich die Augen von Männern und Frauen aufleuchten sehen, als sie mich sagen hörten, die Ehe sei ein göttlicher Weg auf Erden, während sie bisher geglaubt hatten, ein Leben der Hingabe an Gott sei mit ihrer reinen, lauteren menschlichen Liebe nicht zu vereinbaren.

Die Ehe hat den Sinn, daß die Eheleute sich in ihr und durch sie heiligen, und das von Christus eingesetzte Sakrament verleiht ihnen dazu eine ganz besondere Gnade. Wer zur Ehe berufen ist, findet mit der Gnade Gottes in diesem Stand alles Erforderliche, um heilig zu werden, um sich Tag für Tag mehr mit Christus zu vereinigen und die Menschen, mit denen er zusammenlebt, Christus näherzubringen.

Deshalb erfüllt mich der Gedanke an die christlichen Familien, die aus dem Ehesakrament erwachsen und ein herrliches Zeugnis für das große göttliche Mysterium - sacramentum magnum! (Eph 5, 32) - der Einheit und Liebe zwischen Christus und seiner Kirche sind, mit tiefer Hoffnung und Freude. Wir alle sollten darauf hinwirken, daß diese christlichen Keimzellen der Gesellschaft mit dem Verlangen nach Heiligkeit entstehen und wachsen und die Eheleute sich bewußt sind, daß ihnen, wie allen Christen, schon von Anfang an im Sakrament der Taufe ein göttlicher Auftrag verliehen wurde, den ein jeder auf dem ihm eigenen Weg erfüllen muß.

Die christlichen Eheleute müssen davon überzeugt sein, daß sie dazu berufen sind, sich zu heiligen, indem sie anderen helfen, heilig zu werden, daß sie berufen sind, Apostel zu sein, und daß die eigene Familie ihre wichtigste apostolische Aufgabe darstellt. Sie sollten die übernatürliche Bedeutung sehen lernen, die die Gründung einer Familie, die Erziehung der Kinder und der christliche Einfluß auf die Gesellschaft besitzen. Von diesem Bewußtsein des eigenen Auftrags hängt zum großen Teil die Wirksamkeit und der Erfolg ihres Lebens, mit einem Wort: ihr Glück ab.

Andererseits sollten sie niemals vergessen, daß das Geheimnis des ehelichen Glücks im Alltäglichen zu finden ist und nicht in Träumereien. Es liegt in der verborgenen Freude, die es macht, nach Hause zu kommen; es liegt im liebevollen Umgang mit den Kindern, in der alltäglichen Arbeit, bei der die ganze Familie mithilft; in der gelassenen Art, Schwierigkeiten zu begegnen und sie mit sportlicher Haltung zu überwinden; und schließlich liegt es auch in einem rechten Ausnützen der Errungenschaften, die uns die moderne Technik bietet, um die Wohnung angenehmer und das Leben einfacher zu machen und uns eine umfassendere Bildung zu verschaffen.

Ich versäume keine Gelegenheit, um denen, die Gott zur Gründung einer Familie berufen hat, zu sagen, daß sie stets versuchen sollen, sich mit der gleichen freudigen Liebe zu begegnen, die sie als Brautleute zueinander hegten. Welch armselige Auffassung von der Ehe, die doch ein Sakrament, ein Ideal und eine Berufung ist, hat derjenige, der meint, die Liebe habe aufgehört, wenn die Sorgen und Schwierigkeiten beginnen, die das Leben stets mit sich bringt. Gerade dann festigt sich die Liebe. Selbst großes Leid und große Widrigkeiten können die wirkliche Liebe nicht zum Erlöschen bringen; im Gegenteil: das gemeinsame, großzügig getragene Opfer verbindet nur noch enger. In der Heiligen Schrift lesen wir: Aquae multae - selbst viele Schwierigkeiten, physischer und moralischer Art, - non potuerunt extinguere caritatem, können die Liebe nicht auslöschen (Hl 8,7).

Es ist bekannt, daß Sie die Ehe nicht erst jetzt als Weg zur Heiligkeit bezeichnen. Schon 1934 betonten Sie in Ihrem Buch Consideraciones espirituales, daß die Ehe als Berufung verstanden werden müsse. Aber andererseits schreiben Sie in diesem Buch, sowie auch später im Weg, die Ehe sei nur für den "Großteil des Heeres Christi bestimmt, nicht aber für seinen Führungsstab". Können Sie uns erklären, wie diese beiden Aspekte miteinander zu vereinbaren sind?

