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Es gibt 5 Nummer in «Freunde Gottes » deren Stichwort lautet Echtheit.

Kehren wir zum Thema unserer Betrachtung zurück. Ich sagte, daß selbst die größten gesellschaftlichen oder beruflichen Erfolge letztlich nur klägliches Scheitern sind, wenn ihr euch im inneren Leben gehen laßt und euch vom Herrn abwendet. In den Augen Gottes - und das ist das entscheidende - ist derjenige ein Sieger, der um eine echt christliche Lebensführung kämpft; da gibt es keinen Mittelweg. Wie viele Menschen begegnen uns, die sich nach menschlichen Maßstäben glücklich preisen müßten und die doch gehetzt und verbittert dahinleben. Man möchte meinen, sie griffen mit vollen Händen in die Freude, aber schon bei oberflächlichem Kennenlernen wird ihre Bitterkeit offenkundig, schlimmer als Galle. Uns wird es nicht so ergehen, wenn wir bemüht sind, in allem den Willen Gottes zu tun, Ihn zu ehren und zu rühmen und sein Reich überallhin auszubreiten.

Ein konsequent christliches Leben

Ich höre manchmal, was mich besonders schmerzt, von katholischen Christen - Kindern Gottes, durch die Taufe dazu berufen, ein anderer Christus zu sein -, die ihr Gewissen mit einer formalen Frömmigkeit beruhigen und mit einer Art religiösen Gefühls einlullen: von Zeit zu Zeit beten sie, je nach dem subjektiven Bedarf; sie sehen in der heiligen Messe eine nicht übertrieben ernstzunehmende Sonntagspflicht - ihren Magen aber befriedigen sie mit sorgsamer Regelmäßigkeit -, sie sind bereit, ihren Glauben gegen ein Linsengericht einzutauschen, damit ihnen nur ja keine Nachteile für ihre Stellung entstehen… Aber auf der anderen Seite scheuen sie sich nicht, ohne Rücksicht auf ein mögliches Ärgernis, das christliche Namensschild zum eigenen Nutzen zu verwenden. Nein! Bloße Namensschilder sollen uns nicht genügen! Ich möchte, daß ihr ganze Christen seid, Christen aus einem Guß. Aber dazu ist es nötig, daß ihr konsequent nach der rechten geistlichen Nahrung sucht.

Ihr wißt aus eigener Erfahrung, daß das innere Leben darin besteht, jeden Tag immer wieder von neuem zu beginnen. Ich habe euch das oft gesagt, um einer möglichen Mutlosigkeit vorzubeugen. Und wir alle, ihr und ich, spüren im Herzen, daß es nötig ist, beharrlich zu kämpfen. Ihr werdet bei eurer Gewissenserforschung bestimmte immer wiederkehrende Rückschläge festgestellt haben, die an sich geringfügig sind, euch aber fast übergroß erscheinen, weil ihr in ihnen den Mangel an Liebe, an Hingabe, an Opfergeist, an Feingefühl erkennt. Auch mir ergeht es so. Entschuldigt diesen neuerlichen Hinweis auf meine Person, aber auch ich bespreche, während ich mit euch rede, mit dem Herrn die Fragen meiner Seele. Bereut in solchen Situationen aufrichtig, habt den festen Wunsch zu sühnen, aber verliert den Frieden nicht.

Natürliche Tugenden

Eine laizistische Denkungsart und manche Auffassungen, die wir pietistisch nennen könnten, haben beide eine Sicht vom Christen, nach der dieser nicht voll und ganz Mensch ist. Der Laizist sieht die menschlichen Werte durch die Forderungen des Evangeliums erstickt, der Pietist wähnt die Reinheit des Glaubens durch die gefallene Natur gefährdet. Sie kommen zum gleichen Ergebnis: beide verkennen die volle Realität der Menschwerdung Christi und übersehen, daß das Wort Fleisch geworden ist - Mensch geworden - und unter uns gewohnt hat (Joh 1,14).

