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Es gibt 9 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Ziel des Menschen.

Gott will uns heilig

Wir alle, ihr und ich, sind Teil der Familie Christi, denn Gott hat uns schon vor Erschaffung der Welt auserwählt, daß wir heilig und untadelig vor Ihm seien. Aus Liebe hat Er uns nach seinem freien Willensentschluß durch Jesus Christus zu seinen Kindern vorherbestimmt, zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade (Eph 1,4-5). Die Auserwählung aus geschenkter Gnade richtet uns auf ein deutlich wahrnehmbares Ziel: auf die persönliche Heiligkeit. Paulus spricht es bündig aus: Haec est voluntas Dei: sanctificatio vestra (1 Thess 4,3), dies ist der Wille Gottes: eure Heiligung. Vergessen wir es also niemals: Wir sind in der Hürde des Herrn, damit wir dieses hohe Ziel erreichen.

Und wieder muß ich an eine Begebenheit denken, die lange zurückliegt. Eines Tages ging ich in die Kathedrale von Valencia, um dort zu beten. Als ich am Grab des Seligen Ridaura vorbeikam, erzählte man mir von diesem Priester, daß er auf die Frage nach seinem Alter - er war schon sehr alt - immer die gleiche, sehr bestimmte Antwort gab: wenige Jahre, und um deutlich zu machen, was er meinte, fügte er hinzu: Nur die Jahre, die ich im Dienste Gottes verbracht habe, zählen. Bei vielen von euch kann man noch an den Fingern einer Hand die Jahre zählen, die seit dem Tag vergangen sind, an dem ihr euch entschlossen habt, ganz Gott zu gehören und Ihm inmitten der Welt, in eurem Milieu und durch eure berufliche Arbeit dienen zu wollen. Es ist auch nicht so wichtig; wichtig ist nur, daß in uns diese Gewißheit gleichsam eingebrannt ist: die Aufforderung zur Heiligkeit, die Christus an alle Menschen ohne Ausnahme richtet, verlangt von einem jeden die Sorge um das eigene innere Leben und die tägliche Einübung in die christlichen Tugenden. Der Herr fordert nicht einen durchschnittlichen, überdurchschnittlichen oder außerordentlichen Einsatz, sondern eine Entschlossenheit, die bis zum wirklich Heroischen gehen muß.

Das Ziel, das ich euch vor Augen stelle - genauer gesagt, das Gott uns allen vor Augen stellt - ist kein Phantasiegebilde und kein unerreichbares Ideal. Ich könnte euch von so vielen ganz gewöhnlichen Männern und Frauen, wie ihr und wie ich, erzählen, die sich entschlossen haben, Christus zu folgen und in Liebe das Kreuz eines jeden Tages zu tragen (Joh 7,10), nachdem sie auf scheinbar gewöhnlichem Wege Ihm, der quasi in occulto (Vgl. Mt 16,24), wie verborgen, vorüberging, begegnet sind. In unserer Zeit, in der Sichgehenlassen und Schlaffheit oder Hemmungslosigkeit und Anarchie als Zeichen des allgemeinen Verfalls herrschen, gewinnt gerade deshalb die einfache, tiefe Erkenntnis, die mich seit Beginn meiner priesterlichen Tätigkeit verzehrt und die ich der ganzen Menschheit weitergeben möchte, immer mehr an Aktualität: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen fehlt.