In der Spiritualität und im Leben des Opus Dei hat es niemals Schwierigkeit bereitet, diese beiden Aspekte miteinander in Einklang zu bringen. Aber unabhängig davon ist es gut, sich daran zu erinnern, daß der Vorrang der aus übernatürlichen Gründen gelebten Ehelosigkeit Glaubenslehre der Kirche und nicht etwa meine private theologische Meinung ist.

Als ich in den dreißiger Jahren jene Worte schrieb, neigte man im katholischen Raum, und zwar besonders in der praktischen Seelsorge, dazu, die Jugendlichen zum Streben nach der christlichen Vollkommenheit zu bewegen, indem man sie ausschließlich den übernatürlichen Wert der Jungfräulichkeit schätzen lehrte, den Wert der christlichen Ehe als anderen möglichen Weg zur Heiligkeit jedoch unbeachtet ließ.

Normalerweise wurden die Jugendlichen in der Schule nicht so erzogen, daß sie in der Lage gewesen wären, die Ehe ihrer echten Würde entsprechend zu schätzen. Selbst heute noch werden in Exerzitien für die Abschlußklassen der Höheren Schule den Schülern häufig mehr Argumente für die Möglichkeit einer Berufung zum Ordensleben gegeben als für die mögliche Berufung zur Ehe. Und es gibt sogar, wenn auch in ständig geringerer Zahl, noch Leute, die das eheliche Leben im Grunde geringschätzen und es den Jugendlichen als von der Kirche lediglich toleriert hinstellen; so als ob die Gründung einer Familie es nicht zuließe, ernsthaft nach Heiligkeit zu streben.

Im Opus Dei hat es so etwas nie gegeben. Wir haben immer die Ehe als einen göttlichen Weg auf Erden dargestellt und gleichzeitig klar vom erhabenen Sinn der apostolischen Ehelosigkeit gesprochen.

Mich schreckt die menschliche Liebe nicht, jene heilige Liebe, der sich Gott bedient hat, um mir das Leben zu schenken; ich segne sie mit beiden Händen. Die Eheleute sind nicht nur die Spender, sondern zugleich sind sie selbst auch die Materie des Ehesakramentes, genauso wie Wein und Brot die Materie der Eucharistie sind. Das ist der Grund, warum ich alle Lieder so gern habe, die die lautere menschliche Liebe besingen; für mich haben diese menschlichen Liebeslieder ein göttliches Echo. Und gleichzeitig wiederhole ich immer wieder, daß diejenigen, die ihrer Berufung entsprechend den Weg der apostolischen Ehelosigkeit einschlagen, keine Junggesellen sind, unfähig, die Liebe zu begreifen und ihren Wert zu erkennen. Ihr Leben erklärt sich im Gegenteil ganz allein aus der Tatsache jener göttlichen Liebe (mir gefällt es, dieses Wort mit ganz großen Buchstaben zu schreiben), die das eigentliche Wesen jeder christlichen Berufung ausmacht.

Es ist keineswegs miteinander unvereinbar, die eheliche Berufung hoch einzuschätzen und gleichzeitig den Vorrang der Berufung zur Ehelosigkeit propter regnum coelorum (Mt 19,12), um des Himmelreiches willen, zu bejahen. Ich bin davon überzeugt, daß jeder Christ die Vereinbarkeit beider Aspekte gut versteht, wenn er sich bemüht, sowohl die Lehre der Kirche als auch seine eigene, persönliche Berufung kennenzulernen, anzunehmen und zu lieben, mit anderen Worten: wenn er glaubt und aus dem Glauben lebt.

Mit den Worten, die Ehe sei für den "Großteil des Heeres Christi", habe ich lediglich die ständige Praxis der Kirche beschrieben. Bekanntlich werden die Bischöfe, die das Bischofskollegium bilden und zusammen mit seinem Haupt, dem Papst, die Kirche leiten, unter denen ausgewählt, die im Stand der Ehelosigkeit leben. Dasselbe geschieht übrigens auch in den orientalischen Kirchen, obwohl man dort den verheirateten Priester kennt. Abgesehen davon ist es unschwer zu begreifen und zu beweisen, daß die im Stand der Ehelosigkeit lebenden Menschen faktisch über eine größere Herzens- und Bewegungsfreiheit verfügen, um sich, auch im Laienapostolat, fest und dauernd der Leitung und Unterhaltung apostolischer Aufgaben zu widmen. Das soll nicht heißen, daß die übrigen Laien nicht ebenfalls ein großartiges und höchst wirksames Apostolat ausüben könnten; es bedeutet nur, daß es verschiedene Aufgaben und Dienste an Stellen verschiedener Verantwortung gibt.

