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Es gibt 3 Nummer in «Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer» deren Stichwort lautet Liebe, göttliche  → Hingabe und Freiheit.

Nach der Klärung dieser Frage würde mich jetzt folgendes interessieren: Welche Besonderheiten in der geistlichen Ausbildung der Mitglieder des Werkes bewirken, daß niemand aus materiellen Gründen dem Opus Dei angehört?

Jeder Beweggrund, der nicht rein geistlichen Charakter hat, bleibt deshalb absolut ausgeschlossen, weil das Werk viel verlangt - Loslösung, Opfer, Selbstverleugnung, ununterbrochene Arbeit für die Menschen - und nichts gibt. Ich will damit sagen, das Werk bietet nichts an weltlichen Vorteilen. Dafür vermittelt es um so mehr auf der Ebene des geistlichen Lebens. Es gibt Mittel an die Hand, um im asketischen Kampf zu siegen, es führt die Menschen auf die Wege des Gebetes, es lehrt, sich Christus als Bruder zuzuwenden, Gott in allen Wechselfällen des Lebens zu sehen, sich als Sohn Gottes und daher zur Verbreitung seiner Lehre verpflichtet zu wissen.

Wer nicht auf dem Weg des inneren Lebens vorangeht und nicht versteht, daß es die Mühe lohnt, sich ganz zu verschenken, das eigene Leben im Dienst am Herrn ganz hinzugeben, der kann im Opus Dei nicht beharren. Denn die Heiligkeit ist kein Aushängeschild, sondern eine tiefgreifende Forderung.

Außerdem verfolgt das Opus Dei keine politischen, wirtschaftlichen oder ideologischen Interessen, es entwickelt keine zeitlichen Tätigkeiten. Sein Wirken ist ausschließlich auf die geistliche Ausbildung seiner Mitglieder und auf die apostolischen Werke ausgerichtet, das heißt auf die ständige geistliche Betreuung aller Mitglieder und auf die korporativen apostolischen Werke der Sozialhilfe, der Wohltätigkeit, der Erziehung usw.

Die Mitglieder des Opus Dei tun sich einzig und allein zusammen, um einem klar umrissenen Weg der Heiligkeit zu folgen und um an bestimmten apostolischen Werken mitzuarbeiten. Ihre gegenseitigen Verpflichtungen schließen jede Art zeitlichen Interesses aus, und zwar einfach deshalb, weil auf diesem Gebiete alle Mitglieder des Opus Dei frei sind, so daß jeder seinen eigenen Weg geht mit verschiedenen und manchmal entgegengesetzten Zielen und Interessen.

Als Folge der ausschließlich auf das Übernatürliche gerichteten Ziele ist der Geist des Werkes ein Geist der Freiheit und der Liebe zur persönlichen Freiheit aller. Weil diese Liebe zur Freiheit aufrichtig ist und nicht nur Theorie, lieben wir auch die notwendige Folge der Freiheit, den Pluralismus. Im Opus Dei wird der Pluralismus gewollt und geliebt, nicht bloß toleriert und auf keinen Fall behindert. Wenn ich mir so ansehe, wie verschieden die Einstellungen und Ansichten der Mitglieder des Werkes in politischen, wirtschaftlichen, sozialen, künstlerischen und anderen Fragen sind, dann ist dieses Panorama für mich eine wahre Freude, weil sich darin zeigt, daß vor Gott alles seinen richtigen Weg nimmt. Einheit im Religiösen und Vielfalt im Weltlichen sind dann vereinbar, wenn weder Fanatismus noch Intoleranz herrschen, und vor allem, wenn man aus dem Glauben lebt und wenn man weiß, daß uns Menschen nicht allein gegenseitige Zuneigung oder gemeinsame Vorteile verbinden, sondern auch das Wirken des einen Geistes, der uns zu Brüdern Christi macht und uns so zu Gott, unserem Vater, führt.

