Priester auf ewig

Homilie, gehalten am 13. April 1973, Freitag in der Passionswoche; früheres Fest der Sieben Schmerzen Mariens


Vor einigen Tagen hielt ich während der heiligen Messe einen Augenblick inne, um die Worte eines Psalms aus der Kommunionantiphon der Tagesliturgie zu betrachten: Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen (Ps 22,1; Kommuniongebet aus der Messe vom Samstag nach dem vierten Fastensonntag). Dieser Ruf erinnerte mich an ein anderes Psalmwort, das früher beim Erteilen der ersten Tonsur gebetet wurde: Der Herr ist der Teil meiner Erbschaft (Ps 15,5). Christus liefert sich selbst den Händen der Priester aus, die so zu Sachwaltern der Geheimnisse - der Großtaten - des Herrn werden.

In diesem Sommer werden etwa fünfzig Mitglieder des Opus Dei die Priesterweihe empfangen. Seit 1944 wiederholt sich alljährlich dieses Geschehen als eine Tat der Gnade im Dienst an der Kirche. Einige Mitglieder des Opus Dei, wenige, werden zu Priestern geweiht. Das gibt immer wieder Anlaß zu der verwunderten Frage, wie es möglich sei, daß dreißig, vierzig, fünfzig Menschen die Leistungen und Aussichten ihres bisherigen Lebens hinter sich lassen, um Priester zu werden. Laßt mich heute einiges dazu sagen, selbst auf die Gefahr hin, daß die Ratlosigkeit der so Fragenden noch wächst.

Warum Priester werden?

Diese Mitglieder des Opus Dei, die das heilige Sakrament der Priesterweihe empfangen werden, besitzen eine volle Erfahrung - manchmal durch eine jahrelange berufliche Tätigkeit - als Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten und in vielen anderen Berufen; die sie befähigen, in der Gesellschaft mehr oder weniger einflußreiche Aufgaben zu übernehmen.

Sie lassen sich weihen, um zu dienen: nicht um zu befehlen, nicht um zu glänzen, sondern um sich einem stillen Dienst aus Gott an allen Menschen für immer hinzugeben. Nach ihrer Weihe werden sie nicht der Versuchung erliegen, die Tätigkeit und die berufliche Arbeit der Laien nachzuahmen - obgleich es sich dabei um etwas handelt, das ihnen sehr vertraut ist, denn sie haben bis dahin so gelebt und sich damit eine laikaIe Mentalität erworben, die nie mehr verlorengeht.

Zwar ist die fachliche Kompetenz im jeweiligen Wissenszweig, sei es nun die Geschichte, die Naturwissenschaften, die Psychologie, die Rechtswissenschaft oder die Soziologie, ein wesentliches Element ihrer laikaIen Mentalität, sie wird sie jedoch nicht dazu verleiten, sich als Psychologen-Priester, Biologen-Priester oder Soziologen-Priester zu betrachten: sie haben das Sakrament der Priesterweihe empfangen, weil sie "Priester-Priester" sein wollen: nicht mehr und nicht weniger, voll und ganz Priester.

Möglicherweise kennen sie sich auf diesen Gebieten besser aus als viele Laien. Aber sobald sie Priester geworden sind, verweisen sie mit Freude ihren bürgerlichen Beruf ganz in den Hintergrund und sprechen fortan, durch ständiges Gebet gestärkt, nur noch von Gott, predigen das Evangelium und spenden die Sakramente. Das ist, wenn man es so sagen darf, ihre neue berufliche Arbeit, der sie von morgens bis abends nachgehen. Dabei wird es ihnen immer noch an Zeit fehlen, denn man muß ständig die Theologie studieren, viele Menschen geistlich betreuen, Beichte hören, unermüdlich predigen und viel, sehr viel beten: mit dem Herzen beim Tabernakel, dort, wo Jener wirklich gegenwärtig ist, der uns als die Seinen auserwählt hat, zu einer Hingabe voller Freude, trotz der Schwierigkeiten, die keinem Menschen erspart bleiben.

