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Es gibt 5 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Loslösung → Würde, Dienen .

Christliches Herrschen

Der Herr sucht Herzen, die großzügig und wirklich losgelöst sind. Dem werden wir entsprechen können, wenn wir die Taue oder die feinen Fäden, die uns an unser Ich fesseln, mit Entschiedenheit durchschneiden. Ich verschweige euch nicht, daß dieser Entschluß ständigen Kampf verlangt; immer wieder muß man die Pläne des eigenen Dafürhaltens und Wollens zurückstellen und um eine Art des Verzichtens ringen, die - kurz gesagt - mühseliger ist als der Verzicht auf die verlockendsten materiellen Güter.

Jene Losgelöstheit, die Christus gepredigt hat und die Er von allen Christen erwartet, findet notwendigerweise auch ihren sichtbaren Ausdruck. Jesus Christus coepit facere et docere (Apg 1,1), Er begann zu tun und zu lehren, Er verkündete seine Lehre zuerst durch Taten, dann mit dem Wort. Wie oft habt ihr den Herrn als Neugeborenen im Stall betrachtet, habt auf Ihn geblickt, wie Er da in äußerster Armut auf dem Stroh schläft und in einer Krippe seine ersten irdischen Träume hat. Ihr habt auch die Zeit danach vor Augen, da Jesus auf seinen apostolischen Wanderungen so viele Belehrungen zuteil werden läßt, wie zum Beispiel jene eindeutige Warnung für einen Mann, der Ihm als Jünger folgen wollte: Die Füchse haben Höhlen, die Vögel des Himmels Nester. Der Menschensohn aber hat keine Stätte, wohin Er sein Haupt legen könnte (Lk 9,58). Und nicht zuletzt wird euch die Erzählung des Evangelisten wieder einfallen, da er von den Aposteln berichtet, die an einem Sabbat unterwegs waren, Hunger hatten und anfingen, von den Ähren eines Kornfeldes zu pflücken (Vgl. Mk 2,23).

Darum mein Rat: Wollt ihr stets Herr über euch selbst bleiben, dann strebt nach einer vollkommenen Loslösung, ohne Angst, ohne Bedenken, ohne Argwohn. Ihr werdet beim Erfüllen eurer persönlichen und familiären Pflichten alle unbedenklichen irdischen Mittel mit lauterer Absicht einsetzen und dabei daran denken, daß ihr Gott, der Kirche, eurer Familie, eurer eigenen beruflichen Arbeit, eurem Land und der ganzen Menschheit dient. Haltet euch immer wieder vor Augen, daß es ja nicht darum geht, ob einer dies hat oder jenes nicht hat, sondern darum, daß wir uns gemäß der Wahrheit unseres christlichen Glaubens verhalten, der uns lehrt, daß die geschaffenen Dinge nur Mittel sind. Wehrt euch also gegen die trügerische Illusion, in ihnen etwas Endgültiges zu sehen: Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie vernichten und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost sie vernichten, wo keine Diebe einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz (Mt 6,19-21).

Wenn ein Mensch sein Glück ausschließlich in den Dingen dieser Welt sucht, vergewaltigt er den vernunftgemäßen Umgang mit ihnen und zerstört die von der Weisheit des Schöpfers gewollte Ordnung. Ich bin hier Zeuge von wahren Tragödien geworden. Das Herz, traurig und unbefriedigt, wandelt dann die Wege eines nie endenden Verdrusses und wird schon auf Erden zum Sklaven, zum Opfer gerade jener Güter, die man mit unzähligen Mühen und Entbehrungen hat ansammeln können. Vor allem aber bitte ich euch: vergeßt niemals, daß Gott in keinem Menschenherzen wohnen kann, das im Schlamm einer ungeordneten, niedrigen, sinnlosen Liebe steckt. Niemandkann zwei Herren dienen. Entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon (Mt 6,24). Dafür müssen wir uns einer anderen Liebe zuwenden, die uns selig macht (…), nämlich unser Verlangen auf die Schätze dort oben richten (Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, 63, 3 (PG 58, 607]).

