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*Homilie, gehalten am 6. Februar 1960)

Anfangen - das tun alle; vollenden - nur wenige. Zu diesen wenigen wollen wir gehören, die wir bemüht sind, uns als Kinder Gottes zu verhalten. Vergeßt nicht, daß nur das Werk, das in Liebe abgeschlossen und gut zu Ende geführt wird, das Lob des Herrn in der Heiligen Schrift verdient: Besser ist das Ende des Werkes als sein Beginn (Sir 7,9).

Vielleicht habt ihr schon ein andermal gehört, was ich jetzt von neuem erzählen möchte, weil es mir sehr lehrreich erscheint. Bei einer Gelegenheit wollte ich den Schlußstein eines Gebäudes segnen und suchte im Rituale Romanum das entsprechende Gebet; denn der Schlußstein ist ja das entscheidende Stück, das die harte, beharrliche, jahrelange Arbeit vieler Menschen versinnbildlicht. Überrascht stellte ich fest, daß es einen solchen Segen nicht gab. Ich mußte mich mit einer benedictio ad omnia, mit einem allgemeinen Segen, zufrieden geben. Ich konnte mir, offengestanden, eine solche Lücke nicht vorstellen, aber auch aufmerksameres Durchgehen des Inhaltsverzeichnisses war umsonst. Ich fand nichts.

Vielen Christen ist die Überzeugung abhanden gekommen, daß die Einheit des Lebens, die der Herr von seinen Kindern erwartet, auch die ehrliche Sorgfalt für die rechte Verwirklichung der eigenen Aufgaben mit einschließt, die bis zur letzten Kleinigkeit geheiligt werden müssen.

Wir dürfen dem Herrn nichts anbieten, das nicht in dem Maße, wie unsere menschliche Unzulänglichkeit es erlaubt, vollkommen, fehlerlos und auch im Kleinen vollendet ist. Gott nimmt eine hingepfuschte Arbeit nicht an. In der Heiligen Schrift heißt es: Etwas Fehlerhaftes dürft ihr nicht darbringen, denn es wäre seiner nicht würdig (Lev 22,20). Deshalb soll die Arbeit, die unseren Tag ausfüllt und unsere ganze Kraft in Anspruch nimmt, eine Opfergabe sein, die des Schöpfers würdig ist, ein vollendetes, tadelloses Werk: operatio Dei, Arbeit von Gott und für Gott.

Verzeichnis der Schriftstellen
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