Nur diese Aphorismen anzeigen

Es gibt 4 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Wahrhaftigkeit → Klugheit.

Nicht der ist klug, der niemals irrt, sondern der, der es fertigbringt, seine Fehler zu berichtigen, und dabei auch die Möglichkeit in Kauf nimmt, zehnmal neu zu irren, anstatt sich in bequemes Nichtstun zu flüchten. Der Kluge handelt weder überstürzt noch waghalsig, wohl aber wird er das Risiko des Handelns auf sich nehmen und auf keine Chance, Gutes zu tun, aus Angst vor einem Fehltritt verzichten. Unter unseren Bekannten treffen wir manchmal Menschen, die abwägend, objektiv und uneigennützig entscheiden; fast instinktiv verlassen wir uns auf sie, weil sie sich in ihrer stillen, bescheidenen Art immer gut und rechtschaffen verhalten.

Die liebenswerte Tugend der Klugheit ist für den Christen unerläßlich; jedoch ist ihr höchstes Ziel nicht der Frieden in der Gesellschaft oder das unproblematische Auskommen der Menschen untereinander. Ihr wesentliches Ziel liegt vielmehr in der Erfüllung des göttlichen Willens: Gott will uns einfach, aber nicht kindisch, wahrheitsliebend, aber nicht ahnungslos und oberflächlich. Des Klugen Herz erwirbt Erkenntnis (Spr 18,15), die Erkenntnis der Liebe Gottes, das entscheidende, heilsmächtige Wissen, das allen Menschen Frieden und Verständnis bringt und den einzelnen auf das ewige Leben hin ausrichtet.

Es heißt weiter im Evangelium: Die Pharisäer schickten ihre Schüler zusammen mit den Herodianern zu Ihm und ließen sagen: Meister (Mt 22,16). Seht, mit welcher Verlogenheit sie Ihn Meister nennen, sich als Bewunderer und Freunde ausgeben, Ihn mit einem Titel ansprechen, der den Wunsch nach Belehrung erwarten läßt. Magister, scimus quia verax es (Ebd.), wir wissen, Du bist wahrhaft… Welche Heuchelei! Ist es möglich, noch hinterhältiger zu sein? Seid also auf der Hut. Nicht argwöhnisch und nicht mißtrauisch, aber fühlt auf euren Schultern die Last des Schafes - denkt an das Bild vom Guten Hirten in den Katakomben -, und nicht nur die Last einer einzelnen Seele, sondern der ganzen Kirche, der ganzen Menschheit.

Indem ihr entschlossen diese Verantwortung bejaht, werdet ihr tapfer und klug sein und die Sache Gottes verteidigen und verkünden können. Von eurem klaren, eindeutigen Verhalten sympathisch berührt, werden euch dann viele Menschen Achtung entgegenbringen und euch Meister nennen - auch wenn ihr das nicht beabsichtigt, denn wir suchen ja keine irdischen Ehren. Wundert euch aber nicht, wenn ihr unter den vielen, die sich euch nähern, auch solche entdeckt, die euch nur schmeicheln wollen. Prägt euch gut ein, was ihr so oft von mir gehört habt: daß weder Verleumdung noch gehässige Klatschereien, noch Menschenfurcht, noch jenes Was werden die Leute sagen? und am allerwenigsten heuchlerische Ohrenbläserei uns je daran hindern dürfen, unsere Pflicht zu tun.

Menschenfurcht

Laßt euch nicht durch vorgeschützte Gründe aufhalten, wendet die Medizin an, ganz. Aber tut es mit der Hand einer Mutter, in der unvergleichlich zarten Art, wie sie unsere Wunden und Abschürfungen nach einem kindlichen Spiel oder nach einem Sturz behandelte. Wartet etwas, wenn nötig, aber niemals über die unbedingt nötige Zeit hinaus, denn das wäre keine Klugheit mehr, sondern Bequemlichkeit oder Feigheit. Keiner, besonders aber der nicht, der mit der geistlichen Formung anderer beauftragt ist, darf davor zurückschrecken, Wunden zu desinfizieren.