Mit diesen Worten möchte ich bei dir nicht bewirken, daß du nunmehr darauf verzichtest, deine Pflichten zu erfüllen und deine Rechte zu vertreten. Im Gegenteil: Für uns bedeutete ein Zurückweichen an dieser Front meistens nur, daß wir dem Kampf um die Heiligkeit, zu dem Gott uns gerufen hat, feig aus dem Wege gehen. Deshalb bist du im Gewissen verpflichtet, besonders bei deiner Arbeit alles daranzusetzen, daß dir und den Deinen nichts von dem fehlt, was für ein Leben in christlicher Würde angemessen ist. Werde nicht traurig und bäume dich nicht auf, wenn du einmal am eigenen Leibe die Last der Not spüren mußt; aber - ich wiederhole es - setze alle rechtschaffenen Mittel ein, um eine solche Notlage zu überwinden, denn alles andere hieße Gott versuchen. Und während du kämpfst, vergiß nicht: omnia in bonum! - denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten (Vgl. Röm 8,28), auch die Not, auch die Armut. Von nun an gewöhne dich daran, die kleinen Beeinträchtigungen mit Freude hinzunehmen: Unannehmlichkeiten, Kälte, Hitze, den Verzicht auf etwas, das dir notwendig erscheint, die Unmöglichkeit, dich wie und wann es dir lieb wäre zu erholen, den Hunger, die Einsamkeit, den Undank, das Unverständnis, die Ehrabschneidung…

Die Loslösung, die ich euch mit dem Blick auf unser Vorbild Jesus Christus verkünde, ist Herrschaft. Sie hat nichts mit der schreienden, aufdringlichen Ärmlichkeit zu tun, die nur eine Maske der Faulheit und der Nachlässigkeit ist. Deine Kleidung soll so sein, wie es deiner Situation, deinem Milieu, deiner Familie, deiner Arbeit entspricht; so halten es auch deine Kollegen, du aber tust es für Gott und mit dem Wunsch, ein echtes, anziehendes Bild wahren christlichen Lebens zu vermitteln, in aller Natürlichkeit, ohne Extravaganzen. Wenn überhaupt - so möchte ich euch raten -, achtet auf diese Dinge lieber ein bißchen zu viel als zu wenig. Denn wie stellst du dir das Benehmen unseres Herrn vor? Hast du schon einmal daran gedacht, wie würdig Er das nahtlose Gewand getragen haben muß, das wahrscheinlich Maria selbst gewoben hatte? Erinnerst du dich nicht an das Geschehen im Hause des Simon, da Jesus sich beklagt, daß man Ihm kein Wasser gereicht hat, bevor Er sich zu Tisch setzt? (Vgl. Lk 7,36-50) Freilich will Jesus durch das Anprangern der mangelnden Höflichkeit vor allem lehren, daß die Liebe sich gerade in den kleinen Dingen zeigt, aber ebenso will Er klarstellen, daß die üblichen Umgangsformen auch für Ihn gelten. Deshalb werden wir - du und ich - uns bemühen, von den irdischen Gütern und Annehmlichkeiten losgelöst zu sein, ohne aber aus der Rolle zu fallen oder uns ein sonderbares Gehabe zu erlauben.

Ein Zeichen dafür, daß wir uns als Herren über das Irdische und als treue Verwalter Gottes wissen, ist - wie mir scheint - die Sorgfalt im Umgang mit allem, was wir gebrauchen, damit es lange erhalten bleibt und in gutem Zustand seinen Zweck erfüllen kann, statt daß es ungepflegt verkommt. In den Häusern des Opus Dei findet ihr eine einfache, behagliche und vor allem gepflegte Einrichtung, denn man darf die Armut eines Hauses nicht mit Häßlichkeit oder Schmutz verwechseln. Aber ich kann gut verstehen, wenn du, deinen Möglichkeiten, deinem gesellschaftlichen Status und deinen Verpflichtungen für die Familie entsprechend, auch Wertgegenstände besitzt, die du dann im Geiste des Opfers und der Loslösung pflegen wirst.