Wenn wir das Wort des Herrn betrachten: ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt seien (Joh 17,19), wird uns deutlich, worin unser einziges Ziel besteht: darin, uns zu heiligen; heilig zu werden, um andere zu heiligen. Hier mag sich die Versuchung eines leisen Zweifels melden: Wir, die wir zur Befolgung der göttlichen Aufforderung fest entschlossen sind, seien gar nicht so zahlreich, und außerdem als Werkzeuge gar nicht so wertvoll. Ja, im Vergleich zu der Gesamtheit der Menschen sind wir nur wenige, und als einzelne taugen wir nicht viel. Aber unser Meister sagt uns mit aller Bestimmtheit, daß der Christ Licht, Salz, Sauerteig der Welt ist, und schon ein wenig Sauerteig durchsetzt den ganzen Teig (Gal 5,9). Gerade deshalb habe ich immer wieder gesagt, daß uns alle Menschen interessieren, von Hundert alle Hundert, und keinen einzigen nehmen wir aus, denn wir wissen, daß Christus alle erlöst hat und einige wenige in seinen Dienst nehmen will, damit sie, die selbst nichts sind, sein Heil ausbreiten helfen.

Ein Jünger Christi wird niemals einen Mitmenschen geringschätzig behandeln; er wird den Irrtum beim Namen nennen, aber den Irrenden in Liebe zurechtweisen, sonst könnte er ihm nicht helfen, ihn nicht heiligen. Was not tut, ist Wohlwollen, Verstehen, Entschuldigen, brüderliches Begegnen, und in allem den Rat des heiligen Johannes vom Kreuz beherzigen: Lege Liebe dort hinein, wo es keine Liebe gibt, und du wirst Liebe finden (Vgl. Johannes vom Kreuz, Brief an Maria von der Menschwerdung, 6. 7. 1591). Auch für Dinge, die scheinbar nicht von Belang sind in der beruflichen Arbeit, im Familienleben oder im Umgang mit Bekannten, gilt dies. Uns muß also daran liegen, jede Gelegenheit, sei sie auch noch so alltäglich, wahrzunehmen: und indem wir sie heiligen, heiligen wir uns und heiligen wir jene Menschen, die mit uns die Sorgen des Alltags teilen. So werden wir in unserem Leben die milde, liebenswerte Last eines Miterlösers verspüren.

Ich möchte diese Zeit des Gesprächs vor dem Herrn mit einer Notiz fortsetzen, die ich schon vor Jahren benutzt habe und die auch heute noch aktuell ist. Damals schrieb ich mir folgenden Gedanken der heiligen Theresia von Avila auf: Alles, was vergänglich ist und Gott mißfällt, ist nichts und weniger als nichts (Theresia von Avila, Buch ihres Lebens, 20, 26). Begreift ihr, warum eine Seele keinen Frieden und keine innere Ruhe mehr findet, wenn sie sich von ihrem Ziel entfernt und vergißt, daß Gott sie für die Heiligkeit geschaffen hat? Seht also zu, daß ihr niemals die Ausrichtung auf das Übernatürliche verliert, nicht einmal in Zeiten der Entspannung oder der Erholung, die ja ebenso nötig sind wie die Arbeit.

Daß ihr zu hohem Ansehen in eurer beruflichen Arbeit kommt - ausgezeichnet; daß ihr bei eurem Engagement in weltlichen Angelegenheiten - immer in voller Freiheit - Erfolge feiert - ausgezeichnet. Aber wenn ihr darüber den Sinn für das Übernatürliche verliert, der all euer Schaffen prägen muß, dann habt ihr trotzdem den Weg traurig verfehlt.

Kehren wir zum Thema unserer Betrachtung zurück. Ich sagte, daß selbst die größten gesellschaftlichen oder beruflichen Erfolge letztlich nur klägliches Scheitern sind, wenn ihr euch im inneren Leben gehen laßt und euch vom Herrn abwendet. In den Augen Gottes - und das ist das entscheidende - ist derjenige ein Sieger, der um eine echt christliche Lebensführung kämpft; da gibt es keinen Mittelweg. Wie viele Menschen begegnen uns, die sich nach menschlichen Maßstäben glücklich preisen müßten und die doch gehetzt und verbittert dahinleben. Man möchte meinen, sie griffen mit vollen Händen in die Freude, aber schon bei oberflächlichem Kennenlernen wird ihre Bitterkeit offenkundig, schlimmer als Galle. Uns wird es nicht so ergehen, wenn wir bemüht sind, in allem den Willen Gottes zu tun, Ihn zu ehren und zu rühmen und sein Reich überallhin auszubreiten.

