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Mutter der Kirche

Immer wieder suche ich mich mit meiner Vorstellungskraft in die Zeit zurückzuversetzen, da Jesus ganz bei seiner Mutter war: viele Jahre, fast das gesamte irdische Leben unseres Herrn. Ich sehe Ihn als kleines Kind, wie Maria Ihn pflegt, Ihn küßt und sich mit Ihm beschäftigt. Ich sehe Ihn dann unter den liebenden Blicken von Maria und Josef, seinem irdischen Vater, heranwachsen. Wie aufmerksam und mit welchem Zartgefühl müssen sich Maria und der heilige Patriarch um das Kind gekümmert haben. Wieviel müssen sie ständig in aller Stille von Ihm gelernt haben. Ihre Seelen wurden der Seele des Sohnes, der Mensch und Gott ist, immer ähnlicher. Deshalb kennt Maria - und nach ihr Josef - die Regungen des Herzens Jesu wie sonst niemand; und deshalb sind Maria und Josef der beste Weg - ich möchte sogar sagen: der einzige -, um zu unserem Heiland zu gelangen.

Der heilige Ambrosius schreibt: In jeder Seele sei Marias Seele, daß sie den Herrn preise; in jeder sei der Geist Mariens, daß er frohlocke in Gott. Und der heilige Kirchenvater verbindet diese Worte mit Gedanken, die auf den ersten Blick gewagt erscheinen, aber für das Leben eines Christen einen klaren geistlichen Sinn enthalten: Gibt es auch nur eine leibliche Mutter Christi, so ist doch in der Ordnung des Glaubens Christus die Frucht aller (Ambrosius, Expositio Evangelii secundum Lucam, 2, 26 (PL 15, 1561]).

Wenn wir mit Maria gleichförmig werden und ihre Tugenden nachahmen, werden wir dazu beitragen, daß Christus durch die Gnade in die Seele vieler Menschen hineingeboren wird, die dann durch das Wirken des Heiligen Geistes mit Ihm eins sein werden. Die Ausrichtung an Maria läßt uns irgendwie an ihrer geistigen Mutterschaft Anteil haben; und dies geschieht, wie bei ihr selbst, ganz im stillen, unbemerkt und ohne viele Worte, durch das Zeugnis eines bedingungslos konsequenten christlichen Verhaltens und durch die großzügige Erneuerung eines fiat- es geschehe! -, das die Verbundenheit mit Gott ständig aufrechterhält.

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