Es ist schon über fünfundzwanzig Jahre her, daß ich manchmal eine karitative Anstalt besuchte, wo Armenspeisungen stattfanden. Für die Bettler, die dorthin kamen, war, was sie da erhielten, ihre einzige Nahrung für den ganzen Tag. Es war ein geräumiges Lokal, und einige mitleidige Frauen kümmerten sich um den Betrieb. Nachdem die erste Zuteilung vorüber war, kamen andere Bettler, um etwas von dem zu ergattern, was übrig blieb. Aus dieser zweiten Gruppe fiel mir einer auf: er war der Eigentümer eines Zinnlöffels! Den zog er vorsichtig aus der Tasche und schaute ihn gierig und wohlgefällig an. Nachdem er sein Essen verzehrt hatte, betrachtete er wieder den Löffel, und sein Blick war wie ein Triumphschrei: Der gehört mir! Er leckte ihn zweimal ab und steckte ihn dann befriedigt unter die Falten seiner Lumpen. In der Tat, der Löffel gehörte ihm! Ein armer Kerl, der sich inmitten seiner Leidensgenossen für reich hielt.

Zur selben Zeit kannte ich eine Dame aus dem spanischen Hochadel. Vor Gott hat das keinerlei Bedeutung, denn wir alle sind als Nachkommen von Adam und Eva gleich, schwache Geschöpfe mit Tugenden und Fehlern und zu den schlimmsten Verbrechen fähig, wenn der Herr uns verläßt. Seitdem Christus uns erlöst hat, zählen die Unterschiede nicht mehr, weder Rasse, noch Sprache, noch Hautfarbe, noch Abstammung, noch Reichtum, denn wir sind alle Kinder Gottes. Diese Frau, von der ich euch jetzt erzähle, wohnte in einem herrschaftlichen Haus, aber sie kam für ihren täglichen Bedarf mit ein paar Pfennigen aus. Hingegen belohnte sie freigebig die Dienerschaft und mit dem Rest half sie, die sich selbst vieles versagte, Bedürftigen. Viele der Güter, die mancher so heiß begehrt, besaß sie, aber persönlich war sie arm, opferwillig und von allem vollkommen losgelöst. Versteht ihr, was ich euch damit sagen will? Es genügt, die Worte der Schrift zu bedenken: Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich (Mt 5,3).

Wenn du diesen Geist erlangen willst, dann rate ich dir, in bezug auf dich selbst genügsam, in bezug auf die anderen aber großzügig zu sein. Meide überflüssige Ausgaben aus Verschwendung, Laune, Eitelkeit, Bequemlichkeit… Schaffe dir keine Bedürfnisse. Mit einem Wort, lerne vom heiligen Paulus: Ich weiß mich in die Not zu schicken, ich weiß auch mit Überfluß umzugehen. Mit allem und jedem bin ich vertraut: mit Sattsein und Hungerleiden, mit Überfluß und Entbehrung. Alles vermag ich in dem, der michstärkt (Phil 4,12-13). Gleich dem Apostel werden wir den Sieg in diesem Kampf des Geistes davontragen, wenn wir uns darum bemühen, unser Herz losgelöst und frei von Fesseln zu bewahren.

Der heilige Gregor der Große schreibt: Wir alle, die wir zu der Kampfstätte des Glaubens gekommen sind, nehmen es auf uns, gegen die bösen Geister zu kämpfen. Die Teufel haben in der Welt keinen Besitz; da sie also unbekleidet antreten, müssen auch wir unbekleidet kämpfen. Denn wenn ein Bekleideter mit einem Unbekleideten ringt, wird jener bald zu Boden geworfen, da sein Feind etwas findet, woran er ihn packen kann. Und was sind die irdischen Dinge anders als eine Art Kleidung? (Gregor der Große, Homiliae in Evangelia, 32, 2 (PL 76, 1233])