All dies kann, wie gesagt, die Überraschung noch steigern. Manche werden vielleicht fragen: Warum der Verzicht auf so viele gute und schöne Dinge, auf einen vielleicht glanzvollen Beruf, auf ein christliches, beispielhaftes Wirken in der Gesellschaft, im kulturellen Bereich, in der Hochschule, in der Wirtschaft und in vielen anderen Tätigkeiten?

Andere werden darauf aufmerksam machen, wieviel Unsicherheit sich hinsichtlich des Priesterbildes heute breitmacht. Man redet von der Suche nach seiner Identität und stellt angesichts der gegenwärtigen Situation die Bedeutung der priesterlichen Hingabe an Gott in Frage. Schließlich mag es überraschen, daß gerade in einer Zeit mangelnder Priesterberufungen Menschen, die sich beruflich bewährt, die Arbeit und Stellung gesichert hatten, diesen Weg gehen.

Priester und Laien

Ich begreife diese Überraschung, aber es wäre unaufrichtig, zu sagen, daß ich sie teile. Diese Menschen, die sich in Freiheit, weil sie es wollen - ein sehr übernatürlicher Grund -, für das Priestertum entscheiden, wissen, daß dies kein Verzicht im üblichen Sinne des Wortes ist. Schon vorher haben sie der Kirche und allen Menschen gedient durch ihre Berufung zum Opus Dei: eine volle, gottgegebene Berufung, die sie dazu führte, die gewöhnliche Arbeit zu heiligen, sich selbst in der Arbeit zu heiligen und andere durch die Arbeit zu heiligen. Wie für alle Christen, gelten auch für die Mitglieder des Opus Dei - ganz gleich, ob Priester oder Laien, denn sie alle sind gewöhnliche Christen - jene Worte des heiligen Petrus: Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk. Ihr sollt die herrlichen Taten dessen verkünden, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat. Einst wart ihr ein Nichtvolk, jetzt seid ihr Gottes Volk. Einst Nichtbegnadete, seid ihr jetzt Begnadete (1 Petr 2,9-10).

Als gläubige Christen haben alle, Priester wie Laien, dieselbe Verfaßtheit, denn Gott, unser Herr, hat uns alle zur Fülle der Liebe, zur Heiligkeit berufen: Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er hat uns in Christus mit allem geistlichen Segen im Himmel gesegnet. In ihm hat er uns schon vor Erschaffung der Welt auserwählt, daß wir heilig und untadelig vor ihm seien (Eph 1,3-4).

Es gibt keine Heiligkeit zweiter Klasse: entweder kämpfen wir unablässig, um in der Gnade Gottes zu leben und um Christus, unserem Vorbild, gleich zu werden, oder wir sind Fahnenflüchtige in diesem göttlichen Kampf. Jeden lädt der Herr ein, sich in seinem eigenen Stand zu heiligen. Dieses leidenschaftliche Ringen um die Heiligkeit, bei allen persönlichen Fehlern und Erbärmlichkeiten, kennt im Opus Dei keine Unterschiede zwischen Priestern und Laien, zumal die Priester nur einen kleinen Bruchteil der Mitglieder insgesamt ausmachen. Mit den Augen des Glaubens gesehen, hat Priesterwerden also im Grunde nichts mit Verzicht zu tun; ebensowenig bedeutet es die Krönung der Berufung zum Opus Dei, denn die Heiligkeit hängt nicht vom Stand ab - ob Lediger, Verheirateter Verwitweter oder Priester -, sondern vom persönlichen Ja zur Gnade, die uns allen zuteil wird, damit wir lernen, die Werke der Finsternis abzulegen und die Waffenrüstung des Lichtes anzuziehen: Heiterkeit, Frieden, selbstlosen und freudigen Dienst an allen Menschen (Vgl. Röm 13,12).