Ein echter Christ kommt nie auf den Gedanken, daß die Einheit im Glauben, die Treue zum Lehramt und zur Überlieferung der Kirche und das Bestreben, allen Menschen die Heilsbotschaft Christi zu bringen, im Widerspruch zu den vielen unterschiedlichen Haltungen in den Dingen stehen könnten, die Gott, wie man so sagt, der freien Diskussion der Menschen überlassen hat. Mehr noch, ein wahrer Christ ist sich vollkommen darüber im klaren, daß diese Vielfalt Teil des göttlichen Planes, daß sie von Gott gewollt ist, der seine Gaben und sein Licht austeilt, wie er will. Der Christ soll die anderen Menschen lieben und deshalb seinen Auffassungen entgegengesetzte Ansichten achten und brüderlich mit jenen Menschen zusammenleben, die anders denken als er.

Gerade weil die Mitglieder des Werkes sich diesen Geist zueigen gemacht haben, ist es unvorstellbar, daß jemand daran denken könnte, seine Zugehörigkeit zum Werk für irgendwelche persönlichen Vorteile auszunutzen oder anderen seine politischen oder kulturellen Auffassungen aufzudrängen; die anderen Mitglieder würden dies gar nicht erst dulden. Entweder würde der Betreffende seine Haltung ändern oder aber er müßte das Werk verlassen. In diesem Punkt darf niemand im Werk je die geringste Abweichung zulassen, denn hier geht es um die Verteidigung nicht nur der eigenen Freiheit, sondern auch des übernatürlichen Charakters einer Aufgabe, der man in Hingabe dient. Deshalb halte ich dafür, daß persönliche Freiheit und persönliche Verantwortung die beste Garantie für die übernatürliche Ausrichtung des Werkes Gottes sind.

Mit Ihrem Einverständnis bleiben wir beim Thema Jugend. Unsere Zeitschrift besitzt eine Spalte, die den Jugendlichen gewidmet ist und in der viele ihrer Probleme an uns herangetragen werden. Ein besonders häufiges Problem besteht darin, daß die Eltern einen gewissen Druck auszuüben suchen, wenn es um die grundlegenden Lebensentscheidungen ihrer Kinder geht. Das geschieht sowohl bei der Berufswahl als auch bei der Wahl des Lebensgefährten und in noch stärkerem Maße, wenn der junge Mensch einer Berufung Gottes zum Dienst an den Mitmenschen folgen möchte. Läßt sich diese Haltung der Eltern rechtfertigen? Handelt es sich nicht um eine Beschneidung jener persönlichen Freiheit, die unerläßlich ist, um zur persönlichen Reife zu gelangen?

Es versteht sich von selbst, daß die Entscheidungen, die die Ausrichtung des Lebens bestimmen, in letzter Instanz von jedem selbst in völliger Freiheit, ohne Zwang oder Druck irgendwelcher Art gefällt werden müssen.

Das bedeutet nicht, daß im allgemeinen die Hilfe anderer Menschen überflüssig wäre. Gerade weil es sich um entscheidende Schritte handelt, die das ganze Leben prägen und von denen zum großen Teil das spätere Glück abhängt, ist es einsichtig, daß sie Besonnenheit, Verantwortlichkeit und Klugheit erfordern und daß jede Überstürzung vermieden werden sollte. Ein guter Teil der Klugheit besteht aber gerade darin, daß man um Rat zu bitten weiß. Es wäre eine Anmaßung, die man gewöhnlich teuer bezahlt, zu glauben, wir benötigten für unsere Entscheidungen weder die Gnade Gottes noch die aufrichtige Anteilnahme anderer Menschen und besonders unserer Eltern.

Die Eltern können und sollten ihren Kindern hier eine wertvolle Hilfe leisten. Sie können ihnen neue Perspektiven auftun, ihnen ihre Erfahrungen mitteilen, sie zur Besinnung anhalten und ihnen eine sachliche Beurteilung der Dinge vor Augen halten, damit sie sich nicht von einer Augenblicksstimmung fortreißen lassen. Manchmal werden sie mit einem persönlichen Rat helfen, ein anderes Mal indem sie ihre Kinder anregen, sich mit anderen zu beraten: im Gespräch mit einem guten, ehrlichen Freund, mit einem gebildeten, frommen Priester oder mit einem Berufsberater.