In einem Heer - und nur das möchte dieser Vergleich sagen - ist die Truppe so nötig wie der Generalstab, und es kann ohne weiteres sein, daß die Truppe heroischer kämpft und mehr Ruhm verdient. Kurz: die Aufgaben sind verschieden, aber jede Aufgabe ist wichtig und wertvoll. Worauf es vor allem ankommt, ist, daß jeder seiner eigenen Berufung entspricht; denn die Vollkommenheit besteht für alle Menschen immer und ausschließlich darin, den Willen Gottes zu erfüllen.

Ein Christ, der in der Ehe nach Heiligkeit strebt und sich der Größe seiner eigenen Berufung bewußt ist, wird gerade deshalb eine spontane Hochachtung für diejenigen empfinden, die zur apostolischen Ehelosigkeit berufen sind; und er freut sich aufrichtig, wenn einmal eines seiner Kinder in der Gnade Gottes diesen Weg gehen möchte. Das ist nur ein Grund mehr, um seine eigene Berufung zur Ehe noch tiefer zu lieben, denn sie hat es ihm ermöglicht, die Früchte seiner Liebe Christus zu schenken, der die große Liebe aller ist, der Verheirateten wie der Unverheirateten.

Ein Teil der heutigen Jugend hat fast gänzlich den Sinn für die christliche Frömmigkeit verloren und tut sie als "Frömmelei" ab. Das scheint eine Reaktion gegen eine aufgezwungene religiöse Erziehung zu sein, die sich häufig darauf beschränkt, einige routinehafte, sentimentale Frömmigkeitsübungen zu vermitteln. Welche Lösung bietet sich Ihrer Meinung nach für dieses Problem an?

Die Frage selbst bringt bereits indirekt zum Ausdruck, was zu tun ist: Man muß - zuerst durch das eigene Beispiel und dann durch das Wort - zeigen, was wahre Frömmigkeit ist. Die Frömmelei ist nichts als eine traurige, pseudo-spirituelle Karikatur, die im allgemeinen aus einem mangelnden Glaubensverständnis und einer gewissen charakterlichen Verbildung erwächst.

Mit Freude habe ich festgestellt, daß junge Menschen heute genau wie vor vierzig Jahren von der christlichen Frömmigkeit gepackt werden, wenn sie sehen, daß man sie aufrichtig lebt, wenn sie begreifen lernen, daß Beten nichts anderes heißt, als mit Gott sprechen, so wie man mit einem Vater oder einem Freund spricht, eine ganz persönliche Aussprache fern aller Anonymität; wenn sie im Herzen jene Worte Christi vernehmen, die wie eine Aufforderung zu vertrauensvoller Begegnung sind: vos autem dixi amicos (Joh 15,15), ich habe euch Freunde genannt, und wenn sie schließlich ihren Glauben herausgefordert sehen und begreifen, daß Christus derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit (Hebr 13,8).

Andererseits müssen die jungen Menschen begreifen, daß diese schlichte, von Herzen kommende Frömmigkeit auch den Einsatz der menschlichen Tugenden verlangt. Sie läßt sich nicht darauf beschränken, wöchentlich oder täglich ein paar fromme Übungen zu verrichten, sondern muß das ganze Leben durchdringen und Arbeit, Erholung, Freundschaft und Vergnügen, mit einem Wort: alles, mit einem neuen Sinn erfüllen. Wir sind nicht nur zeitweise Kinder Gottes, wenngleich es Zeiten gibt, die wir besonders diesem Gedanken widmen, um uns von dem Bewußtsein unserer Gotteskindschaft, die das Mark unserer Frömmigkeit ist, durchdringen zu lassen.

Vorhin sagte ich, daß junge Menschen diese Dinge gut verstehen; andererseits wird man sich, solange man sie im eigenen Leben zu verwirklichen sucht, immer jung fühlen. Der Christ, der in der Vereinigung mit Christus lebt, kann auch als Greis noch mit vollem Recht die Worte des Stufengebetes sprechen: Zum Altare Gottes will ich treten, zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf (Ps 42,4).