Die Würde des Priestertums

Das Priestertum führt dazu, Gott in einem Stand zu dienen, der in sich weder besser noch schlechter ist als ein anderer: er ist einfach verschieden. Doch die Berufung des Priesters besitzt eine Würde und Erhabenheit, die nichts auf Erden überbieten kann. Die heilige Katharina von Siena legt Christus folgende Worte in den Mund: Ich will nicht, daß man den Priestern die schuldige Ehrerbietung vorenthält, denn die Ehrerbietung und die Achtung, die man ihnen bezeugt, ist nicht für sie bestimmt, sondern für Mich, kraft des Blutes, das ich ihrer Verwaltung anvertraut habe. Wenn nicht darin der Grund bestünde, so hätte man ihnen dieselbe Ehrerbietung zu bezeugen wie den Laien, und nicht mehr… Man darf sie nicht beleidigen, sonst werde ich beleidigt und nicht sie. Deshalb habe ich es verboten, und deshalb habe ich angeordnet, nicht zuzulassen, daß man meine Gesalbten anrührt (Katharina von Siena, Das Gespräch, Kap. 116; vgl. Ps 104,15).

Manche ereifern sich in der Suche nach der Identität des Priesters, wie sie es nennen. Wie klar sind die Worte der heiligen Katharina! Was ist die Identität des Priesters? Die Identität mit Christus. Nicht nur alter Christus, sondern ipse Christus können und sollen alle Christen sein: ein anderer Christus, Christus selbst. Doch im Priester geschieht dies unmittelbar, auf sakramentale Weise.

Um dieses große Werk - der Erlösung - zu verwirklichen, ist Christus seiner Kirche immerdar gegenwärtig, besonders in den liturgischen Handlungen. Gegenwärtig ist er im Opfer der Messe sowohl in der Person dessen, der den priesterlichen Dienst vollzieht - denn "derselbe bringt das Opfer jetzt dar durch den Dienst der Priester, der sich einst am Kreuz selber dargebracht hat" - wie vor allem unter den eucharistischen Gestalten (II. Vatikanisches Konzil, Konst. Sacrosanctum Concilium, 7; vgl. Konzil von Trient, Die Lehre über das Meßopfer, Kap. 2).

Durch die Priesterweihe erhält der Priester wirklich die Fähigkeit, dem Herrn Hände, Stimme, sein ganzes Sein zu leihen: Jesus Christus selbst verwandelt in der heiligen Messe durch die Worte der Konsekration Brot und Wein in seinen Leib und seine Seele, sein Blut und seine Gottheit.

Darin gründet die unvergleichliche Würde des Priesters: in einer geliehenen Erhabenheit, die vereinbar ist mit meiner eigenen Niedrigkeit. Ich bitte Gott, den Herrn, er möge uns allen, die wir Priester sind, die Gnade schenken, heiligmäßig das Heilige zu tun, die Gnade, auch in unserem Leben die Wundertaten seiner Größe widerzuspiegeln. Die, die wir die heiligen Geheimnisse des Leidens des Herrn feiern, haben dem nachzueifern, was wir vollziehen. Dann wird die Hostie unseren Platz vor Gott einnehmen, wenn wir selbst zur Opfergabe werden (Gregor der Große, Dialog, 4, 59).

Solltet ihr einmal einem Priester begegnen, der, seinem Verhalten nach zu urteilen, nicht nach dem Evangelium zu leben scheint - richtet ihn nicht, überlaßt das Gott -, dann bedenkt, daß, wenn er nur die heilige Messe gültig, mit dem Willen zu konsekrieren, feiert, Gott in jene Hände, mögen sie auch noch so unwürdig sein, herabsteigt. Kann man sich eine größere Hingabe vorstellen, eine noch tiefere Erniedrigung? Es ist mehr noch als schon in Bethlehem, mehr noch als auf GoIgotha. Und warum? Weil ein erlösendes Verlangen das Herz Jesu Christi verzehrt, weil er nicht will, daß jemand sagen kann, er habe ihn nicht gerufen, und weil er auch jenen entgegenkommen will, die ihn nicht suchen.