Ein solcher Rat hebt die persönliche Freiheit nicht auf; er stellt lediglich Urteilshilfen bereit, die das Feld der Wahlmöglichkeiten erweitern und die Wirkung irrationaler Faktoren bei der Entscheidung vermindern. Nachdem man die Meinung anderer gehört und abgewogen hat, kommt der Augenblick, in dem man sich entscheiden muß, und hier hat niemand das Recht, die Freiheit einzuschränken. Die Eltern müssen sich vor der Versuchung hüten, sich in ihre Kinder hineinzuprojizieren und die eigenen Vorstellungen in ihnen verwirklicht sehen zu wollen; vielmehr müssen sie die Neigungen und Fähigkeiten respektieren, die Gott jedem einzelnen mitgegeben hat. Wenn die Liebe aufrichtig ist, wird das gewöhnlich nicht schwerfallen. Selbst in dem extremen Fall, daß ein Kind eine Entscheidung trifft, die die Eltern aus guten Gründen als verfehlt und vielleicht sogar als höchst unglücklich ansehen, hilft der Zwang nicht. Das einzige, was hilft, ist, dem Kind Verständnis entgegenzubringen und ihm weiterhin zur Seite zu stehen, um die Schwierigkeiten zu überwinden und aus jener unglücklichen Entscheidung zumindest noch das Bestmögliche zu machen.

Wenn die Eltern ihre Kinder wirklich lieben und aufrichtig an ihrem Glück interessiert sind, müssen sie, nachdem sie ihre Ratschläge und Gedanken geäußert haben, in der Lage sein, sich taktvoll zurückzuziehen, damit nichts das große Gut der Freiheit beeinträchtigt, das den Menschen zur Liebe Gottes und zu seinem Dienst befähigt. Sie sollten sich vergegenwärtigen, daß Gott selbst unsere Liebe und unseren Dienst nur in Freiheit will und unsere persönlichen Entscheidungen immer respektiert: Er überließ den Menschen der Macht der eigenen Entscheidung (Sir 15,14), heißt es in der Schrift.

Noch ein Wort zum letzten konkreten Fall, den Sie erwähnen, das heißt zu der Entscheidung, sich ganz in den Dienst der Kirche und der Mitmenschen zu stellen. Wenn katholische Eltern eine solche Berufung nicht begreifen, so bedeutet dies für mich, daß sie in ihrer Aufgabe, eine christliche Familie zu bilden, gescheitert und sich nicht einmal der Würde bewußt sind, die das Christentum ihrer eigenen ehelichen Berufung verleiht. Die Erfahrung, die ich in dieser Hinsicht im Opus Dei gemacht habe, ist sehr positiv. Ich pflege den Mitgliedern des Werkes zu sagen, daß sie ihre Berufung zu neunzig Prozent ihren Eltern verdanken, denn von ihnen haben sie ihre Erziehung erhalten und von ihnen haben sie gelernt, großherzig zu sein. Ich kann sagen, daß die große Mehrheit, ja praktisch alle Eltern diese Entscheidung ihrer Kinder nicht nur respektieren, sondern sie hochschätzen und bald das Werk als eine Erweiterung der eigenen Familie betrachten. Das bedeutet für mich eine sehr große Freude und ist zugleich eine Bestätigung dafür, daß man, um übernatürlich zu sein, sehr menschlich sein muß.

Außerdem müßt ihr euch dessen bewußt sein, daß nur unter denen, die die menschliche Liebe in dieser ihrer ganzen Tiefe begreifen und schätzen, auch ein Verständnis für jenes andere erhabene Gut aufkommen kann, von dem Jesus spricht (Vgl. Mt19,11); für jenes reine Gnadengeschenk Gottes, das dazu drängt, Leib und Seele dem Herrn hinzugeben und ihm ohne die Mittlerschaft irdischer Liebe ein ungeteiltes Herz darzubringen.