Dem Unentschlossenen oder Unwilligen, der die Aufgabe hat zu heilen, und sie vernachlässigt, mag jemand verlogen ins Ohr flüstern: Meister, wir wissen, Du bist wahrhaft (Mt 22,16). Laßt solch ein ironisches Lob nicht zu: Wer sich nicht bemüht, seine Aufgabe gewissenhaft zu erfüllen, ist kein Meister, er lehrt ja nicht den rechten Weg; und er ist auch nicht wahrhaftig, da er in seiner vermeintlichen Klugheit klare, vielfach bewährte Kriterien für übertrieben oder überflüssig hält, die zum Gespräch, zum Handeln, zur Anteilnahme drängen und vom Lebensalter, von der Weisheit in der Menschenführung, von der Kenntnis der menschlichen Schwäche und von der Liebe zu jedem einzelnen inspiriert sind.

Der falsche Meister hat Angst, der Wahrheit auf den Grund zu gehen; schon der Gedanke an eine mögliche Situation, in der er die Pflicht hätte, ein schmerzhaftes Heilmittel anzuwenden, beunruhigt ihn. Seid sicher, daß aus solcher Haltung weder Klugheit noch Anteilnahme, noch gesunder Menschenverstand sprechen, sondern nur Kleinmut, Verantwortungslosigkeit, Unvernunft, Dummheit. Später - aber zu spät - versuchen sie dann noch, von Unheilsängsten gepackt, das Übel einzudämmen. Sie haben vergessen, daß die Tugend der Klugheit auch die rechte Zeit bestimmt, wann der ruhig durchdachte, aus bewährter Erfahrung stammende Rat, mit unverstelltem Blick gesehen und eindeutig ausgesprochen, aufgenommen oder weitergegeben werden muß.

Kehren wir zurück zum Bericht des Matthäus: Wir wissen, Du bist wahrhaft, Du lehrst den Weg Gottes der Wahrheit gemäß (Ebd.). Jedesmal wundere ich mich aufs neue über diese zynische Art. Sie kommen in der Absicht, die Worte Jesu zu verdrehen, Ihn bei einer unvorsichtigen Äußerung zu ertappen; anstelle einer schlichten Darlegung des nach ihrer Meinung unlösbaren Problems überschütten sie den Meister mit Lobesworten, die nur von ehrlichen Lippen und aus einem reinen Herzen kommen sollten. Absichtlich verweile ich bei diesen Beobachtungen am Rande, damit wir lernen, nicht argwöhnisch zu sein, wohl aber klug und befähigt, uns gegen betrügerische Schaumschlägerei auch dann zu wehren, wenn - wie hier - Worte und äußere Haltung in sich Wahrheit ausdrücken: Du kennst kein Ansehen der Person, du bist für alle Menschen da, du verkündest unverzagt die Wahrheit, du lehrst das Gute (Vgl. Mt 22,16).

Ich wiederhole: klug müssen wir sein, argwöhnisch nicht. Schenkt allen euer ganzes Vertrauen, seid sehr aufrecht. Ich verlasse mich ganz auf das Wort eines Christen, eines loyalen Menschen; sein Wort ist für mich mehr wert als die einhellige Beglaubigung durch hundert Notare. Vielleicht hat diese Einstellung einmal dazu geführt, daß ich hintergangen wurde, und doch scheint es mir besser, das Risiko des Vertrauensmißbrauchs einzugehen, als jemandem die Glaubwürdigkeit zu verweigern, die er als Mensch und als Kind Gottes verdient. Und ich versichere euch, daß ich diese Auffassung nie bereut habe.

Verzeichnis der Schriftstellen
Verzeichnis der Schriftstellen
Verzeichnis der Schriftstellen