Liebe: das ist die einzige Erklärung. Wie unzulänglich erscheint uns die Sprache, wenn wir von der Liebe Christi sprechen wollen! Er erniedrigt sich zu allem, erträgt alles, unterwirft sich allem - dem Frevel, Gotteslästerungen, der kalten Gleichgültigkeit so vieler Menschen -, wenn er dafür nur einem Menschen - auch wenn es tatsächlich nur ein einziger wäre - die Möglichkeit bieten kann, ihn für das Schlagen des göttlichen Herzens in seiner durchstoßenen Brust empfänglich zu machen.

Das ist die Identität des Priesters: Er ist jeden Tag unmittelbar Werkzeug der erlösenden Gnade, die Christus uns verdient hat. Wenn man dies begreift, wenn man es im liebenden, aufmerksamen Schweigen des Gebetes betrachtet hat, wie kann man dann noch das Priestertum als einen Verzicht ansehen? Es ist ein Gewinn, ohne Maßen. Maria, unsere heilige Mutter, die heiligste unter allen Geschöpfen - größer als sie ist nur Gott - hat Jesus einmal in die Welt gebracht; die Priester bringen ihn uns jeden Tag auf die Erde, machen ihn unserem Leib und unserer Seele zugänglich: Christus kommt, um uns Nahrung zu sein, um uns das Leben hier zu geben und um schon jetzt Unterpfand zu sein für das künftige Leben.

Das gemeinsame und das Amtspriestertum

Weder als Mensch noch als gläubiger Christ ist der Priester mehr als der Laie. Eine tiefe Demut ist bei ihm also recht angebracht, damit er begreift, daß auch auf ihn, ja ganz besonders auf ihn, die Worte des heiligen Paulus voll zutreffen: Was hast du, das du nicht empfangen hättest? (1 Kor 4,7) Das Empfangene… das ist Gott selbst! Es ist die Vollmacht, die heilige Eucharistie, die heilige Messe - Hauptzweck der Priesterweihe - zu feiern, die Vollmacht, Sünden zu vergeben, die übrigen Sakramente zu spenden, das Wort Gottes mit Autorität zu predigen und die anderen Gläubigen in dem, was sich auf das Himmelreich bezieht, anzuleiten.

Darum setzt das Priestertum - der Amtspriester - zwar die christlichen Grundsakramente voraus, wird aber durch ein eigenes Sakrament übertragen. Dieses zeichnet die Priester durch die Salbung des Heiligen Geistes mit einem besonderen Prägemal und macht sie auf diese Weise dem Priester Christus gleichförmig, so daß sie in der Person des Hauptes Christus handeln können (II. Vatikanisches Konzil, Dekr. Presbyterorum Ordinis, 2).

Diese Verfassung der Kirche entspricht nicht menschlichem Gutdünken, sondern dem ausdrücklichen Willen Christi, ihres Stifters. Das Opfer und das Priesteramt sind durch göttliche Anordnung so eng miteinander verbunden, daß sie unter dem Gesetz, im Alten wie im Neuen Bund, zusammen bestanden haben. Nachdem die heilige katholische Kirche durch Einsetzung des Herrn im Neuen Bund das sichtbare Opfer der Eucharistie erhalten hat, muß sie daher auch bekennen, daß es in ihr ein neues, nach außen sichtbares Priestertum gibt, in welche das alte überführt wurde (Konzil von Trient, Die Lehre über die Priesterweihe, Kap.1 [Denzinger-Schön. 1764957]).

Bei den Geweihten kommt dieses Amtspriestertum zu dem allen Gläubigen gemeinsamen Priestertum hinzu. Es wäre ein Irrtum zu meinen, ein Priester sei in höherem Maße ein gläubiger Christ als jeder andere Gläubige, aber man kann doch sagen, daß er in höherem Maß Priester ist: wie alle Christen gehört er dem von Christus erlösten priesterlichen Volk an, aber außerdem erhält er durch das Amtspriestertum, das sich dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach (II. Vatikanisches Konzil, Dog. Konst. Lumen Gentium, 10)vom gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen unterscheidet, ein besonderes Prägemal.

