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*Homilie, gehalten am 6. April 1967

Aus der Menge heraus hat ein Schriftgelehrter dem Herrn eine Frage gestellt; er gehört zu denen, die im Gestrüpp einer selbstentwickelten, sterilen Kasuistik die Moses geoffenbarte Lehre nicht mehr wahrzunehmen vermochten. Die göttliche Antwort Jesu an ihn, gemessen und von der sicheren Überzeugungskraft eines zutiefst Wissenden getragen, lautet: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben, mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Gemüt. Dies ist das erste und größte Gebot. Das zweite aber ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten (Mt 22,37-40).

Vergegenwärtigt euch jetzt den Meister, mit seinen Jüngern versammelt in der vertrauten Gemeinschaft des Abendmahlsaales. Die Stunde seines Leidens naht, der Herr ist umgeben von den Menschen, die Er liebt, und sein Herz ist ein einziger Feuerbrand. Er sagt zu seinen Jüngern: Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe. So sollt auch ihr einander lieben. Daran sollen alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt (Joh 13,34-35).

Um den Herrn durch die Lektüre des heiligen Evangeliums näher zu kommen, habe ich euch immer empfohlen, euch in die jeweilige Szene so hineinzuversetzen, als ob ihr eine der anwesenden Personen wäret. Dann werdet ihr wie Maria - und ich kenne viele ganz normale Menschen, die so leben - nur für Ihn da sein und an seinen Lippen hängen, oder wie Martha wagen, Ihm aufrichtig all eure Sorgen, auch die unbedeutendsten, anzuvertrauen (Vgl. Lk 10,39-40).

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