Meine Erfahrung als Mensch, als Christ und als Priester lehrt mich etwas ganz anderes: Mag ein Herz auch noch so tief in die Sünde verstrickt sein, immer glimmt in ihm, wie unter der Asche, ein Funke der Güte. Und immer, wenn ich an ein solches Herz geklopft habe, unter vier Augen und mit dem Wort Christi, hat es geantwortet.

Es gibt in dieser Welt viele Menschen, die keinen Umgang mit Gott pflegen - vielleicht, weil sie niemals Gelegenheit hatten, das Wort Gottes zu hören, oder es vergessen haben -, die aber, menschlich gesehen, aufrichtig, loyal, mitfühlend, anständig sind. Ich bin davon überzeugt, daß ein Mensch mit solchen Voraussetzungen nahe daran ist, sich Gott zu öffnen, denn die natürlichen Tugenden bilden das Fundament der übernatürlichen.

Es ist wahr, daß diese persönlichen Voraussetzungen allein nicht genügen, denn niemand wird ohne die Gnade Christi gerettet. Aber dem Menschen, der diese Ansätze bewahrt und pflegt, wird Gott den Weg ebnen; dieser Mensch wird heilig werden können, weil er es verstanden hat, als guter Mensch zu leben.

Wahrscheinlich habt ihr manchmal auch den gewissermaßen umgekehrten Fall beobachtet: Menschen, die sich Christen nennen - sie sind getauft, sie gehen zu den Sakramenten - erweisen sich als unehrlich, lügnerisch, unzuverlässig, hochmütig. Ehe sie sich versehen, fallen sie, wie Sternschnuppen, kurz aufleuchtend und dann in die Tiefe stürzend.

Wenn wir unsere Verantwortung als Kinder Gottes ernst nehmen, begreifen wir, daß Gott uns echt menschlich haben will. Unser Kopf soll den Himmel berühren, aber beide Füße müssen fest auf der Erde stehen. Der Preis eines Lebens als Christ besteht nicht in der Verleugnung unseres Menschseins, nicht in einer Vernachlässigung von Tugenden, die andere Menschen, ohne Christus zu kennen, besitzen. Nein, der Preis eines jeden Christen ist das erlösende Blut Jesu Christi; und ich wiederhole es, unser Herr will uns sehr menschlich und sehr vergöttlicht, jeden Tag von neuem bemüht, Ihn nachzuahmen, der perfectus Deus, perfectus homo, ganz Gott, ganz Mensch ist.

Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit

Die natürlichen Tugenden verlangen von uns ständige Anstrengung, denn es ist nicht leicht, angesichts lang anhaltender Situationen, die die eigene Sicherheit zu gefährden scheinen, sich selbst treu zu bleiben. Ihr seht das bei einer so kristallklaren Eigenschaft wie der Wahrhaftigkeit: Ob es stimmt, daß sie nichts mehr gilt? Daß sie den Halbwahrheiten und Winkelzügen endgültig das Feld räumen mußte? Man fürchtet die Wahrheit und flüchtet sich deshalb, als erbärmliche Ausrede, in die Behauptung, keiner sage sie, niemand lebe nach ihr, jeder heuchele und lüge.

Zum Glück ist es nicht so. Es gibt viele Menschen - Christen wie Nichtchristen -, die, statt ihren Mantel nach dem Wind zu hängen, bereit sind, um der Wahrheit willen sogar ihre eigene Ehre und ihren guten Ruf aufs Spiel zu setzen. Weil diese Menschen die Aufrichtigkeit lieben, sind sie auch fähig, einen Irrtum zu berichtigen, wenn sie ihn merken. Dazu sind die unfähig, die auf die Lüge bauen und "Wahrheit" nur als den Deckmantel ihrer Unredlichkeit begreifen können.

Verzeichnis der Schriftstellen