Ich verstehe nicht den Eifer einiger Priester, unter den anderen Christen aufgehen zu wollen und ihre besondere Aufgabe in der Kirche, jene Aufgabe, wozu sie geweiht wurden, beiseite zu schieben oder hintanzusetzen. Sie lassen sich von dem Gedanken leiten, die Christen möchten im Priester einen Menschen wie jeden anderen sehen. Doch das stimmt nicht. Sie suchen im Priester die Tugenden, die jeden Christen, ja, jeden guten Menschen kennzeichnen müssen: Verständnis, Gerechtigkeitssinn, Arbeitsamkeit - die im Falle des Priesters spezifisch priesterliche Arbeit bedeutet -, Nächstenliebe, Anstand, Höflichkeit. Aber außerdem erwarten die Gläubigen, daß der priesterliche Charakter deutlich hervortritt: daß der Priester betet, daß er sich nicht weigert, die Sakramente zu spenden, daß er bereit ist, sich aller anzunehmen und sich nicht dazu verführen läßt, leitender oder militanter Verfechter irgendwelcher menschlicher Parteiinteressen zu sein (Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekr. Presbyterorum Ordinis, 6) sie erwarten vom Priester, daß er in Liebe und Andacht die heilige Messe feiert, Beichte hört, Kranke und Bedrängte tröstet, Bedürftigen mit seinem Rat und seiner Liebe beisteht, Kinder und Erwachsene im Glauben unterweist, das Wort Gottes predigt; nicht aber, daß er einer profanen Wissenschaft nachgeht, die - mag er sie auch noch so gut beherrschen - nicht die Wissenschaft vom Heil und vom ewigen Leben ist.

Mit einem Wort: man erwartet vom Priester, daß er die Gegenwart Christi in sich selbst nicht stört, besonders, wenn er das heilige Opfer des Leibes und Blutes Jesu Christi vollzieht und im Sakrament der Buße - in der Ohrenbeichte - im Namen Gottes die Sünden vergibt. Das Spenden dieser beiden Sakramente nimmt unter den Aufgaben des Priesters einen so wichtigen Platz ein, daß alles andere um sie kreisen muß. Andere priesterliche Aufgaben, wie Predigt und Glaubensunterweisung, würden ihren festen Bezugspunkt verlieren, wenn sie auf etwas anderes zielten als auf die Begegnung mit Christus in dem von der Liebe getragenen Gericht der Buße und bei der unblutigen Erneuerung des Kreuzesopfers in der heiligen Messe.

Bleiben wir noch bei diesem Thema des heiligen Opfers: wenn es für uns alle Mitte und Wurzel des christlichen Lebens ist, wieviel mehr muß es das im Leben des Priesters sein. Ein Priester, der aus eigener Schuld die heilige Messe nicht jeden Tag feiern würde (II. Vatikanisches Konzil, Dekr. Presbyterorum Ordinis, 13), würde dadurch beweisen, daß er Gott wenig liebt: es wäre, wie wenn er Christus ins Gesicht sagt, daß er dessen Erlösungsdrang nicht teilt und dessen Ungeduld, sich wehrlos den Menschen als Nahrung für die Seele auszuliefern, nicht versteht.

Priester, um die heilige Messe zu feiern

Es ist gut, immer wieder daran zu erinnern, daß jeder Priester - sei er nun ein Sünder, wie wir, oder vielleicht ein großer Heiliger - beim Feiern der heiligen Messe nicht er selbst ist: er ist Christus, der am Altar sein göttliches Kreuzesopfer erneuert. Im Mysterium des eucharistischen Opfers, dessen Darbringung die vornehmliche Aufgabe des Priesters ist, wird beständig das Werk unserer Erlösung vollzogen; darum wird seine tägliche Feier dringend empfohlen; sie ist auch dann, wenn keine Gläubigen dabei sein können, ein Akt Christi und der Kirche (Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekr. Presbyterorum Ordinis, 13).

