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*Homilie, gehalten am 6. April 1965

Wir wollen die Texte der heiligen Messe von diesem Dienstag in der ersten Passionswoche kurz betrachten, damit wir es verstehen, die gute Vergöttlichung von der schlechten Vergöttlichung zu unterscheiden. Wir werden über die Demut sprechen, denn sie ist die Tugend, die uns gleichzeitig zur Erkenntnis der eigenen Armseligkeit wie der eigenen Größe verhilft.

Unsere Armseligkeit ist offenkundig genug. Ich denke jetzt nicht an unsere natürlichen Grenzen und an die großartigen Träume, die der Mensch nie wird verwirklichen können, nicht zuletzt deshalb, weil eines Menschen Zeit so kurz bemessen ist. Ich denke an unser verkehrtes Tun, an die Stürze und Irrtümer, die wir vermeiden könnten und doch nicht vermeiden. Immer wieder spüren wir unsere eigene Unzulänglichkeit, aber es gibt Zeiten, in denen diese vielfältigen Erfahrungen wie gebündelt vor unserem Blick erscheinen, und dann erkennen wir ganz deutlich, wie bedürftig wir sind. Was sollen wir tun?

Expecta Dominum (Ps 26,14 (Introitus der heiligen Messe]), sagt uns die Kirche, hoffe auf den Herrn, lebe aus der Hoffnung, liebend und glaubend. Viriliter age (Ebd.), sei stark. Was macht es aus, daß wir Geschöpfe aus Lehm sind, wenn wir unsere Hoffnung auf Gott gesetzt haben? Auch wenn die Seele einmal einen Sturz tut, einen Rückfall erfährt - unausweichlich ist dies aber nicht -, können wir wie im Alltagsleben reagieren, wenn es um die körperliche Gesundheit geht: wir wenden ein Heilmittel an und beginnen von neuem.

Verzeichnis der Schriftstellen
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