Im Boot Christi

Unser Herr Jesus Christus sprach oft und gern von Booten und Netzen, und auch ich tue das gern, damit wir gerade aus diesen Szenen des Evangeliums feste und klare Vorsätze entnehmen können. Lukas erzählt von einigen Fischern, die am Ufer des Sees Genezareth ihre Netze waschen und ausbessern. Jesus geht auf die Boote zu, die am Ufer liegen, und steigt in den Kahn des Simon. Wie selbstverständlich steigt der Herr in dein, in mein Boot ein! Und manche Leute stöhnen dann: Er macht unser Leben so kompliziert… Euch und mir ist Er auf dem Weg begegnet, Er hat unser Leben komplizierter gemacht durch seine einnehmende Liebe.

Nachdem Jesus vom Boot des Petrus aus gepredigt hat, sagt Er zu den Fischern: Duc in altum, et laxate retia vestra in capturam (Lk 5,4), fahrt hinaus, werft die Netze zum Fang aus! Sie verlassen sich auf sein Wort, sie gehorchen und erleben einen wunderbaren Fischfang. Und der Herr sagt zu Petrus, der, wie Jakobus und Johannes, staunend dasteht: "Fürchte dich nicht, von nun an sollst du Menschenfischer sein". Da zogen sie die Boote ans Land, ließen alles zurück und folgten Ihm nach (Lk 5,10-11).

Dein Boot: deine Fähigkeiten, deine Pläne, deine Erfolge - all das zu nichts nutze, es sei denn, du stellst es Christus zur Verfügung, du läßt Ihn ungehindert einsteigen; du verzichtest darauf, aus deinem Nachen einen Götzen zu machen. Du allein, du mit deinem Boot und ohne den Meister, eilst dem sicheren Schiffbruch entgegen. Nur wenn du die Nähe des Herrn suchst und Ihm das Steuer überläßt, wirst du die Stürme und Klippen des Lebens heil bestehen. Gib alles in die Hände Gottes: Laß deine Gedanken, deine schönen Phantasieflüge, deine edlen menschlichen Bestrebungen, die reinen Sehnsüchte deiner Liebe durch das Herz Jesu hindurchgehen. Denn sonst wird all dies - früher oder später - mit deinem Egoismus zugrunde gehen.

Läßt du aber Gott über dein Boot bestimmen, nimmst du Ihn als den Schiffspatron an - welche Sicherheit gewinnst du dann!… auch wenn Er einmal abwesend zu sein oder zu schlafen scheint, oder wenn es so aussieht, als zöge mitten in der finsteren Nacht ein Unwetter auf, und Er sei fern. Markus berichtet, wie die Apostel sich einmal in einer ähnlichen Lage befanden: wie sie beim Rudern sich abmühten, weil sie Gegenwind hatten. Auf einmal - es war um die vierte Nachtwache - kam Jesus, auf dem See wandelnd, auf sie zu (…) Da redete Er sie an: "Habt Vertrauen! Ich bin es, fürchtet euch nicht." Er stieg zu ihnen ins Boot, und der Wind legte sich (Mk 6, 48;50-51).

Meine Kinder, was geschieht nicht alles auf der Welt…! Ich könnte euch so vieles erzählen: von Menschen, die leiden, die betrübt sind, die mißhandelt oder gemartert - ja, wirklich gemartert - werden. Ich könnte euch von der heroischen Stärke vieler Seelen erzählen. Vor unseren Augen und in unserem Verstand entsteht manchmal der Eindruck, als schliefe Jesus und hörte uns nicht; aber Lukas erzählt, wie der Herr an den Seinigen handelt: Die Jünger stießen vom Lande ab. Während sie dahinfuhren, schlief Er ein. Da erhob sich ein Sturm auf dem See. Die Wogen brachen über sie herein, und sie schwebten in Gefahr. Da traten sie an Ihn heran, weckten Ihn und riefen: "Meister, Meister, wir gehen unter!" Er erhob sich und gebot dem Wind und dem tobenden Meer; sie legten sich, und es trat Stille ein. Darum sagte Er zu Ihnen: "Wo ist euer Glaube?" (Lk 8,23-25)