Das Trienter Konzil lehrt, daß eben derselbe Christus, der nur einmal sich selber in blutiger Weise auf dem Altar des Kreuzes opferte, in der Messe gegenwärtig wird, enthalten ist und auf unblutige Weise geopfert wird… Das Opfer ist in der Tat ein und dasselbe; und derjenige, der jetzt dargebracht wird durch das Amt der Priester, ist derselbe, der sich damals am Kreuz darbrachte, nur die Weise des Opfers hat sich geändert (Konzil von Trient, Die Lehre über das hl. Meßopfer [Denzinger-Schön. 1743940]).

Die An- oder Abwesenheit der Gläubigen bei der heiligen Messe ändert an dieser Glaubenswahrheit nichts. Wenn ich in Gegenwart des Volkes die heilige Messe feiere, stimmt mich das sehr froh, ohne daß ich mich dabei als Leiter einer Versammlung fühle. Ich bin zunächst ein Gläubiger wie alle anderen, vor allem aber bin ich Christus selber am Altar! Ich erneuere auf unblutige Weise das göttliche Opfer auf GoIgotha und konsekriere in persona Christi, ihn wirklich vertretend, da ich ihm meinen Leib und meine Stimme, meine Hände und mein Herz leihe: mein armes, so oft beflecktes Herz, das von ihm geläutert werden möchte.

Aber auch, wenn ich die heilige Messe nur in Gegenwart des Ministranten feiere, ist das Volk zugegen. Ich fühle alle Katholiken anwesend, alle Gläubigen und auch jene, die nicht glauben. Und ebenso sind alle Geschöpfe Gottes zugegen - die Erde, der Himmel, das Meer, die Tiere und die Pflanzen -, die ganze Schöpfung vereint im Lob Gottes.

Und besonders vereinen wir uns mit der himmlischen Kirche, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, in heiliger Gemeinschaft ehren wir dabei das Andenken der allerseligsten, allzeit reinen Jungfrau Maria, des heiligen Josef, aller Apostel und Märtyrer und aller Heiligen (Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konst. Dog. Lumen Gentium, 50).

Ich bitte alle Christen, daß sie viel für uns Priester beten, damit wir heiligmäßig das heilige Opfer feiern. Möge ihre Liebe zur heiligen Messe so feinfühlig sein, daß wir Priester uns gedrängt fühlen, sie mit menschlicher und übernatürlicher Würde, mit Eleganz zu feiern, achtend auf die Sauberkeit der Paramente und heiligen Gefäße, andächtig, ohne Eile.

Warum Eile? Beeilen sich etwa Menschen, die sich lieben, wenn sie Abschied nehmen? Es scheint, als würden sie gehen, und gehen doch noch nicht, sie kehren wieder um, wiederholen einfache Worte, als hätten sie sie erst jetzt entdeckt… Wendet ruhig Beispiele der echten und reinen Liebe unter Menschen auf unser Verhältnis zu Gott an. Wenn wir den Herrn mit diesem unseren Herzen aus Fleisch lieben - und ein anderes Herz haben wir nicht -, dann werden wir nicht übereilig diese liebende Begegnung mit dem Herrn beenden wollen.

Manche lassen sich Zeit und haben keine Bedenken, lange Hinweise und Bekanntmachungen bis zur Ermüdung zu verlesen. Aber dann, wenn das Wichtigste in der heiligen Messe, das eigentliche Opfer, beginnt, überstürzen sie sich und erschweren den anderen Gläubigen, Christus - Priester und Opfer zugleich - andächtig anzubeten und ihm danach ruhig und ohne Hast dafür zu danken, daß er wieder unter uns hat weilen wollen.

Die heilige Messe ist für alle Regungen und Anliegen des menschlichen Herzens der beste Weg: der Weg, der durch Christus und im Heiligen Geiste zum Vater führt.

