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Es gibt 3 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Ausdauer → im inneren Leben.

Die rotgestrichenen Pflöcke

Ich muß oft an die Wegmarkierungen denken, die ich als Kind in den Bergen meiner Heimat gesehen habe. Es waren lange Holzpflöcke, meistens rot angestrichen. Damals erklärte man mir, daß sie den Wanderern sichere Orientierungspunkte gäben, um nicht vom Weg abzukommen, wenn der hohe Schnee die Pfade und Felder, Wälder und Weiden, Felsen und Schluchten bedeckt.

Auch im inneren Leben gibt es ähnliches: Frühling und Sommer, aber auch Winter, Tage ohne Sonne und mondlose Nächte. Wir dürfen nicht zulassen, daß unser Umgang mit dem Herrn von der augenblicklichen Laune oder von Gemütsschwankungen abhängig wird. Denn das wäre ein Zeichen von Egoismus und Bequemlichkeit, und selbstverständlich mit der Liebe unvereinbar.

Deshalb werden also einige Frömmigkeitsübungen, die - ohne Sentimentalität - in uns fest begründet, tief verwurzelt und der jeweiligen konkreten Situation angepaßt sind, bei Schnee und Sturm wie die rotgestrichenen Pflöcke unserem Weg die Richtung weisen, bis die Sonne wieder scheint, das Eis schmilzt und das Herz von neuem vibriert und brennt. Das Feuer war ja niemals erloschen; es war nur unter der Asche einer Zeit der Bewährung, nachlassenden Einsatzes oder geschwächten Opfergeistes verborgen.

Ich brauche euch nicht zu verheimlichen, daß im Laufe der Jahre der eine oder andere zu mir gekommen ist und mir voll Kummer gesagt hat: Vater, ich weiß nicht, was mit mir los ist; ich fühle mich erschlafft und kalt. Früher war meine Frömmigkeit so fest und einfach, jetzt erscheint sie mir wie eine Komödie… Denen, die in einer solchen Lage sind, und euch allen sage ich: eine Komödie? Großartig! Der Herr spielt mit uns wie ein Vater mit seinen Kindern.

In der Heiligen Schrift heißt es: ludens in orbe terrarum (Spr 8,31), spielend auf dem weiten Erdenrund. Gott spielt, aber Er verläßt uns nicht, denn gleich darauf heißt es auch: deliciae meae esse cum filiis hominum (Ebd.), es ist meine Freude, unter den Menschenkindern zu sein. Der Herr spielt mit uns! Unser ganzes Tun mag uns einmal wie eine Komödie vorkommen, wir fühlen uns kalt und gleichgültig, sind übelgelaunt und wie willenlos, unsere Pflichten fallen uns schwer und unsere geistlichen Ziele erscheinen uns zu hoch. Dann ist es an der Zeit zu bedenken, daß Gott mit uns spielt und uns als gute Mitspieler in dieser Komödie haben will.

Ich darf euch ruhig erzählen, daß der Herr mir gelegentlich viele Gnaden gewährt hat; aber für gewöhnlich gehen mir die Dinge gegen den Strich. Ich arbeite weiter in dem, was ich mir vorgenommen habe, nicht, weil es mir Spaß macht, sondern weil ich es soll, aus Liebe. Aber Vater, so höre ich, kann man denn vor Gott eine Komödie spielen? Ist das nicht Heuchelei? Sei beruhigt: Für dich ist der Augenblick gekommen, ein menschliches Schauspiel vor einem göttlichen Zuschauer aufzuführen. Harre aus, denn der Vater, der Sohn und der Heilige Geist blicken auf dein Spiel herab. Tue alles aus Liebe zu Gott und um Ihm zu gefallen, auch wenn es dir schwerfällt.

Wie herrlich ist es, Spielmann Gottes zu sein! Wie herrlich, in dieser Komödie eine Rolle zu spielen, aus Liebe, mit Opfergeist, ohne Selbstgefälligkeit, nur um Gott, unserem Vater, zu gefallen, der mit uns spielt. Stelle dich vor den Herrn hin und vertraue es Ihm an: Ich habe nicht die geringste Lust, mich mit dem oder dem zu beschäftigen, aber ich will es für Dich tun. Und dann mache dich an diese Arbeit, auch wenn sie dir wie eine Komödie vorkommt. Gepriesen sei diese Komödie! Du kannst sicher sein: das ist keine Heuchelei, denn die Heuchler brauchen für ihre Aufführungen ein Publikum. Bei uns aber sind die Zuschauer dieses Schauspiels - laß es mich wiederholen - der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, die Mutter Gottes, der heilige Josef und alle Engel und Heiligen des Himmels. Das ist das einzige Spectaculum in unserem inneren Leben: und wiederum gleicht es dem Vorübergang des Herrn quasi in occulto (Vgl. Joh 7,10), wie im verborgenen.

Der Glaube des Bartimäus

Diesmal ist es der heilige Markus, der uns von der Heilung eines anderen Blinden berichtet. Als Er mit seinen Jüngern und einer zahlreichen Volksmenge von Jericho aufbrach, saß ein blinder Bettler am Wege, Bartimäus, der Sohn des Timäus (Mk 10,46). Als der Blinde das Lärmen der Menge hörte, fragte er, was das sei. Man sagte ihm, Jesus von Nazareth gehe vorbei. Da entflammte seine Seele so im Glauben an Christus, daß er schrie: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner! (Mk 10,47)

Du, der du am Rande des Weges stehst, am Rande dieses so kurzen Lebensweges; du, dem Licht fehlt; du, der du mehr Gnade benötigst, um ernst entschlossen nach Heiligkeit zu streben - empfindest du nicht auch das Verlangen zu schreien? Drängt es dich nicht ebenfalls zu rufen: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner? Da hast du ein herrliches Stoßgebet - wiederhole es oft!

Ich rate euch, haltet einmal kurz ein und betrachtet, was dem Wunder vorausging. Prägt euch dabei ganz tief folgendes ein: Wie groß ist doch der Unterschied zwischen dem barmherzigen Herzen Jesu und unseren armen Herzen! Dieser Gedanke wird euch stets helfen können, besonders in Zeiten der Prüfung und der Versuchung, und auch, wenn es darum geht, in unbedeutenden Dingen oder bei Anlässen, die unseren ganzen Heroismus fordern, eine großzügige Antwort zu geben.

Viele fuhren Bartimäus an, er solle schweigen (Mk 10,48). So erging es auch dir, als du spürtest, daß Jesus nahe vorüberging. Dein Herzschlag wurde schneller, eine innere Unruhe erfaßte dich, und du begannst zu rufen. Aber die Freunde, die Bequemlichkeit, die Umgebung, alles riet dir: Schweig doch, schrei nicht so! Warum denn Jesus rufen? Laß Ihn doch in Ruhe!

Doch der arme Bartimäus hörte nicht darauf; im Gegenteil, er schrie noch lauter: Sohn Davids, erbarme dich meiner! Der Herr, der ihn vom ersten Augenblick an gehört hatte, ließ ihn in seinem Gebet ausharren. So ist es auch bei dir. Jesus vernimmt den ersten Ruf der Seele, aber Er wartet. Er will uns zu der Überzeugung führen, daß wir Ihn brauchen; Er will, daß wir Ihn bitten, hartnäckig wie jener Blinde am Rande des Weges von Jericho. Hierin sollen wir ihn nachahmen. Wenn Gott die Erhörung hinausschiebt, wenn manche uns vom Beten abhalten wollen, so dürfen wir trotzdem nicht nachlassen (Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, 66, 1 (PG 58, 626]).

Verzeichnis der Schriftstellen
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