Wenn wir uns hingeben, dann gibt Er sich uns hin. Wir müssen unser ganzes Vertrauen auf Ihn setzen, uns rückhaltlos auf Ihn verlassen und in unserem Tun zeigen, daß Ihm das Boot gehört und daß wir uns Ihm zu eigen geben.

lch schließe damit, daß wir der Fürsprache unserer Mutter Maria folgende Vorsätze anvertrauen: aus dem Glauben zu leben; beharrlich zu sein in der Hoffnung; uns ganz nah an Christus zu halten; Ihn wirklich und wahrhaftig und ganz zu lieben; und dieses Liebesabenteuer als in Gott verliebte Herzen mit Begeisterung und Wonne zu bestehen. Bitten wir unsere Mutter, daß sie uns helfe, Christus in unser armseliges Boot einsteigen zu lassen, damit Er, unser Eigentümer und Herr, von unserer Seele Besitz ergreife. Sie möge uns Mut machen, dem Herrn aufrichtig zu sagen, daß wir versuchen wollen, Tag und Nacht in seiner Gegenwart zu leben, weil Er uns zum Glauben gerufen hat: Ecce ego quia vocasti me! (1 Sam 3,9) Hier bin ich, weil Du mich gerufen hast. Und so werden wir endlich, vom Ruf des Guten Hirten angezogen und in der Gewißheit, allein bei Ihm das wahre Glück, das irdische wie das ewige, zu finden, in seine Hürde eingehen.

*Homilie, gehalten am 26. November 1967

Wir werden innerlich aufgerüttelt und im Herzen tief erschüttert, wenn wir den Ruf des heiligen Paulus aufmerksam hören: Das ist der Wille Gottes: eure Heiligung (1 Thess 4,3). Heute führe ich mir dieses Wort noch einmal vor Augen und ich erinnere auch euch und die ganze Menschheit daran: Dies ist der Wille Gottes, daß wir heilig sind.

Um den Seelen den wahren Frieden zu bringen, um die Welt umzugestalten, um in der Welt und durch die Dinge der Welt Gott, unseren Herrn, zu suchen, ist unbedingt die persönliche Heiligkeit notwendig. In meinen Gesprächen mit Menschen aus vielen Ländern, mit Menschen, die sehr verschiedene Stellungen in der Gesellschaft einnehmen, werde ich oft gefragt: Was sagen sie uns, die wir verheiratet sind? Und uns, die wir auf dem Felde arbeiten? Und was sagen Sie einer Witwe? Und einem Jugendlichen?

Ich antworte immer, daß ich nur einen einzigen Kochtopf habe. Und dann pflege ich besonders darauf einzugehen, daß unser Herr Jesus Christus allen, ohne Unterschied, die frohe Botschaft verkündet hat. Ein einziger Kochtopf und eine einzige Speise: Meine Speise ist es, daß ich denWillen dessen tue, der mich gesandt hat, und daß ich sein Werk vollbringe (Joh 4,34). Jeden einzelnen ruft der Herr zur Heiligkeit, jeden einzelnen bittet Er um Liebe: Junge und Alte, Ledige und Verheiratete, Gesunde und Kranke, Gebildete und Ungebildete, gleichgültig, wo sie arbeiten und leben. Es gibt nur eine einzige Art und Weise, im Umgang mit Gott und im Vertrauen zu Ihm zu wachsen: Ihm im Gebet zu begegnen, mit Ihm zu sprechen, Ihm - von Herz zu Herz - unsere Liebe kundzutun.