Der Priester muß sich ganz besonders darum bemühen, daß alle dies wissen und leben. Keine andere Tätigkeit darf derjenigen vorgezogen werden, zu zeigen, wie man die heilige Eucharistie liebt und verehrt.

In doppelter Weise wirkt der Priester ein auf Christi Leib, und zwar zunächst auf seinen wahrhaft gegenwärtigen und dann auf seinen mystischen Leib. Diese zweite Wirkung hat ihren Grund in der ersten und nicht umgekehrt (Thomas von Aquin, S. Th. Supl. q. 36, a 2, ad 1). Der höchste Wert des Priesteramtes liegt daher im Bemühen des Priesters, den Katholiken zu helfen, mit immer größerer Reinheit, Demut und Andacht zum heiligen Opfer zu gehen. Wenn er das tut, wird er nicht enttäuscht sein und seine Brüder nicht enttäuschen.

In der heiligen Messe sind wir Anbeter, die voll Liebe die Hauptpflicht des Geschöpfes gegenüber seinem Schöpfer erfüllen: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und nur ihm dienen (Dt 6,13; Mt 4,10). Aber unsere Anbetung soll nicht kühl, äußerlich, knechtisch sein, sie soll innige Wertschätzung und Hingabe liebender Kinder sein. In der heiligen Messe finden wir eine vollkommene Gelegenheit, für unsere eigenen Sünden und die Sünden aller Menschen zu sühnen: wir können mit dem Apostel Paulus sagen, daß wir an unserem eigenen Fleisch erfüllen, was am Leiden Christi noch fehlt (Vgl. Kol 1,24). Keiner geht allein durch die Welt, keiner darf sich frei fühlen von seinem Schuldanteil am Bösen, das als Folge der Erbsünde und auch der vielen persönlichen Sünden auf Erden fortlebt. Lieben wir das Opfer, suchen wir die Sühne. Aber wie? Durch die Vereinigung mit Christus, Priester und Opfer, in der heiligen Messe: immer wird er es sein, der die enorme Last der Treulosigkeit seiner Geschöpfe - die Last deiner und meiner Treulosigkeit - auf sich lädt.

Das Kreuzesopfer ist ein unendlicher Beweis der Großherzigkeit Christi. Wir alle, jeder von uns, sind immer auf das Eigene bedacht: doch Gott, unseren Herrn, stört es nicht, daß wir in der heiligen Messe alle unsere Nöte vor ihm ausbreiten. Wer könnte behaupten, es gäbe nichts, worum er zu bitten hätte? Herr, diese Krankheit…, Herr, diese Sorge…, Herr, jene Demütigung, die ich nicht aus Liebe zu dir zu ertragen weiß… Wir wollen das Gute, wir wollen Glück und Freude für die Menschen, die uns nahestehen; uns bedrückt das Los jener Menschen, die nach Brot und nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, das Los jener, die die Bitternis der Einsamkeit spüren, das Los jener, die an ihrem Lebensabend keinen liebevollen Blick und keine helfende Hand finden. Aber das unermeßliche Elend, das uns quält, und die große Not, die wir beseitigen wollen, ist die Sünde, das Sich-entfernen von Gott, die Gefahr, daß Menschen für immer verlorengehen. Wenn wir die heilige Messe feiern, soll unser Hauptanliegen dasselbe sein, das Christus zur Hingabe seines Lebens auf GoIgotha führte: die ewige Herrlichkeit aller Menschen in der Liebe Gottes.

Gewöhnen wir uns daran, in dieser Aufrichtigkeit mit Christus zu sprechen, wenn er, das unschuldige Opfer, in die Hände des Priesters niedersteigt. Unser Vertrauen auf die Hilfe des Herrn wird unserer Seele jenes feine Gespür geben, das sich in Werken der Güte und der Liebe äußert: in Verständnis, in herzlichem Mitgefühl für jene, die leiden, wie für jene, die ein Glück vortäuschen, das leer und falsch ist und bald in Traurigkeit umschlägt.