Erscheint es Ihnen demnach wichtig, die Kinder von klein auf zur Frömmigkeit zu erziehen? Sind Sie der Ansicht, daß man in der Familie einige Frömmigkeitsübungen pflegen sollte?

Mir scheint, daß gerade dies der beste Weg ist, um den Kindern eine echt christliche Erziehung mitzugeben. Die Heilige Schrift berichtet uns von den Familien der ersten Christen - Hausgemeinden (1 Kor 16,19) nennt sie der heilige Paulus -, denen das Licht des Evangeliums neuen Auftrieb und neues Leben verlieh.

In jedem christlichen Milieu hat man mit dieser natürlichen und übernatürlichen Einführung in das Leben der Frömmigkeit innerhalb der Familie ausgezeichnete Erfahrungen gemacht. Das Kind lernt, seine erste tiefe Zuneigung Christus zu schenken, es lernt, Gott wie einen Vater und Maria wie eine Mutter zu behandeln; mit einem Wort: es lernt beten, indem es einfach dem Beispiel seiner Eltern folgt. Wenn man das sieht, begreift man, wie wichtig die apostolische Aufgabe der Eltern ist, und wie sehr sie verpflichtet sind, selbst aufrichtig fromm zu sein, damit sie ihren Kindern diese Frömmigkeit nicht nur erklären, sondern vorleben können.

Sie fragen nach den Mitteln? Es gibt einige wenige, wie mir scheint ausgezeichnete, kurze und althergebrachte Frömmigkeitsübungen, die in den christlichen Familien immer gelebt worden sind: das Tischgebet, der gemeinsame Rosenkranz - obgleich heutzutage manche diese bewährte Form der Marienverehrung angreifen -, die persönlichen Morgen- und Abendgebete. Je nach der Gegend werden die Gewohnheiten verschieden sein, aber ich denke, daß die eine oder andere einfach, schlicht und ohne Frömmelei gemeinsam verrichtete Frömmigkeitsübung in jeder Familie ihren Platz haben sollte.

Auf diese Weise werden wir erreichen, Gott nicht als einen Fremden zu betrachten, den man einmal in der Woche, am Sonntag, in der Kirche aufsucht, sondern wir werden lernen, ihn so zu sehen und mit ihm umzugehen, wie es sein soll. Dann findet man ihn auch inmitten der Familie, denn schließlich hat er selbst gesagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18,20).

Mit Dankbarkeit und mit dem Stolz eines Kindes kann ich sagen, daß ich auch heute noch morgens und abends laut die Gebete verrichte, die ich als Kind von meiner Mutter lernte. Sie führen mich zu Gott und erinnern mich daran, mit wieviel Liebe man mir bei den ersten Schritten auf meinem Weg als Christ half. Und wenn ich Gott den beginnenden Tag aufopfere oder ihm für den vergangenen danke, bitte ich ihn um die ewige Herrlichkeit derer, die ich besonders liebe, und darum, daß er uns später für immer bei sich vereinen möge.

Mit Ihrem Einverständnis bleiben wir beim Thema Jugend. Unsere Zeitschrift besitzt eine Spalte, die den Jugendlichen gewidmet ist und in der viele ihrer Probleme an uns herangetragen werden. Ein besonders häufiges Problem besteht darin, daß die Eltern einen gewissen Druck auszuüben suchen, wenn es um die grundlegenden Lebensentscheidungen ihrer Kinder geht. Das geschieht sowohl bei der Berufswahl als auch bei der Wahl des Lebensgefährten und in noch stärkerem Maße, wenn der junge Mensch einer Berufung Gottes zum Dienst an den Mitmenschen folgen möchte. Läßt sich diese Haltung der Eltern rechtfertigen? Handelt es sich nicht um eine Beschneidung jener persönlichen Freiheit, die unerläßlich ist, um zur persönlichen Reife zu gelangen?

Es versteht sich von selbst, daß die Entscheidungen, die die Ausrichtung des Lebens bestimmen, in letzter Instanz von jedem selbst in völliger Freiheit, ohne Zwang oder Druck irgendwelcher Art gefällt werden müssen.

Das bedeutet nicht, daß im allgemeinen die Hilfe anderer Menschen überflüssig wäre. Gerade weil es sich um entscheidende Schritte handelt, die das ganze Leben prägen und von denen zum großen Teil das spätere Glück abhängt, ist es einsichtig, daß sie Besonnenheit, Verantwortlichkeit und Klugheit erfordern und daß jede Überstürzung vermieden werden sollte. Ein guter Teil der Klugheit besteht aber gerade darin, daß man um Rat zu bitten weiß. Es wäre eine Anmaßung, die man gewöhnlich teuer bezahlt, zu glauben, wir benötigten für unsere Entscheidungen weder die Gnade Gottes noch die aufrichtige Anteilnahme anderer Menschen und besonders unserer Eltern.

Die Eltern können und sollten ihren Kindern hier eine wertvolle Hilfe leisten. Sie können ihnen neue Perspektiven auftun, ihnen ihre Erfahrungen mitteilen, sie zur Besinnung anhalten und ihnen eine sachliche Beurteilung der Dinge vor Augen halten, damit sie sich nicht von einer Augenblicksstimmung fortreißen lassen. Manchmal werden sie mit einem persönlichen Rat helfen, ein anderes Mal indem sie ihre Kinder anregen, sich mit anderen zu beraten: im Gespräch mit einem guten, ehrlichen Freund, mit einem gebildeten, frommen Priester oder mit einem Berufsberater.

Ein solcher Rat hebt die persönliche Freiheit nicht auf; er stellt lediglich Urteilshilfen bereit, die das Feld der Wahlmöglichkeiten erweitern und die Wirkung irrationaler Faktoren bei der Entscheidung vermindern. Nachdem man die Meinung anderer gehört und abgewogen hat, kommt der Augenblick, in dem man sich entscheiden muß, und hier hat niemand das Recht, die Freiheit einzuschränken. Die Eltern müssen sich vor der Versuchung hüten, sich in ihre Kinder hineinzuprojizieren und die eigenen Vorstellungen in ihnen verwirklicht sehen zu wollen; vielmehr müssen sie die Neigungen und Fähigkeiten respektieren, die Gott jedem einzelnen mitgegeben hat. Wenn die Liebe aufrichtig ist, wird das gewöhnlich nicht schwerfallen. Selbst in dem extremen Fall, daß ein Kind eine Entscheidung trifft, die die Eltern aus guten Gründen als verfehlt und vielleicht sogar als höchst unglücklich ansehen, hilft der Zwang nicht. Das einzige, was hilft, ist, dem Kind Verständnis entgegenzubringen und ihm weiterhin zur Seite zu stehen, um die Schwierigkeiten zu überwinden und aus jener unglücklichen Entscheidung zumindest noch das Bestmögliche zu machen.

Wenn die Eltern ihre Kinder wirklich lieben und aufrichtig an ihrem Glück interessiert sind, müssen sie, nachdem sie ihre Ratschläge und Gedanken geäußert haben, in der Lage sein, sich taktvoll zurückzuziehen, damit nichts das große Gut der Freiheit beeinträchtigt, das den Menschen zur Liebe Gottes und zu seinem Dienst befähigt. Sie sollten sich vergegenwärtigen, daß Gott selbst unsere Liebe und unseren Dienst nur in Freiheit will und unsere persönlichen Entscheidungen immer respektiert: Er überließ den Menschen der Macht der eigenen Entscheidung (Sir 15,14), heißt es in der Schrift.

Noch ein Wort zum letzten konkreten Fall, den Sie erwähnen, das heißt zu der Entscheidung, sich ganz in den Dienst der Kirche und der Mitmenschen zu stellen. Wenn katholische Eltern eine solche Berufung nicht begreifen, so bedeutet dies für mich, daß sie in ihrer Aufgabe, eine christliche Familie zu bilden, gescheitert und sich nicht einmal der Würde bewußt sind, die das Christentum ihrer eigenen ehelichen Berufung verleiht. Die Erfahrung, die ich in dieser Hinsicht im Opus Dei gemacht habe, ist sehr positiv. Ich pflege den Mitgliedern des Werkes zu sagen, daß sie ihre Berufung zu neunzig Prozent ihren Eltern verdanken, denn von ihnen haben sie ihre Erziehung erhalten und von ihnen haben sie gelernt, großherzig zu sein. Ich kann sagen, daß die große Mehrheit, ja praktisch alle Eltern diese Entscheidung ihrer Kinder nicht nur respektieren, sondern sie hochschätzen und bald das Werk als eine Erweiterung der eigenen Familie betrachten. Das bedeutet für mich eine sehr große Freude und ist zugleich eine Bestätigung dafür, daß man, um übernatürlich zu sein, sehr menschlich sein muß.