Danken wir schließlich für alles, was uns Gott, unser Herr, durch die große Tat seiner Hingabe schenkt. Das menschgewordene Wort in uns… Der Schöpfer Himmels und der Erde in unsere Niedrigkeit eingeschlossen… Maria wurde ohne Makel empfangen, um in ihrem Schoß Christus zu tragen. Wenn das Wirken der Gnade den Unterschied zwischen Gabe und Verdienst überbrückt, sollten wir angesichts dieser Tatsache nicht den ganzen Tag in eine ständige Eucharistie verwandeln? Geht nicht schon gleich nach dem Empfang der Kommunion weg! Ist die Arbeit, die auf euch wartet, wirklich so wichtig, daß ihr dem Herrn nicht einmal zehn Minuten widmen könnt, um ihm zu sagen: Danke? Seien wir nicht knauserig; Liebe vergilt man mit Liebe.

Priester auf ewig

Der Priester, der die heilige Messe so lebt - anbetend, sühnend, bittend, dankend, eins geworden mit Christus und der die Gläubigen lehrt, aus dem heiligen Opfer die Mitte und Wurzel des christlichen Lebens zu machen, bezeugt damit die unvergleichliche Würde der Berufung zum Priestertum, das unauslöschliche Prägemal, das einen Menschen zum Priester auf ewig macht.

Ich weiß, daß ihr mich versteht, wenn ich euch sage, daß neben einem solchen Priester das Verhalten mancher anderer, die sich so geben, als ob sie sich wegen ihres Priesterseins entschuldigen müßten, sowohl vom Menschlichen wie vom Glauben her als ein Versagen erscheint. Es ist wirklich schade, denn diese Haltung führt sie dazu, ihr Dienstamt zu vernachlässigen, die Laien partout nachzuahmen und sich eine Nebenbeschäftigung zu suchen, die allmählich ihre ureigene Aufgabe, durch Berufung und Sendung übertragen, verdrängt. Oft neigen sie dazu, die Arbeit der Seelsorge, vor der sie fliehen, durch Einmischung in Bereiche, die Sache der Laien sind - gesellschaftliche Initiativen, Politik usw. - zu ersetzen: so entsteht der Klerikalismus, die pathologische Deformation der wahren priesterlichen Aufgabe.

Ich möchte aber nicht mit dieser negativen Bemerkung schließen, die pessimistisch klingen könnte. Das echte christliche Priestertum ist in der Kirche nicht verschwunden; die Lehre, die aus dem Munde unseres Gottes, Jesu Christi, kommt, ändert sich nicht. Und in der ganzen Welt gibt es Tausende von Priestern, die ihre Aufgabe voll erfüllen, ohne Lärm und ohne die Versuchung, einen Schatz der Heiligkeit und der Gnade, wie es ihn in der Kirche von Anfang an gegeben hat, über Bord zu werfen.

Es macht mich sehr froh, daß diese meine Brüder, überall in der Welt, menschlich und übernatürlich ihre Berufung voll Würde und Feingefühl leben. Und es ist nur gerecht, daß viele Christen mit ihrer Freundschaft, ihrer Hilfe und ihrer Ermutigung ihnen zur Seite stehen. Wenn für diese Priester der Augenblick gekommen ist, vor Gott hinzutreten, dann wird ihnen Christus entgegengehen, um ihnen, die zeitlebens in seinem Namen und in seiner Person handelten und großzügig die Gnade weitergaben, die sie zu verwalten hatten, die ewige Herrlichkeit zu geben.

Kehren wir in Gedanken zu den Mitgliedern des Opus Dei zurück, die in diesem Sommer zu Priestern geweiht werden. Vergeßt nicht, für sie zu beten, damit sie immer treue, fromme, gelehrte, selbstlose und frohe Priester sind. Bittet besonders Unsere Liebe Frau für sie, damit Maria ihre mütterliche Fürsorge jenen zukommen läßt, die sich darauf eingelassen haben, fürs Leben ganz nahe ihrem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, dem Ewigen Priester, zu dienen.

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